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Wer Angst vor Separatisten und dreckigen Händen hat, der sollte von Calçots besser die Finger lassen. Die traditionelle Zwiebelspezialität aus Katalonien gilt nämlich nicht nur als heimliches Nationalgericht der nach Unabhängigkeit strebenden Region, sondern ist auch eine ziemliche Sauerei: Ohne Besteck wird der zarte Innenteil der langen Stangen in die Sauce getunkt, dann mit Schwung über dem Mund baumelnd in den Rachen befördert. Da die Calçots traditionell auf einem offenen Feuer aus Rebholz zubereitet werden, muss man zuvor aber das rußgeschwärzte Zwiebelgrün von dem wunderbar weichen Kern abziehen.

Mit den Fingern der einen Hand das weiße Innere festhalten, mit der anderen Hand an der schwarzen Hülle ziehen. Schon ist das Gemüse fertig zum Verzehr. Zutaten wie Mandeln, Haselnüsse, Tomaten, Knoblauch, Essig und Öl sorgen in der Romesco-Soße für ein intensives Orange, vor dem man sich mit einem Lätzchen schützen sollte. Man braucht bei Tisch also etwas Geschicklichkeit für die Leckerei, die aus dem Dorf Valls bei Tarragona den Weg in alle katalanischsprachigen Regionen Spaniens gefunden hat und sich mittlerweile sogar in London einer gewissen Beliebtheit erfreut. Das ist nicht nur ein britischer Spleen, sondern dürfte tatsächlich etwas mit dem Aroma zu tun haben: Calçots schmecken nur unmerklich nach normalen Zwiebeln, vielmehr sind sie lieblich, fast süß. Es handelt sich um eine spezielle Züchtung – dicker als Frühlingszwiebeln und dünner als Lauch.

Fast erinnern sie ein wenig an Spargel, der in Katalonien und auf Mallorca ebenfalls gerne mit Romesco verzehrt wird. In einer körnigeren Variante mit mehr Knoblauch ist die National-Soße auch als „Salvitxada” bekannt und passt gut zu Fleisch oder Fisch. Wenn die Frühlingszwiebeln durchgegart sind und das Feuer heruntergebrannt ist, grillt man über der Glut ohnehin oftmals Butifarra-Würste und Lammkoteletts. Frische Orangen oder eine Crema Catalana – die Eiercreme mit braun karamellisierter Oberfläche – können beim Dessert dabei helfen, dass sich das schwere Essen besser setzt. Der Wein wird manchmal aus einer Glaskaraffe mit langem Ausguss („porrón”) direkt in die Gurgel gespritzt. Dass gleichzeitig auch der Cava-Schaumwein in Strömen fließt, ist fast schon Ehrensache.

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Die Saison läuft von Januar bis Ende März. Auch auf der Insel werden sie angeboten, etwa im Molí d’es Comte in Establiments oder im „Ses Coves” in Gènova. In dem Lokal von Alfonso Robledo kann man ein Calçot-Menü (drei Gänge, 27 Euro) mit einem Höhlenbesuch verbinden. „Calçots werden in Büscheln von 25 bis 50 Stück verkauft. Wir beziehen sie direkt aus Valls. Man bekommt sie aber auch auf dem Olivar-Markt”, so Robledo im MM-Gespräch.

Eine Alternative sind öffentliche Calçotadas, wie sie in den Dörfern der Insel stattfinden. Für Besucher hat das den Vorteil, dass man sich live abschauen kann, wie man die Stangen richtig isst. Außerdem lernt man die Volksseele kennen: Sollten die katalanischen Länder („païssos catalans”) tatsächlich einmal selbstständig(er) werden, wird das garantiert mit einer großen Calçotada gefeiert.

(aus MM 8/2018)