Die Gischt schäumt, die Wellen schlagen an die Felsküste, die Luft schmeckt salzig-feucht – genauso wie das Kraut, dass hier seinen bevorzugten Lebensraum hat: der Meeresfenchel (auf Mallorquin „Fonoll marí”). Mit seinem aromatischen, salzigen Geschmack kitzelt er den Gaumen und ist auf vielfältige Weise einsetzbar: Die grüne Pflanze peppt Salate auf, verleiht belegtem Brot eine besonders würzige Note und vielen Gerichten erst den typisch mallorquinischen Touch.
Das 20 bis 40 Zentimeter hohe Kraut ist genügsam. Schon Shakespeare war von der maritimen Pflanze beeindruckt, weil sie sich auf prekäre Weise an den Klippen der Kanalküste fest klammert und nur vier Körner Erde braucht, um Wurzeln zu schlagen. In seinem Stück König Lear sagt er, dass die Pflanze ein furchtbares Leben führte. Für den berühmten englischen Tagebuchschreiber John Evelyn (1620-1706) war die Meeresfrucht sein Lieblingsgemüse und in seinem Werk Acetaria (1699) gibt er eine Methode zur Konservierung in Essig und Wasser an, die fast identisch mit dem klassischen mallorquinischen Rezept ist.
Ziehen lässt sich der Meeresfenchel aber auch ganz leicht in einem Topf. Ein einfacher Stängel, der in feuchte Erde gesteckt wird, schlägt sofort Wurzeln, und wenn die Samen ausgesät werden, sprießen die Sprossen innerhalb weniger Tage in Hülle und Fülle.
Sammler erkennen die Pflanze an den blaugrünen, fleischigen Blättern – im Frühling trägt Fonoll marí eine gelbe Blütenpracht. Obwohl er ganzjährig auf der Insel wächst, ist im Sommer die beste Zeit für die Ernte, dann sind die Blätter besonders saftig und gehaltvoll.
Ein Kraut, dass nach Meer schmeckt
Da die Pflanze fast an allen felsigen Abschnitten der Küste wächst, ist sie leicht zu finden. Freunde des guten Geschmacks schätzen diese Delikatesse vor allem wegen ihrer Unverwechselbarkeit. Durch das Einlegen des Fenchels in gesalzenen Weißweinessig erhält er eine säuerlich-salzige Note. Einen Monat lang muss er „reifen” – dann ist er durchgezogen und macht sich sowohl in den unterschiedlichsten mallorquinischen Gerichten gut, wie auch als dekorativer Blickfang auf Schinken- und Käseplatten, der als Beiwerk auch verspeist werden kann.
Die Mallorquiner verfeinern besonders gerne ihr Pa amb oli („Brot mit Öl”) damit, passt aber auch hervorragend zu einem Cap Roig. Hierfür den Roten Drachenkopf, wie der Cap Roig auf Deutsch heißt, in eine Pfanne legen, die zuvor mit Meeresfenchel ausgekleidet wurde, auf den Fisch wieder eine Schicht der Pflanze, etwas Wasser und dann kochen (ein 600-Gramm-Stück braucht etwa 10 Minuten). Serviert wird die Delikatesse mit Aioli (Knoblauchmayonaisse) und Weißbrot oder Salat.
Zu einer cremigen Paste püriert, harmoniert Meeresfenchel hervorragend mit mallorquinischen salzigen Keksen (Quelis) oder Grissini – ein ebenso einfacher wie leckerer Aperitif. Für eine Sauce wird das Kraut Fonoll marí mit etwas Wasser zehn Minuten lang gekocht, dann abgeseiht, in den Mixer gegeben, Die Creme wird langsam erhitzt und zu 300 Gramm Fenchel etwa 80 bis 100 Gramm Butter hinzugefügt. Die Sauce hat eine kräftige grüne Farbe und verleiht jedem Fischgericht einen besonderen Geschmack.
Fonoll marí ist ein Gewürz mit Geschichte: Bereits im 15. und 16. Jahrhundert wurden seine Blätter geerntet, die als Proviant in jedem Seesack zu finden waren. Durch seinen hohen Vitamin-C-Gehalt beugten sie dem Skorbut vor. So bereisten Seeleute mit dem Fonoll marí im Gepäck die Weltmeere.
Auch in der Hausapotheke sollte der Alleskönner nicht fehlen: „A qui passa mal de ventre, jo sé què es bo donarli, un poc de fonoll marí, mesclat amb aigo calenta“ („Wer Bauchschmerzen hat, dem gebe man ein wenig Meeresfenchel, vermischt mit warmem Wasser”) besagt ein mallorquinisches Sprichwort.
Inzwischen ist die Pflanze sogar in der Kosmetikindustrie auf dem Vormarsch – ihr wird nachgesagt, dass sie gegen die unschönen Dellen an den Oberschenkeln hilft: Cellulite-Stop vom Meeresrand. Auch in Gesichtscremes finden sich Auszüge als natürliches Garaus für die ersten Falten. Genuss- und Schönheitsmittel in einem – und das auch noch gratis zuhauf am Strand.
1 Kommentar
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Bitte weisen Sie Ihre leser darauf hin dass das FORNOLL MARÍ auf den Balearen unter naturschutz steht und es strengstens VERBOTEN ist es zu pflücken. Besten dank und gruss. Bernd Schmahl