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Kirchen sind mehr als Gotteshäuser, Betstätten, Orte für gläubige Christen. Sie haben soziale, wirtschaftliche, kunsthistorische und geschichtliche Bezüge. Sie sind Teil des Kulturerbes einer Region.

Die Stadt Palma wurde schon bald nach der Rückeroberung von Mallorca durch den aragonesischen König Jaume I. in fünf verschiedene Pfarreien, in Parroquias, eingeteilt. Jede Pfarrei erhielt "ihre" Kirche. Die ältesten Pfarrkirchen sind Santa Creu, wo auch die deutschsprachige katholische Gemeinde ihre Messen liest, Sant Miquel, Santa Eulàlia, Sant Nicolás und Sant Jaume, die alle im alten Stadtkern von Palma liegen.

Seit Kurzem gibt es einen geführten Rundgang zu drei dieser Kirchen, auch in deutscher Sprache. Die meisten Führungen leitet der Historiker Albert Bouzas im Auftrag von Portal Forá. Diese Firma hat sich zur Aufgabe gemacht, die kulturellen Aspekte der Insel zu vermitteln.

"Es geht uns darum, das Kulturerbe auch in einen größeren Zusammenhang zu stellen, ohne dabei die Details und Einzelheiten zu vernachlässigen. Denn Geschichten und Legenden machen Historie erst spannend."

Und er erzählt Geschichten. Zunächst in der Kirche Sant Miquel. Wo heute eine lebendige Einkaufstraße im Herzen der Stadt ist, war damals, als die christlichen Truppen nach ihrem Sieg über die Mauren durch die Porta Santa Magdalena in Palma einzogen, nur ein kleiner Platz mit Markt und eine Moschee. In dieser Mezquita wurde der christliche Gottesdienst abgehalten.

Erst im 14. Jahrhundert begann man mit dem Kirchenbau. Von dem sind allerdings heute nur noch der Grundriss, das Hauptportal und der Glockenturm erhalten. Der übrigens eine Zeit lang auch als Gefängnis diente.

Der heutige Bau stammt aus dem 17. Jahrhundert, deutlich ablesbar am Tonnengewölbe des einschiffigen Baus.

"Sant Miquel wurde wie viele andere Pfarreien auch von ganz unterschiedlichen Schichten der Bevölkerung finanziert", erzählt Albert Bouzas. "Von der Aristokratie, den Zünften, den frommen Bruderschaften, den Militärs und der Krone. Das zeigte das Spektrum der Bevölkerung."

Aus dem 14. Jahrhundert stammt eine der am meisten verehrten Christusfiguren, gleich rechts neben dem Eingang: Santo Cristo de los Hortelanos wurde besonders von den umliegenden Gemüsebauern geschätzt. Das gab der Figur auch den Namen. In Sant Miquel befindet sich auch eine viel beachtete Marienstatue: Mare de Déu de la Salut aus dem 17. Jahrhundert, sie wurde häufig um Hilfe gegen Pest und Lepra angerufen. Die Legende erzählt, dass die Madonnenfigur an Bord des Schiffes mit dem Erobererkönig reiste und für eine wundersame Rettung aus Seenot sorgte. "Kunstgeschichtlich ist das nicht haltbar", sagt Albert Bouzas. "Aber die Palmesaner glauben es bis heute."

Er hat noch mehr Kurioses zu bieten: Die liegende Figur des Heiligen Fabian birgt angeblich auch eine Reliquie des Heiligen aus römischer Zeit. Im Brustkorb soll sich eine Schublade mit Knochen befinden.

Der Hauptaltar ist ein Traum von Barock: viel Gold, viel Schnitzerei, viele Figuren. Im Zentrum die Erzengel Gabriel, Michael und Rafael.

Die Kirche Sant Nicolás wurde, so Albert Bouzas, "ursprünglich als Zweigstelle von Santa Eulàlia eingerichtet. Die Pfarrei wurde bald nach Gründung einfach zu groß."

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Sant Nicolás, benannt nach dem Heiligen Nikolaus von Bari, wurde immer wieder durch den Verlauf des heute nicht mehr vorhandenen Flusslaufes von Sa Riera bestimmt, der einst die Stadt in einen oberen und einen unteren Teil trennte. Heute verläuft der Torrent in der Mitte des Paseo Mallorca. Doch Sant Nicolás stürzte durch ständigen Wassereinbruch schon 100 Jahre nach dem ersten Bau im 14. Jahrhundert in sich zusammen. Man begann neu, so dass die heutige Kirche nach mehreren Umbauten aus dem 17./18. Jahrhundert stammt. Nur das Seitenportal und die Heiligenfigur im Hauptportal stammen noch aus dem ersten Bau.

Sowohl innen als auch außen befinden sich die Attribute des Heiligen, die Bischofsmitra und die drei goldenen Kugeln. Das Wunder in Gold hatte der Heilige bewirkt, um drei Jungfrauen zu helfen, die nur durch das Gold eine Mitgift hatten und so der Prostitution entgingen. Gold und Geld spielte auch beim Kirchenbau eine Rolle. Alle Steuern, die der nahe gelegene Markt - heute heißt der Platz noch Plaça del Mercat - gingen an die Pfarrei.

"In dieser wie in anderen Kirchen der Stadt findet man immer wieder Kapellen, die mit Wappen adliger und reicher Familien geschmückt sind, wie hier die Lilien der Familie Puigdorfila", erzählt Albert Bouzas. "So zeigten sich die Menschen als gläubig, großzügig, konnten ihr Prestige beweisen."

In einer der Seitenkapellen ist eine Figur des Heiligen Antonius zu sehen. Mit Schwein - so beweist sich, dass dieser Santo in Köln zu Recht Schweinetünn genannt wird.

Im barocken Hauptaltar sind die Heiligen Peter und Paul zu sehen. Die Skulpturen umrahmen ein gotisches Retabel mit einer Darstellung des Nicolás. "Ein Schmuckstück in der Kirche wie auch die Darstellung von Sant Magín zwischen der zweiten und dritten Seitenkapelle rechts", sagt Albert.

Die dritte und letzte Station ist die Kirche Sant Jaume in der gleichnamigen Straße, die, so Albert, noch die am wenigsten erforschte Kirche der Stadt ist. Auch hier entstand der erste Bau im 13./14. Jahrhundert, auch hier wurde später restauriert. Diese Arbeiten wurden durch die Krone finanziert.

Die Skulptur des Heiligen Jakob, die ihn als Pilger mit der Muschel zeigt, datiert aus dem 18. Jahrhundert. Die einschiffige Kirche hat aber, mehr als andere Pfarrkirchen, einige gotische Bauelemente bewahrt. Es ist ein schlichter Bau, vor allem durch die Wappen des Adels geschmückt. Und durch eine Christusfigur, die aus dem 12./13. Jahrhundert stammen soll.

 

INFO

Rundgänge von Portal Forá zu den drei Pfarrkirchen, in die Kirche Santa Eulàlia oder durch die Patios der Stadt nach Anfrage. Mindestteilnehmerzahl 13.

Preise und Termine: www.mallorcaxperience.com, info@portalfora.eu oder Tel. 971-724268