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Pep Ramis kennt die Insel wie seine Westentasche. Seit mehr als 40 Jahren ist er als Fotograf tätig, "professionell und kreativ", wie er sagt, hat Ausstellungen gemacht, Preise gewonnen, für Medien gearbeitet. Sein jüngstes Projekt: Die Llogarets von Mallorca.

Das mallorquinische Wort "Llogaret" bedeutet "Örtchen" und bezeichnet eine Art Weiler. "Llogarets sind Orte, die seinerzeit weit von ihrem Hauptdorf entfernt lagen", erklärt Ramis. "Sie waren keine eigenständige Gemeinde, aber das soziale Leben lief an diesem Ort ab. Die Einwohner bauten Schulen, sie sorgten dafür, dass es einmal in der Woche oder im Monat eine Messe gab, sie feierten ihre Feste, sogar Kommunionen."

75 Llogarets hat Ramis auf Mallorca ausgemacht. Vier Jahre lang, von 2011 bis 2014, zog er Wochenende für Wochenende los, um sie zu besuchen, manche mehrmals. Mit seiner Kamera ging er auf die Suche nach den Wurzeln der Llogarets, bis er sie im Kasten hatte. "Es ging mir überhaupt nicht darum, zum Beispiel eine hübsche Straße aufzunehmen", stellt er klar. "Wenn sie keine historischen Wurzel oder Elemente hatte, interessierten sie mich nicht."

Mehr als 4000 Aufnahmen kamen bei dem Unterfangen zusammen. Aus ihnen stellte Ramis ein Video zusammen, das mit Musik und Geräuschen unterlegt ist. Auch das 145 Seiten umfassendes Buch "Llogarets de Mallorca" hat er veröffentlicht, das für 20 Euro im Handel erhältlich ist. In ihm werden in Mallorquín 54 Llogarets kurz und knapp beschrieben. Beigestellt sind jeweils ein oder mehrere Fotos. "Ich bin weder Schriftsteller noch Historiker", stellt Ramis klar. Sei Buch beschreibt er deshalb als "Pinselstrich".

Im Laufe des Projekts kam Ramis zu überraschenden Erkenntnissen. Zum Beispiel zu dieser: "In Palma gibt es eine beeindruckende Anzahl von Weilern. Heutzutage werden sie zwar Stadtviertel genannt, aber eigentlich sind sie immer noch Llogarets." Ob Son Sardina, La Vileta oder Son Roca, alle haben sie als Weiler begonnen. Auch Gènova und Sant Jordi seien solche Örtchen.

Entstanden sind die Weiler zu den unterschiedlichsten Zeiten. Manche Namen wie Biniaraix, Binifalet oder Biniarroi verweisen auf die Zeit der islamischen Herrscher. Andere Llogarets tragen die Namen von Personen. Ruberts, das zu Sencelles gehört, erinnert an den Ritter Guillem de Ruberts, der König Jaume I, von Aragón bei seinen Eroberungsfeldzügen begleitete.

Wieder andere Örtchen wechselten ihren Namen im Laufe der Zeit mehrere Male. Dies ist der Fall von S'Horta, das zur Gemeinde Felanitx gehört. Anfang des 14. Jahrhunderts entstanden dort Landgüter auf Gebieten mit den Namen S'Horta Vell, S'Horta Nou, S'Horta d'Avall und S'Horta d'Amunt (etwa: Alter, neuer, oberer und unterer Gemüseacker). Gut 200 Jahre später war S'Horta ein riesiger Landbesitz, der zusammen mit dem Gut Ca'n Alou und Teilen von Fangar mit eine Fläche von mehr als 17 Quadratkilometern einnahm.

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Nach der Parzellierung des Landguts bildete sich eine Siedlung, die 1775 immerhin aus 53 Häusern bestand und erst als Marina bekannt war, dann Es Babot hieß und im 20. Jahrhundert vom Magistrat von Felanitx in San Isidro umbenannt wurde. Bei der Bevölkerung kam diese letzte Namensgebung nicht gut an, auch eine Abschwächung in San Isidro de la Horta konnte sich nicht durchsetzen. So blieb lediglich der letzte Teil des Namens bestehen. San Isidro oder Sant Isidre, wie er auf Mallorquín heißt, ist dem Örtchen jedoch als Schutzpatron und Namensgeber des Hauptplatzes erhalten geblieben.

Mallorcas Llogarets sind auf der ganzen Insel verteilt, von Es Capdellà bei Calvià bis Son Fe bei Alcúdia, dessen Bewohner von Landwirtschaft, später auch vom Kohleabbau lebten. Während manche Weiler wie Llucalcari oder Orient sich zu Weilern mit einem kleinen Ortskern herausbildeten, blieben andere locker angeordnet, wie zum Beispiel Es Palmer, dessen Häuser entlang des gleichnamigen Camí del Palmer zwischen Campos und der Colònia de Sant Jordi entstanden.

Ein Kuriosum ist die Gemeinde Marratxí. Einen gleichnamigen Ort gibt es nämlich nicht. Namensgeber war das Llogaret Marraxinet, das mit den Llogarets Pòrtol, Sa Cabaneta, Pla de na Tesa und Es Pont d'Inca zu einer Gemeinde mit knapp 36.000 Einwohnern zusammengelegt wurde.

Während Pòrtol und Sa Cabaneta sich um Töpfereien herum bildeten, lag Es Pont d'Inca an der Straße, die von Inca nach Palma führte. Wer in die Hauptstadt wollte, musste auf der Brücke von Inca, also Es Pont d'Inca, den Torrent Gros überqueren.

Prägend für dieses Llogaret war nicht die Landwirtschaft, sondern die Industrie: Einst standen hier eine Textilfabrik und die siebenstöckige Sa Farinera, damals Mallorcas höchstes Gebäude, in dem Johannisbrotschoten zu Mehl und Alkohol verarbeitet wurden. In dieser Zeit liegen auch die Ursprünge der Likörfabrik Suau, die 1851 gegründet wurde und bis heute existiert.

Während die einen Llogarets zu unansehnlichen Vororten gewachsen sind, blieben andere idyllische Weiler, die einen gepflegt wie ein Freilichtmuseum, die anderen halb verfallen. Zum Beispiel Espinagar an der Straße zur Cala Murada. Einst bauten die Bewohner hier eine Schule, um die Kinder aus der Gegend vor Ort und in Sandalen unterrichten, anstatt sie geschniegelt nach Manacor schicken zu müssen. Das Haus für den Lehrer wurde gleich angebaut, damit er die ganze Woche über dort sein konnte. Den Schulhof von einst gibt es nicht mehr. An ihn erinnert nur noch die Statue einer Heiligenfigur. Zugewachsen von Gestrüpp, hält sie bis heute die Stellung.

(aus MM 50/2016)