Wer sich vor Gespenstern fürchtet, sollte den "Turm der Seelen" bei Banyalbufar nicht nach Einbruch der Dunkelheit aufsuchen. | J.T.

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Über 1000 Meter hoch ist der Galatzó auf der Grenze von Puigpunyent, Calvià und Estellencs. Sein Gipfel gilt als einer der spektakulärsten Aussichtspunkte Mallorcas. Einige Einheimische halten den Berg gar für magisch. Es heißt, dass sich an manchen Wintertagen an seiner Nordseite Hunderte von Schlangen versammeln, angezogen von einer geheimnisvollen Kraft. In der Sonne liegend, lade sich das Gekräuch mit der Energie des Berges auf.

Am verbreitetsten aber ist die Überlieferung vom Comte Mal, dem bösen Grafen. Zu seinen Ländereien gehörte das Gut Galatzó, wo der Comte Mal Feinde wie Bedienstete zu Tode folterte. In den kalten Novembernächten, in denen der Wind und aus der Ferne die Hunde heulen, geistert nun seine verfluchte Seele auf einem grünen, nach Schwefel stinkenden Pferd einsam über das Gut.

Dem Comte Mal liegt eine Person aus Fleisch und Blut zugrunde: Ramon Burguès-Zaforteza Pacs-Fuster de Villalonga i Nét, zweiter Graf von Santa Maria de Formiguera und Herr der alten Rittergüter Hero, Santa Margalida, Alcudiola, Maria, Puigblanc, Castellet und Tanca sowie des Landguts am Galatzó. Geboren 1627, starb er wahrscheinlich 1694.

Zum Comte Mal brachte er es, weil er rücksichtslos versuchte, feudale Ansprüche gegenüber der Bevölkerung von Santa Margalida durchzusetzen. Dabei schreckte er selbst vor Mord nicht zurück. Am Ende wies der Oberste Rat der Krone von Aragón den Grafen in seine Schranken.

Im Jahr 2006 erwarb die Gemeinde Calvià das ehemalige Landgut, das nun öffentlich zugänglich ist. Die Finca mit Hauptgebäude, Ölmühle, Pferdestallungen und Kapelle erreicht man von Es Capdellà aus. Sie ist Ausgangspunkt von vier Wanderwegen mit unterschiedlicher Länge und Schwierigkeitsgraden. Geöffnet ist sie im Winter von 8 bis 17 Uhr.

Den Spuren des Comte Mal begegnet man auch in Palma. Beim Gang über die Stadtmauer kommt man an Can Formiguera vorbei, dem Stammsitz des Grafen, erkennbar an einem Turm. Der Legende nach baute ihn der Graf mit Hilfe des Teufels, weil er eine Nonne des Klosters Santa Clara stalken wollte, in die er sich verliebt hatte. Es heißt, der Turm sei so hoch gewesen, dass der empörte Magistrat den Grafen zwang, ihn zurückzubauen.

Schürzenjäger Ramon LLull

Das Ramon-Llull-Jahr hat den mittelalterlichen mallorquinischen Theologen, Philosophen und Missionar erneut ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Doch nicht alles, was er oder andere über sein Leben schrieben, sollte man für bare Münze nehmen. Wissenschaftler bezweifeln heute stark, dass Llull Aristokrat, Erzieher und später sogar Seneschall von Mallorcas König Jaume II war.

Ins Reich der Legenden gehört auch, wie der Höfling und Schürzenjäger Llull eine schöne Frau bedrängte. Hoch zu Ross folgte er ihr sogar in die Kirche Santa Eulàlia, in die sie sich in ihrer Not geflüchtet hatte. Die Dame wusste sich nicht anders zu helfen, als ihren Busen zu entblößen. Doch statt zwei voller Brüste kam ein von Geschwüren zerfressener Körper zum Vorschein. In schockartiger Erkenntnis der Vergänglichkeit des Lebens sagte sich der ungestüme Ritter von den Genüssen des weltlichen Daseins los.

Auf Llull, dessen Statue am Passeig de Sagrera zum Meer hin blickt, trifft man an vielen Orten der Insel. Seine Gebeine ruhen in der Basilika Sant Francesc in Palma in einer Seitenkapelle hinter dem Hauptaltar. Besuchen kann man auch das Kloster Miramar zwischen Valldemossa und Deià. Dort bildete Llull Missionare aus und lehrte sie Arabisch, um Muslime zum Christentum zu bekehren. Und schließlich der Berg Randa. Dorthin zog sich Llull 1273 eine Zeit lang in die Einsamkeit zurück. Nahe des Klosters Cura kann man die Erdhöhle besichtigen, in der er gehaust und die Erleuchtung für seine "Ars" erlangt haben soll, ein Kombinationssystem von Begriffen, mit dessen Hilfe Muslime und Juden davon überzeugt werden sollten, dass das Christentum ihren Religionen überlegen sei.

Die goldenen Säulen des Berges Randa

Der Berg Randa zwischen Algaida und Llucmajor liegt im Zentrum der Insel. Seine Stille und Aussicht wussten die Einsiedler und Mönche zu schätzen, die drei Klöster in der Wand und auf dem Plateau des Berges bauten: Nostra Senyora de Gràcia, Sant Honorat und Cura.

Der Sage nach entstand der Berg so: Ein Riese aus Algier überquerte auf zwei Schiffen das Mittelmeer, mit einem Fuß auf jedem Kahn und einem Korb voller Erde auf dem Kopf. Bei einem Sturm vor Cabrera trieben beide Schiffe auseinander. Um sein Gleichgewicht nicht zu verlieren, setzte der Riese einen Fuß auf die Küste von Cala Pi. Dabei verschüttete er die Erde aus seinem Korb.

Einer andere Sage zufolge ist der Berg innen hohl und wird von vier goldenen Säulen getragen. Zerbrechen sie, fällt nicht nur der Berg, sondern ganz Mallorca in sich zusammen. "Die Wogen des Meeres werden über ihm zusammenbrechen, und das wird das Ende der Welt sein", heißt es in einem Märchen.

Der Volksmund sagt auch, dass drei Säulen bereits zerbrochen sind und die vierte beschädigt ist. Das wissen freilich nur die Einheimischen. Viele Besucher nehmen dagegen sorglos die Serpentinen des Berges auf sich, um die Aussicht zu genießen und sich anschließend mit einem guten Essen im Restaurant des Klosters Cura oder im Örtchen Randa am Fuß des gleichnamigen Berges zu stärken.

Erst geröstet, dann verehrt

Nach dem Tod von König Jaume I wurde sein Reich aufgeteilt. Die Kronen von Aragón und Valencia, auch die meisten katalanischen Grafschaften erhielt sein älterer Sohn Pere, das Königreich Mallorca, die Grafschaften Roussillon und Sardinien sowie Montpellier sein jüngerer Sohn Jaume II.

Diese Aufteilung ging nicht lange gut. Pere zwang seinen Bruder, ihm den Vasalleneid zu leisten. Und 1285 eroberte sein Sohn, der Infant Alfons von Aragón, vorübergehend Mallorca. Nur einige Getreue von Jaume II leisteten Widerstand und verschanzten sich auf der Burg von Alaró.

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Hier beginnt die Legende. Angeführt wurden die Getreuen von Guillem Cabrit und Guillem Bassa. Als ein Bote im Namen des siegreichen Alfons - im Alt-Katalanischen Anfós, was auch Zackenbarsch heißt - die Herausgabe der Burg verlangte, höhnte Cabrit: "Der einzige Anfós, den wir auf Mallorca kennen, ist ein Fisch." Dies erboste den Infanten derart, dass er nach der Eroberung der Burg im Januar 1286 Cabrit und Bassa rösten ließ - eben wie ein Cabrit, ein Zicklein.

Später wurden die beiden Hauptmänner zu Märtyrern stilisiert und vom Volk wie Heilige verehrt. 1630 wurden sie sogar zu Stadtpatronen von Palma ernannt, doch fünf Jahre später verbot Mallorcas Bischof Juan de Santander jeglichen Kult um sie und ließ ihre Bilder aus den Gotteshäusern entfernen. Kurioserweise befindet sich ausgerechnet in der Kathedrale in der Kapelle des Heiligen Sebastian ein Retabel, auf dessen Seiten je ein römischer Soldat abgebildet ist. Wer genau hinschaut, entdeckt dort die Aufschriften S. Bassa und S. Cabrit. Das "S" steht für Sant, Heiliger ...

Mord an zwei Waisenkindern

Son Armadans ist ein Stadtviertel von Palma zwischen dem Torrent von Sant Magí, dem Wald von Bellver und dem Viertel El Terreno. Einst erstreckte sich hier das Landgut der Familie Armadans. An sie erinnert noch heute unweit der anglikanischen Kirche ein Turm, der vermutlich in der zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts erbaut wurde.

Das Geschlecht der Armadans erlosch Ende des 16. Jahrhunderts. Laut Legende waren die letzten Stammhalter zwei Waisenkinder, die einem Mord zum Opfer fielen. Ein Sklave stürzte sie von den Zinnen des Turmes herab. Auftraggeber, so will es die Überlieferung, waren die Nachbarn vom Landsitz Son Espanyol.

Tatsächlich lieferten sich die Espanyols und die Armadans, die in stattlichen Palästen in Palma lebten, sechs Jahre lang eine blutige Fehde. Der Auslöser soll 1489 ein Karnevalsscherz gewesen sein. Ein Dienstmädchen des Ritters Pere Odó Espanyol schüttete vom Balkon einen Becher Wasser auf einen Passanten herab. Das durchnässte Opfer, Jaume Armadans, hatte wenig Sinn für Humor. Er stürmte ins Haus der Espanyols, schlug die Bedienstete und ihre Herrin gleich mit. In seiner Ehre schwer gekränkt, fiel nun Espanyol mit 50 Mann bei den Armadans ein. Er erstach seinen Kontrahenten, verletzte dessen Frau und dessen Cousin.

Auf königlichen Befehl wurden Espanyol und seine Mannen verhaftet. Weil sie sich jedoch bereiterklärten, an der Reconquista des Emirats von Granada teilzunehmen, kamen sie wieder frei.

An Allerseelen 1492 gerieten die verfeindeten Familien erneut aneinander, ausgerechnet zur Messe in der Basilika Sant Francesc. Ein Wort gab das andere, und statt für die Verblichenen zu beten, fielen sie übereinander her. Es gab Tote und Verletzte - und einen Gerichtsprozess, der drei Jahre lang dauerte. Erst 1495 war der Streit offiziell beigelegt.

Der Drache aus den Kloaken von Palma

Einst soll es in Palma einen richtigen Drachen gegeben haben. Dieser riesige, schuppenbedeckte Drac de Na Coca versetzte um das Jahr 1776 die Anwohner um den Carrer de la Portella in Angst und Schrecken. Sie wussten davon zu berichten, dass er sich Babys, die im Erdgeschoss schliefen, aus der Wiege holte und fraß.

Eines Nachts kam der Ritter Bartomeu Coc, seines Zeichens Gouverneur von Alcúdia, nach Palma, um seine Angebetete zu besuchen. Während beide turtelten, tauchte der Drache aus der Dunkelheit auf. Der Ritter tötete ihn mit dem Schwert und schleifte den Kadaver als Beweis seiner Liebe unter das Fenster der Dame seines Herzens.

Im Nachhinein erwies sich der Drache als nicht sehr großes Krokodil, das in den Kloaken der Stadt gehaust hatte. Wie es dorthin kam, weiß niemand. Man munkelt, dass es als blinder Passagier an Bord eines Schiffes, das Sand geladen hatte, nach Mallorca gekommen war. Das Reptil wurde ausgestopft, von den Nachfahren des tapferen Ritters in einer Truhe aufbewahrt und schließlich dem Diözesanmuseum vermacht, wo es nun ausgestellt wird. Das Diözesanmuseum befindet sich im Bischofspalast im Carrer del Mirador. Es ist werktags von 10 bis 15.15 Uhr sowie samstags von 10 bis 14.15 Uhr geöffnet und an Feiertagen geschlossen. Eintritt: 3 Euro, Residenten 2 Euro.

Epilog: Ein Nachfahre des Ritters behauptete, dass die Schenkung erfolgt sei, nachdem eine neugierige Dienerin die Truhe geöffnet und beim unerwarteten Anblick des Krokodils vor Schreck einen Herzinfarkt erlitten habe. Auf diese Weise holte sich der Drache noch lange nach seinem Tod sein letztes Opfer.

Ein Nachbau des Drac de Na Coca steht übrigens in der Vorhalle des Rathauses von Palma.

Spuk im Wachturm von Banyalbufar

Der Torre des Verger ist einer von Mallorcas meistfotografierten Wachtürmen. Rund eineinhalb Kilometer von Banyalbufar entfernt, kann man ihn an der Straße nach Estellencs auf einem Felsen über dem Meer besichtigen.

Das Gebäude aus dem 16. Jahrhundert heißt auch Torre de ses Ànimes, Turm der Seelen. Und nachts sind diese Seelen äußerst ruhelos. Man erzählt sich allerlei Spukgeschichten von Selbstmorden ohne zurückbleibende Leichen, spurlos verschwundenen Menschen, seltsamen Schatten, sich durch Mauern bewegende Kinder und Lichterscheinungen am Himmel.

Überliefert ist auch das Erlebnis eines franquistischen Soldaten, der während des Spanischen Bürgerkriegs in dem Turm Wache schob. Eines Nachts näherte sich eine ganz in Weiß gekleidete Frau. Weil sie trotz mehrfacher Aufforderung nicht anhielt, feuerte der Soldat auf sie. Doch die Kugeln drangen durch ihren Körper, ohne ihr etwas anzuhaben. Vor Entsetzen gelähmt, stützte er sich an die Wand und spürte, wie die Gestalt durch ihn hindurch ging und durch die Wand verschwand. Seine Kameraden fanden ihn zitternd vor, bleich wie ein Gespenst.

(aus MM 52/2016)