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"Mieten", fragt Toñi Ruiz auf Deutsch ins Telefon. "Nein, tut mir leid. Nein, gar nichts. Auf Wiedersehen." Energisch legt die Spanierin den Hörer auf. "So geht das den ganzen Tag", sagt sie. Seit 2005 führt Ruiz das gleichnamige Immobilienbüro mitten in Cala Rajada. Im Schaufenster hängen zahlreiche Objekte, die zum Kauf angeboten werden. Die Spalte "Alquilar" dagegen ist leer. "So schlimm wie jetzt war es noch nie", berichtet sie. "Jetzt ist der Moment, Immobilien zu kaufen. Aber Mieten? Vergiss es!"

Nur zwei Objekte aus ihrem Bestand würden in den kommenden Wochen frei werden - kein Vergleich zu den Dutzenden Anfragen, die sie und ihren Sohn Jonathan täglich erreichen. Vor allem von Deutschen und Festlandspaniern, die als Saisonkräfte den Sommer über im Urlaubsort arbeiten, und für ein halbes Jahr mieten wollen. "Im März ist es wegen der Saisonarbeiter grundsätzlich immer schwieriger, Mietobjekte zu finden", berichtet sie. "Aber dieses Jahr ist es nicht nur schwierig, es ist fast unmöglich", sprudelt es aus Ruiz heraus. Viele Kunden glaubten ihr zunächst nicht, berichtet sie mit blitzenden Augen. "Sie rufen an und wollen eine Drei-Zimmer-Wohnung. Wenn ich ihnen sage, dass es nicht einmal eine freie Ein-Zimmer-Wohnung gibt, dann versuchen sie es auf eigene Faust", so Ruiz und winkt ab. "Nach ein paar Tagen melden sich viele dann doch wieder bei mir - mit viel niedrigeren Ansprüchen." Doch selbst wer bereit sei, in die weitere Umgebung zu ziehen, nach Artà, Son Servera, oder Sant Llorenç beispielsweise, habe schlechte Karten. "Es ist momentan im gesamten Radius hier nicht möglich, Mietobjekte zu finden."

Ruiz schaut auf, als ein Kunde das Büro betritt. "Haben wir eine Chance?" fragt der Mann, der sich als Andre Santos vorstellt. Resignation schwingt in seiner Stimme mit. Ruiz schüttelt den Kopf. "Ich suche für sieben Freunde von mir, die auf dem Festland wohnen. Sie alle haben hier in Cala Rajada Arbeitsverträge für die anstehende Saison", sagt er. Er habe schon überall gesucht, Kontakte spielen lassen, die Augen aufgehalten - schließlich lebt Santos in Cala Rajada und hier kennt man sich. "Dann ist wohl nichts zu machen", sagt er. Was seine Freunde nun vorhätten? "Sie werden ihre Arbeit hier nicht antreten. Wie denn auch, ohne ein Dach überm Kopf?"

Miet-Desaster im Inselosten? Nicht nur. Rund 75 Kilometer südwestlich, im Immobilienbüro "Inmo Can Pastilla", nickt Inhaber Christophe Grosjean wissend. "Hier ist es ganz ähnlich", berichtet er. Der Wohnraum in dem Viertel an der Playa de Palma sei ohnehin begrenzt. "Aber in den 17 Jahren, in denen ich das Büro betreibe, war es noch nie so extrem", versichert Grosjean. Bauarbeiter, die an Hotelrenovierungen beschäftigt sind, Mitarbeiter des neuen Einkaufszentrums "Fan Mallorca Shopping", Saisonkräfte für die unzähligen touristischen Betriebe an der Playa, wohlhabende Mallorquiner oder Deutsche, die sich eine Zweitwohnung in Meeresnähe wünschen - sie alle seien auf der Suche nach Mietwohnungen in Can Pastilla. Und sie alle hätten dabei große Probleme. "Die Nachfrage übersteigt das Angebot total", so Grosjean. "Es ist schade, dass man vielen Kunden einfach nicht helfen kann."

Ein Blick in die einschlägigen Online-Such-Portale für Langzeitmieten wie fotocasa.es, idealista.com oder milanuncios.com zeichnen ein ähnliches Bild ab: Mietobjekte sind rar, vor allem im niedrigeren Preissegment. Eine weitere bittere Konsequenz, die die aus dem Gleichgewicht geratene Angebot-Nachfrage-Balance mit sich bringt.

"Im Jahr 2016 sind die Mietpreise auf den Balearen um 18,5 Prozent gestiegen", berichtet José María Mir, Präsident des Maklerverbands API. Tendez: steigend. "Schon im Februar dieses Jahres war die Nachfrage nach Mietobjekten riesig, man kann tatsächlich sagen, dass die Situation noch nie so schlimm war", bestätigt er. Durchschnittlich liege der Quadratmeterpreis bei zehn Euro, in Palma und an der Küste gerne auch bei 15 Euro. "Die Wohnungsnot ist besorgniserregend", findet er. "Dieses Jahr wird sie auf die Spitze getrieben." Vor allem an den touristischen Küstenorten und im Zentrum von Palma, aber auch im Landesinneren seien Auswirkungen zu erkennen.

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Und warum? Für die Immobilienagenten ist die Sache klar. "Besitzer vermieten ihre Wohnungen lieber tage- und wochenweise an Touristen", so Ruiz aus Cala Rajada. "Damit können sie ja viel mehr Geld machen." Zudem gebe es immer häufiger Saisonkräfte, die für ihre Mietwohnung auch im Winter weiter zahlen, obwohl sie sie gar nicht nutzen. "Das machen vor allem Deutsche, die in den vergangenen Jahren bereits Probleme hatten, im Frühjahr etwas zu finden."

Ein wenig entspannter sieht der Mietmarkt in den höheren Preissegmenten aus. "Es kommen schon immer mal wieder Mietobjekte in den Bestand, aber weniger als vor ein paar Jahren", berichtet Ulrike Eschenbecher von Porta Mallorquina. Das Immobilien-Unternehmen ist auf Langzeitmiete (sprich: Verträge ab zwölf Monaten) im gehobenen Wohnungsmarkt spezialisiert. Hier melden sich vermehrt Deutsche, die langfristig an einem Immobilienkauf interessiert sind und die Mietperiode als Testphase sehen. "Vor allem der Speckgürtel um Palma ist sehr gefragt", berichtet Eschenbecher. "Die Umschlagszeiten haben sich extrem verringert." Klassische Objekte seien teilweise bereits innerhalb eines Tages vergriffen. "Teilweise sind Angebote so begehrt, dass wir sie gar nicht auf unsere Website stellen, weil sich schon ein Mieter gefunden hat."

Eschenbecher rät Mietinteressenten daher dazu, möglichst schnell zuzuschlagen. "Man sollte bei der Organisation der Besichtigungstermine flexibel sein und permanent den Markt screenen." Auch sie hat den Eindruck, dass die Situation durch die Ferienvermietung extremer geworden ist.

Die Ferienvermietung als Hauptschuldige beim Miet-Desaster? Das Online-Immobilien-Portal idealista.com weist dies zurück. Statistiken würden zeigen, dass die Mietnachfrage vor allem in weniger attraktiven Zonen steige. Tatsächlich hat sich der Mietmarkt generell verändert. Spanier, die traditionell lieber Eigentum erwerben statt zu mieten, hätten durch die Krise ihr Verhalten geändert, sagt auch API-Vizepräsidentin Natalia Bueno. "Die unsichere Arbeitslage führt dazu, dass junge Menschen lieber mieten statt kaufen. Auch, weil sie nicht mehr so leicht an Hypotheken kommen wie früher."

"Es ist sehr schwer, hier Lösungen zu finden", kommentiert José María Mir. Mehr Sozialwohnungen müssten her. Generell könnten neue Bauten die Wohnungsnot entspannen - genau wie eine klare Regulierung der Ferienvermietung. Aber ein Patentrezept, das kenne er nicht. Vor allem Saisonkräften rät Mir, sich weiter inseleinwärts zu orientieren und sich in WGs einzumieten. "Sonst kommt es so wie im vergangenen Jahr auf Ibiza, wo die Menschen ankamen, nichts fanden, und schließlich Balkone für teuer Geld als Schlafplatz mieten mussten. Das wäre fatal."

(aus MM 11/2017)