Das bekannteste dieser Güter ist sicherlich Miramar, wo einst der mittelalterliche Theologe Ramon Llull seine Missionare ausbildete. Bei der Frage nach dem malerischsten Landgut liegt die Sache anders. Für den Maler Santiago Rusiñol, einer der führenden Vertreter des katalanischen Modernismus, gab es kein Vertun: Sein bevorzugtes Landgut war Sa Coma. Auf zehn Gemälden hat er es verewigt, nicht zuletzt wegen seiner Gärten und seiner Umgebung.
Dieses Landgut kann nun auch besichtigt werden. Am Sonntag, 3. November, wird die auf historische Führungen spezialisierte Tourismusexpertin Maria Magdalena Sureda eine Besichtigung auf Deutsch machen. Veranstaltet wird diese von der Stiftung Itinerem, die kulturelle Aktivitäten rund um die historischen Landgüter der Insel fördert und mithin die „Possessions“ wieder ins öffentliche Bewusstsein rückt.
„Diese Anwesen bestimmten die Lebensweise der Mallorquiner, über sie lässt sich die mallorquinische Gesellschaft erklären“, sagt der Geschäftsführer von Itinerem, Diego Zaforteza. Der Betriebswirt stammt selbst aus einer Familie von adligen Großgrundbesitzern. Er und die Stiftungen haben für die Besichtigungen ganz bestimmte Possessions im Blick: Besitzungen in Privatbesitz, in denen noch die Geschichte atmet.
Zum Beispiel Sa Coma. Die Geschichte des Landgutes geht auf das Ende des 16. Jahrhunderts zurück. Zwischen 1583 und 1594 kaufte die mallorquinische Patrizierfamilie Sureda in Valldemossa verschiedene Ländereien und fügte sie zu einem Landgut zusammen.
1717 verlieh Spaniens erster Bourbonen-König Felipe V an Juan Sureda i Villalonga den Titel Markgraf von Vivot. Bis 1913 war Sa Coma in markgräflichem Besitz. In jenem Jahr verkauften die Witwe des sechsten Markgrafen von Vivot und deren acht Töchter das Anwesen an der Habsburger Erzherzog Ludwig Salvator. Der Deal: Der Erzherzog verpflichtete sich, der Familie im Gegenzug über 20 Jahre lang jährlich 30.000 Peseten zu zahlen und sie so lange dort wohnen zu lassen.
Doch es kam anders. 1915 starb Ludwig Salvator, 1918 sein Sekretär und Erbe Salvador Vives. Von dessen Nachfahren kauften zwei Töchter des verstorbenen Markgrafen, Maria Teresa und Maria Sureda i Fortuny, das Landgut zurück.
Es war der Vater der beiden Schwestern und Urgroßvater der heutigen Gutsbesitzerin, Juan Miguel Sureda i Veri (1850-1912), der das heutige Aussehen von Sa Coma prägte. Seine Lust am Gestalten hat sich nicht auf das Landgut beschränkt. Auch die heutige Fassade der Kirche Santa Eulalia in Palma wurde 1893 von ihm entworfen.
In Sa Coma tragen bereits die Gärten des Anwesens die Handschrift des Markgrafen. Gestutzte Zierhecken im klassisch französischen Stil umrahmen auf den schmalen Bergterrassen Bäume und Pflanzen, von denen manche ganz untypisch für Mallorca sind. Ein Wasserbassin hat der kreative Aristokrat als Teich in die felsige Landschaft eingepasst, darüber eine Statue der als Bäuerin gekleidete Beateta, wie Santa Catalina Thomás im Volksmund liebevoll genannt wird.
In Valldemossa wird die Heilige besonders verehrt, da sie dort 1531 geboren wurde. Auch hier schritt Juan Miguel Sureda i Veri zur Tat: Er rief zum Patronatstag der Inselheiligen am 28. Juli den Umzug der Beateta mit dem „Carro Triumfal“ ins Leben und stiftetet die Kutsche gleich mit – das heutige Gefährt ist eine Replik davon.
Die Beatetas waren zunächst die Töchter der markgräflichen Familie. „Am Ende wollten die Einwohner von Valldemossa, dass die Mädchen aus dem Dorf die Beateta darstellten. Damit war es für die Mädchen der Familie vorbei”, erzählt die heutige Gutsherrin, Concepción Zaforteza. Im Empfangssaal des Hauses erinnern noch Fotos an die früheren Zeiten, eines für jedes Beateta aus dem Hause Sureda.
Vor der Besichtigung des Gebäudes lohnt sich ein Blick in die anliegende Familienkapelle. „Sie ist relativ modern. Und wenn ich modern sage, meine ich 150 Jahre“, sagt Itinerem-Geschäftsführer Diego Zaforteza schmunzelnd. Der ovale Gebetsraum ist im neoklassizistischen Stil gehalten.
Folgt man dem mallorquinischen Historiker und Publizisten Jaume Llabrés, dann diente das Sanktuarium in der Klosterkirche der Kartause als Inspirationsquelle für die Kapelle. Das Bild über dem Altar ist freilich älteren Datums. Es zeigt Jesus und Maria umgeben von Engeln und stammt laut Llabrés vom Ende des 16., Anfang des 17. Jahrhunderts.
Wer als Hans-Guck-in-die-Luft das Hauptgebäude betritt, sieht die bemalten Dachziegel, die es sonst nur noch in Fornalutx gibt. Erreicht man bei den Possessions den Eingang gewöhnlich über den „Clastra” genannten Innenhof, so tritt der Besucher in Sa Coma direkt in eine längliche Eingangshalle.
Von dort führt der Weg in die Wohnräume der ersten Etage. Dort befinden sich zwei Schlafräume von anno dazumal, deren Baldachinbetten mit dem traditionellen Zungenstoff überzogen sind. Getrennt sind sie durch einen Empfangssaal, dessen Wände mit Konterfeis von Päpsten, Bischöfen, Kaisern, Königen und Königinnen behängt sind.
Dass dieser Saal der einzige ohne Kamin ist, erklärt Diego Zaforteza so: „Diese Räume waren nicht dazu gedacht, bewohnt zu werden, sondern um Macht und Reichtum zur Schau zu stellen.” Und sollte sich ein Besucher dadurch nicht beeindrucken lassen, blieb ihm immer noch der spektakuläre Blick auf Valldemossa.
Die Besichtigung dauert inklusive mallorquinischem Vesper von 10.30 bis 13.30 Uhr. Eintritt: 25 Euro. Informationen zur Reservierung und weiteren Terminen: 690-218709 oder
galeriaflohr@gmx.net.
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