Das Team um Professor Sascha Husa (r.), David Keitel, Laura Keitel und Xisco Jiménez. | Foto: Patricia Lozano

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Der Nachweis der von Albert Einstein in seiner Relativitätstheorie vorausgesagten Existenz von Gravitationswellen gilt als wissenschaftliche Sensation und hatte Mitte Februar weltweit für Furore gesorgt. Auch auf Mallorca hat eine Gruppe Wissenschaftler ihren Beitrag zu dem global angelegten Forschungsprojekt geleistet: in einem schmucklosen Raum in einem Randgebäude der UIB.

Niemand an der Uni wusste genau, was dort vor sich ging. "Es herrschte strengste Geheimhaltung", sagt Professor Sascha Husa. Man wollte vermeiden, dass sich Gerüchte verbreiten. "Die Geschichte sollte erst erzählt werden, als sie fertig war", sagt Husa. Der Österreicher leitet mit seiner Frau Alicia Sintes seit 2008 an der Balearenuniversität UIB einen Zweig des weltweit angelegten Ligo-Projekts.

Ligo steht für Laser-Interferometer Gravitationswellen-Observatorium, die Idee dazu geht auf die drei Wissenschaftler Rainer Weiss, Ronald Drever und Kip Thorne zurück, 1992 wurde sie umgesetzt. Für die Ligo Colaboration arbeiten heute rund 1000 Wissenschaftler in 15 Ländern. Sie alle werten Daten des in den USA beheimateten Ligo Lab aus, das aus zwei Detektoren in Hanford (Washington) und Livingston (Louisiana) besteht. Diese wurden im Frühjahr 2015 in einer Testphase in Betrieb genommen und sollten am 15. September offiziell die Arbeit aufnehmen.

Am letzten Testtag, dem 14. September, kam es zu einem "Event", wie es Husa nennt. Zwei schwarze Löcher verschmolzen zu einem, ein gigantisches kosmisches Ereignis, das auf dem Ligo registriert wurde. "Ich merkte, dass etwas los war, weil es immer mehr E-Mails gab", erinnert sich Husa, der mit dem deutschen Post-Doc-Studenten David Keitel an diesem Tag eine Konferenz vorbereitete. Später am Abend kontaktierte er einen Wissenschaftler aus seinem Team, der zu diesem Zeitpunkt ein Praktikum in Hanford machte, an einem der beiden Detektoren.

"Er bestätigte, dass es sich nicht um ,blind injections' handelte, was zu diesem Zeitpunkt noch nicht von der Colaboration publik gemacht worden war", erzählt Husa. Diese künstlichen Einspeisungen machten die Wissenschaftler absichtlich, um die Software zu kalibrieren und abzustimmen. An diesem Tag war die Software für diese "Injections" nicht aktiv. "Es war aber ein so klarer Event, dass viele Leute gedacht haben, er sei künstlich."

Auch eine weitere Kontrollinstanz funktionierte: Das zweite Observatorium im 3000 Kilometer entfernten Washington zeigte im richtigen zeitlichen Abstand, der einer Übertragung in Lichtgeschwindigkeit entsprach, dieselbe Messung an. Gravitationswellen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus, andere irdische Störungen wie Erdbeben "lediglich" mit Schallgeschwindigkeit, diese konnten dadurch als Verursacher des Events ausgeschlossen werden. "Zudem wurden auch Seismometer aufgestellt, um Erdstöße zu messen", erklärt David Keitel. Wenn man gleichzeitig dort etwas bemerkt, muss es ein lokales Erdbeben sein. Das war nicht der Fall. Es wurde sogar geprüft, ob jemand absichtlich ein Signal eingespeist hatte. Auch das wurde ausgeschlossen, bis bei einer Wahrscheinlichkeit von "5 Sigma" (eins zu mehreren Millionen) von einer Gravitationswelle gesprochen werden konnte. Dadurch erklärt sich auch die Zeit von fünf Monaten vom eigentlichen Ereignis bis zu seiner Verkündung am 11. Februar.

"Mit dem Messprozess ist es so, als wenn man in einem lauten Restaurant sitzt und ein Lied im Hintergrund hört, von dem man nicht weiß, was es ist. Dann gibt es ja diese Smartphone-App, die es mit dem Rauschen aufnimmt und einem hinterher sagt, welches Lied es sein könnte, bietet einem dazu mehrere Möglichkeiten an", sagt Husa. In dem Fall sei das Lied das Signal, das die Natur gebe. "Die Datenbank müssen wir aber selber machen. Wir müssen aus den Einsteinschen Gleichungen selbst berechnen, welche Signale uns die einzelnen Quellen schicken können. Dann müssen wir schauen, was am besten passt. Daran haben wir hier in den letzten Monaten vor allem gearbeitet", sagt er.

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Von der Entdeckung profitiert nun vor allem die Astronomie. "Jedes Mal, wenn es eine neue Technologie gibt, entdeckt man Dinge, die vorher unsichtbar waren, wie Schwarze Löcher. Damit kommt man wesentlich näher an die Erklärung des Urknalls heran", sagt Husa. Sein Student David Keitel fügt hinzu: "Alles andere, was die Relativitätstheorie besagte, wurde nachgewiesen. Das war das letzte offene. Niemand hat daran gezweifelt, aber man musste wenigstens nachschauen."

Zu Einsteins Zeit habe man noch nicht gewusst, dass es außer unserer Galaxis noch mehrere im Universum gebe und dass es so starke Gravitationsfelder gibt, sei ebenfalls undenkbar gewesen. Auch Einstein habe das bezweifelt. Seine Skepsis sei nach damaligem Stand durchaus berechtigt gewesen, sagt Husa. Die Leistung des Genies will er jedoch nicht schmälern, im Gegenteil. "Das Geniale an der Relativitätstheorie ist, dass sie auf einfachen Beobachtungen fußt. Nur dass sie andere Leute einfach nicht richtig interpretiert haben", sagt er.

Dass jetzt Raum-Zeitreisen möglich werden, hält Husa für äußerst unwahrscheinlich. Auch Keitel meint, dass man so etwas schwerlich im Labor produzieren kann. Die Wissenschaftler haben errechnet, dass die Vereinigung zweier Schwarzer Löcher für kurze Zeit das 50-fache der Energie des ganzen Universums erzeugte. Dennoch kam nur eine kaum messbare Energie auf der Erde an. "Das war eine Milliarde Lichtjahre entfernt und hat sich überall verteilt, bevor es hier ankam", sagt Keitel. Dennoch: "Die Energie, die durch uns durchgegangen ist während des Events, war stärker als vom Mond", erklärt Husa.

"Die große unbekannte Zahl war, wie oft solche Zusammenstöße passieren. Es hätte genauso gut sein können, dass man bis 2018 oder 2020 warten muss", sagt Husa. "Wenn man gesehen hätte, dass nichts passiert bis dahin, hätte man davon ausgehen müssen, dass etwas faul ist mit der Relativitätstheorie. Das wäre dann eine noch größere Sensation gewesen."

Eine Simulation der Kollision zweier Schwarzer Löcher können Sie auf diesem Youtube-Video sehen.

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(aus MM 7/2016)