Militär bei einem Forum zum Welterbe ist ein ungewöhnlicher Anblick. Doch am Freitag saßen beim "I Foro Ciudades Patrimonio de la Humanindad Islas Baleares" in Palma gleich mehrere Offiziere in den ersten Reihen. Kein Wunder, die Veranstaltung fand im Militärmuseum Castillo de San Carlos statt, und so war an jenem Tag Fernando Aznar, Generalkommandeur auf den Balearen, der Hausherr.
Gastgeber war gleichwohl das Tourismusministerium der Balearen und hatte diese Redner eingeladen: Javier Bello, Bürgermeister von Alcalá de Henares und Präsident der Vereinigung Grupo Ciudades Patrimonio de la Humanidad de España (GCPHE), also der spanischen Städte, die Welterbe sind. Ebenso Sonsoles Guillén, Sekretärin dieser Organisation, und Patricia Antón, Tourismusstadträtin von Tarragona und Virginia Marí, Bürgermeisterin von Ibiza.
Warum aber ausgerechnet in Palma? Die Antwort hätte ein Zuhörer in der ersten Reihe geben können: Fernando Gilet, Kulturstadtrat der Balearenhauptstadt. Dessen Chef im Rathaus, Mateu Isern, hatte im vergangenen Januar bekanntgegeben, dass sich Palma als Weltkulturerbe bewerben wolle. Und auf die Frage des MM teilte Gilet mit: "Ich rechne damit, dass unser Antrag diesen Herbst fertiggestellt ist."
Derzeit führt die Unesco weltweit 1007 Denkmäler als Welterbe. Davon sind 779 als Kultur- und 197 als Naturdenkmäler aufgelistet, weitere 31 Denkmäler erscheinen unter beiden Kategorien.
Mit 44 Denkmälern liegt Spanien nach Italien und China weltweit an dritter Stelle. Dazu tragen die Balearen mit drei Welterben bei: 1999 wurde Ibiza mit seiner ummauerten Altstadt Dalt Vila, der phönizischen Grabstätte Puig des Molins und den Naturgebieten Es Soto und Ses Feixes als gemischtes Denkmal anerkannt, 2010 der mittelalterliche Gesang der Sibil·la, der in Mallorcas Kirchen an Heiligabend in der Christmette gesungen wird, zum immateriellen Kulturerbe erklärt. Ein Jahr später erhielt die Serra de Tramuntana auf Mallorca als Kulturlandschaft den Status eines Welterbes.
Dass auch Palma in den erlauchten Kreis aufgenommen werden will, ist nicht neu. Dieses Anliegen stand schon Ende der 90er Jahre auf der Agenda des damaligen Bürgermeisters Joan Fageda und seiner Tourismusstadträtin Francisca Bennàssar, beide von der konservativen Volkspartei (PP). Auch die sozialistische Bürgermeisterin Aina Calvo verfolgte in der vergangenen Legislaturperiode dieses Ziel, stellte es dann aber zurück, um die Ernennung des Tramuntana-Gebirges zum Weltkulturerbe nicht zu gefährden.
Nun nimmt die Stadt einen neuen Anlauf. Dazu passt ins Bild, dass sie dem Museum Es Baluard für vier Jahre einen anliegenden alten Turm nebst Grabstätte aus islamischer Zeit abgetreten hat. Strategischer Plan sei es, einen Kulturkomplex zu bilden und das historische Erbe der umliegenden Viertel Sant Pere und Santa Catalina aufzuwerten, hieß es in einer Mitteilung - zwei Tage vor dem Forum in Palma.
Bis zur Anerkennung als Welterbe ist es freilich ein langer Weg. In Spanien muss es ein Bewerber zunächst auf die provisorische Liste des spanischen Kulturministeriums schaffen, das dann eine offizielle Kandidatur einleiten kann. Einmal im Jahr tritt das Welterbekomitee der Unesco in Paris zusammen, um über die Anträge der Mitgliedsstaaten zu entscheiden. Dazu zieht es je nach Denkmal Gutachten von drei Organisationen zu Rate: dem Internationalen Rat für Denkmalpflege, der Weltnaturschutzunion und dem Internationalen Forschungszentrum für Denkmalpflege und Restaurierung von Kulturgütern.
Um als Welterbe geführt zu werden, muss ein Ort einiges zu bieten haben. "Palma verfügt über viele und gut erhaltene Kulturgüter", sagt Kulturstadtrat Gilet. "Die Stadt ist eine große Überraschung für alle Besucher." Aber genügt das? Sonsoles Guillén, Sekretärin der GCPHE stellt jedenfalls klar: "Es reicht nicht, nur eine historische Altstadt zu haben. Jeder Bewerber muss das Außergewöhnliche suchen, das er zu bieten hat."
Als außergewöhnlich wurden 1998 die Altstadt und die alte Universität von Alcalá de Henares bei Madrid anerkannt. Seither hat sich dort die Zahl der Hotelbetten von 500 auf 5000 erhöht. Und die 133.000 Einwohner von Tarragona, dessen archäologisches Ensemble aus der Römerzeit seit 2000 Kulturdenkmal ist, empfangen pro Jahr 2,8 Millionen Besucher.
Die Teilnehmer des Forums waren sich einig: Die Anerkennung als Welterbe fördert den Tourismus, doch das hat seinen Preis. Die Länder, Regionen und Städte müssen selbst für den Erhalt ihrer Denkmäler aufkommen. Das kann auch Anwohner und Geschäftsinhaber teuer zu stehen kommen, wenn sie bei der Renovierung besondere Auflagen einzuhalten haben. Und je mehr Besucher, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass darunter die Substanz des Kulturdenkmals leidet. "Die Einkünfte durch den Tourismus müssen auch der Instandhaltung zugute kommen", fordert deshalb GCPHE-Sekretärin Guillén.
Weder sie noch andere Experten bezweifeln, dass die Erklärung zum Welterbe vor allem kleineren Orten einen Mehrwert bringt. Wenn jedoch auf rund 260.000 Einwohner rund 18 Millionen Besucher im Jahr treffen, wie es in Venedig der Fall ist, könne von Vorteilen und Nachhaltigkeit nicht mehr die Rede sein, warnte der stellvertretende Generalsekretär der deutschen Unesco-Kommission, Dieter Offenhäuser, in einem Gespräch mit dem Magazin des Reiseführers "Lonely Planet".
Im Rathaus von Palma hat man unterdessen erst einmal andere Sorgen. Mit den baufälligen Windmühlen von Es Jonquet oder den Telefon- und Stromkabeln, die sich an den Fassaden der Altstadt entlangziehen, dürfte eine Kandidatur als Weltkulturerbe aussichtslos sein. So räumt Kulturstadtrat Gilet ein: "Wir müssen die Stadt vorbereiten und aufräumen. Aber dann kommt die Stunde der Wahrheit."
(aus MM 40/2014)
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