Leichte Verwirrung ist von ihrem Gesicht abzulesen, als Regina Bérard vor der Keramikwerkstatt Argila nahe des Parc de ses Estacions in Palma stehen bleibt. „Überraschung”, hört man ihre Begleiter rufen. Die 68-jährige Berlinerin kam nach Mallorca, um ihren Geburtstag zu feiern. Dem zu Ehren ging es zu einem Töpferkurs – mal etwas anderes zum Geburtstag schenken, dachten sich ihre Kinder.
„Cool! Aber ich versteh’ doch gar nicht, was die da zu mir sagen”, äußert sich die Rentnerin mit Besorgnis in der Stimme. Der Workshop wird auf Spanisch abgehalten, was dem Erlebnis jedoch keinen Abbruch tut. Denn die Kursleiterin Margarita Fonollá versteht es bestens, ihren Schülern auch ohne viele Worte, sondern durch Vorzeigen zu erklären, wie man den Ton formt.
Seit ungefähr 40 Jahren betreibt Fonollá die Keramikwerkstatt Argila, leitet Kurse, fertigt Ausstellungsstücke und Auftragsarbeiten diverser Keramiken und restauriert wertvolle Tonstücke. Die heute 63-Jährige begann bereits im zarten Alter von 16 Jahren mit dem Töpfern und studiert dessen Eigenschaften und Möglichkeiten stetig. „Am liebsten unterrichte ich andere in diesem Handwerk, denn bei der Menge an Problemen, die auftauchen, muss man schnell reagieren, um sie zu lösen. Dabei habe ich mich schon in vielen Situationen wiedergefunden, aus denen ich wiederum etwas gelernt habe”, erzählt die passionierte Künstlerin.
Nach der anfänglichen Anspannung steigt bei Regina Bérard schließlich die Vorfreude auf das glitschige Erlebnis. Und auch ihre Sitznachbarin, die 59-jährige Mallorquinerin Paquita Más María, kann es kaum erwarten, sich die Hände schmutzig zu machen. Unterhalten können sich die beiden Frauen aufgrund der Sprachbarriere nicht. Doch bereits nach einigen Minuten des Ton-Knetens läuft die Verständigung mit Gesten und gemeinsamen Gelächter von ganz allein. „Ich hatte gehofft, die Szene an der Töpferscheibe aus dem Film ‚Ghost – Nachricht von Sam’ nachstellen zu können”, witzelt Más María, während sie mit ihren Fingern über die erdige Substanz streicht.
An die Drehscheiben werden die neuen Lehrlinge jedoch noch nicht gesetzt. „Das Arbeiten an Töpferscheiben ist ein bisschen mehr mechanisch, schwieriger zu handhaben und weniger kreativ”, erklärt die Expertin. Wer mit dem Töpfern anfangen möchte, solle sich zunächst mit dem Material und der Handarbeit an sich vertraut machen. Dem fügt Fonollá hinzu: „Handgefertigte Keramik ist etwas für jedermann. Denn vor allem die Art und Weise, wie diese Kunst ausgeführt wird, und dass alles, was dabei herauskommt, gut ist, ist entscheidend.” Passend, dass hinter ihr an der Wand ein Schild mit der Aufschrift „Wabi Sabi” hängt – ein japanisches Sprichwort, das auf die Schönheit von Imperfektionen hinweist.
Allmählich nehmen die Tonklumpen vor Regina und Paquita die Gestalt einer Tasse an – wüssten die beiden Frauen ‚wie’, hätten sie sich bereits das ‚Du’ angeboten. Margarita Fonollá begutachtet die Werke und gibt hier und da Tipps, wie man die Oberfläche glatter streichen kann, oder zeigt, welche Handbewegung notwendig ist, um die Form beim Bearbeiten der weichen Masse beizubehalten. Als die Lehrerin eines der Exemplare hochhält, um zu erklären, wie man die durch zu starken Druck entstandene Bauchung wieder verschmälert, schaut Paquita Más María etwas beschämt auf ihre Arbeit. Mit einem aufmunternden Lächeln erwidert ihre neue deutsche Freundin: „Dann machst du daraus jetzt einfach eine Müslischale!” Dabei gestikuliert sie mit übertriebenen Handbewegungen, wie sie aus eben dieser Schale die Luft löffelt.
Töpferkurs über zwei Stunden für Anfänger und Fortgeschrittene, ab 30 Euro pro Person.
Informationen und Anmeldung unter Tel. 629 209 587 oder www.ceramica-arte.es . C/. Bisbe Maura 49A, Palma.
Der Workshop scheint ein freudiger Erfolg zu sein. „Töpfern ist ein kreatives Handwerk und ich glaube, dass es sehr gut für die geistige Gesundheit ist”, sagt Fonollá abschließend, während sie die Meisterwerke ihrer neuen Schüler zum Brennen in den Ofen stellt.
Seit ein paar Jahren erfährt die Arbeit mit Keramik einen regelrechten Boom. Was sich vor allem durch die voll besetzten Töpferwerkstätten auf Mallorca und ausgebuchte Kurse bemerkbar macht. Auch bilden sich immer mehr Ateliers, vor allem in der Inselhauptstadt. „Vor drei oder vier Jahren gab es nur zwei Werkstätten in Palma, jetzt sind es schon ein paar mehr, was gut ist, denn die wachsende Konkurrenz bedeutet, dass die Leute auch mehr darüber wissen möchten und es mehr wertschätzen”, erklärt Margarita Fonollá. Während sie mit einem zufriedenen Lächeln die Tür ihres Ateliers schließt, schaut sie den beiden
Kursteilnehmerinnen hinterher, die nebeneinander lachend, Arm in Arm, die Straße entlanglaufen.
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