Am Anfang war die Haferflocke. „Wie kam es zu der Idee, Körner zu zarten Flocken zu pressen, und wie hat das überhaupt geklappt, denn bei mir sind die Körner als Kind geradezu ,explodiert’, wenn man sie platt gemacht hat?” Diese Fragen schossen der Wahlmallorquinerin Elke Becker beim Frühstück in den Kopf. Und weil sie eine neugierige und produktive Autorin ist, machte sie sich auf die Suche nach Antworten.
Das Ergebnis ist eine spannende Saga über die berühmte Haferflocken-Dynastie Kölln. „Das Haus Kölln. Glänzende Zeiten” heißt der erste Band der Trilogie, der diesen Donnerstag, 11. Januar, im Heyne-Verlag erschien. Band 2 und 3, „Große Hoffnung” und „Wahres Glück”, werden am 11. April und 10. Juli dieses Jahres in den Handel kommen.
Erst im vergangenen August wurde bei Heyne der letzte Band einer vierteiligen Mallorca-Saga über die Winzerfamilie Delgado veröffentlicht, die Becker und ihre Kollegin Ute Köhler unter dem Pseudonym Carmen Bellmonte geschrieben hatten. Schon in diesen Romanen standen starke Frauen im Mittelpunkt des Geschehens, und auch jetzt sind sie die Protagonistinnen. Allen voran im ersten Band Charlotte Kölln. 1886 wird ihr Mann durch einen Arbeitsunfall aus dem Leben gerissen. Zeit für Trauer bleibt ihr nicht, denn die Kornmühle in Elmshorn muss weiterbetrieben werden, sonst steht die Familie vor dem Ruin.
Man ahnte es: Probleme und Konflikte, von denen ein Roman bekanntlich lebt, sind vorprogrammiert. Denn als Frau des 19. Jahrhunderts darf Charlotte weder Kredite aufnehmen noch offiziell die Geschäfte führen, doch ihr ältester Sohn ist noch zu jung, um den Betrieb zu übernehmen. Es als Frau trotzdem zu wagen, erfordert in der damaligen Zeit Mut, Fingerspitzengefühl und Durchsetzungskraft zur gleichen Zeit. Als ihr Ältester auch noch die Arbeiterin Bertha heiraten will, ist Charlotte gar nicht begeistert. Sie bangt um den Status der Familie, den es zu erhalten gilt. Die beiden willensstarken Frauen müssen sich wohl oder übel miteinander arrangieren – und erkennen, dass sie alles bewältigen können, wenn sie zusammenstehen.
Auf eines legt Becker großen Wert: Ihre Trilogie ist weder eine Dokumentation noch eine nach wissenschaftlichen Kriterien erstellte Biografie, sondern ein Roman. „Die Recherche zur Familie Kölln und deren Firmengeschichte gestaltete sich recht schwierig. Gerade zu den Ehefrauen und den Geschwistern ist bei der Familiengeschichte wenig bekannt. Da musste ich Realität und Fiktion miteinander verknüpfen, um die damalige Zeit entsprechend einzufangen”, erklärt die Autorin.
Recherchiert hat Becker allerdings eine ganze Menge, nicht nur im Netz und in Büchern, sie reiste auch von Mallorca nach Elmshorn, um sich vor Ort Informationen zu verschaffen, um sich und ihren Lesern ein möglichst genaues Bild von der damaligen Zeit zu machen und daraus eine spannende Geschichte stricken zu können.
„Ich recherchiere vor Arbeitsbeginn sehr genau, zumindest für den ersten Band, der weitere Verlauf entwickelt sich dynamisch, da tatsächliche Begebenheiten und Fiktion vermischen und die Charaktere zum Leben erwachen und ein Eigenleben entwickeln”, schildert Becker ihre Vorgehensweise. Damit die Leser nicht blind durch die Geschichte tappen, schuf sie Transparenz. Im Nachwort, das sie „Auf den Spuren der Realität” überschrieben hat, trennt sie die Spreu vom Hafer, klärt über ihre Quellen auf und über die Fakten, die sie hergaben.
Warum sie es sich nicht einfacher machte und die Geschichte des Hauses Kölln anhand der Männer schilderte, begründet sie so: Gerade zu dieser Zeit sei es kaum vorstellbar, dass ein Mann auf die Idee gekommen sei, Körner zu Flocken platt zu hauen, geschweige denn sie in ansehnlichen Haushaltsverpackungen zu handeln, zumal das Geschäft mit den Säcken gut gelaufen sei. „Essen war ja die Angelegenheit der Frauen, deshalb kann ich mir nur vorstellen, dass es von einer Frau kam.” In der Geschichte wäre so etwas gewiss nicht zum ersten Mal passiert.
Umso verdienstvoller ist es, dass Becker mit ihrer neuen Saga trotz der schwierigeren Recherchen erneut die Frauen in den Mittelpunkt gerückt hat. „Es war Frauen damals fast alles verboten, das Radfahren ist nur ein kleines Beispiel dafür” sagt sie. „Ich glaube, ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass es die eine oder andere Protagonistin gab, die sich nicht davon abhalten ließ. Alles, was wir inzwischen für selbstverständlich halten, war für die Frauen damals ein Kampf um ihre Individualität. Wir haben den mutigen Frauen von damals sehr viel zu verdanken.”
Band 1 der Trilogie beginnt 1886 und geht bis 1898. Insgesamt zieht sich die Saga über drei Generationen und endet nach dem Zweiten Weltkrieg. „Es wäre durchaus ein vierter Band drin gewesen, der während des Wirtschaftswunders spielt. Aber im Vordergrund standen die Erfindung der Haferflocke und ihr Weg in die Haushaltspackung, und der ist auserzählt”, begründet Becker das Ende.
„Das Haus Kölln. Glänzende Zeiten” kostet als Taschenbuch 12 Euro, als E-Book 9,99 Euro und als Hörbuch 17 Euro.
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