In ganz Spanien finden sich vier Millionen Nutzerdaten der bekannten Dating-App | Tinder

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Wenn die Sonne auf Mallorca wieder länger scheint, die Turnschuhe gegen Flipflops getauscht werden, dann erwacht bei vielen Einheimischen, Residenten und Urlaubern auch wieder die Lust aufs Flirten und die Partnersuche. Für die Generation der 20- und 30-Jährigen ist klar: das geht am besten online auf den gängigen Partnersuche-Apps wie Tinder & Co. Doch wie sieht das bei der Ü-50-Generation aus? Ein Selbstversuch.

Ich bin geschieden und Single. Wie lernt man da einen neuen Partner kennen, wenn es an gängigen Kontaktpunkten wie Supermarktkasse oder in einer Bar nicht klappen will, Kontakt herzustellen? Und so lade ich an einem Abend auf dem Sofa die besagte App von Tinder herunter und lege ein Profil an. Ein paar aktuelle Fotos lassen sich schnell finden und werden dazugefügt. Das Programm leitet auch ungeübte Nutzer schnell und einfach durch das Programm. Jetzt können noch Optionen wie Hobbys, Wohnregion und Altersgruppe angegeben werden, damit ein Interessent weiß, worauf er sich einlässt. Auch bei meinem Facebook-Account gibt es mit „Dating” eine Möglichkeit, kostenlos eine Partnerbörse zu nutzen. Schon bin ich in der Welt des virtuellen Datings angekommen.

Schnell trudeln die ersten Reaktionen ein. Fotos und Beschreibungen erreichen mich im Minutentakt. Meine beiden Dating-Apps funktionieren ähnlich: nach links wischen bedeutet kein Interesse. Wische ich nach rechts und hat auch der potenzielle Partner ein Like verteilt, dann können beide Personen in Kontakt treten und sich näher kennenlernen. So chatte ich mit einigen Leuten gleichzeitig. Nur nicht durcheinanderkommen, lautet da die Devise. Wie heißt noch der Typ mit dem niedlichen Hund? Wo wohnt der charmante Endfünfziger denn genau auf der Insel? Das Gleiche erwarte ich auch von meinen Chatpartnern. Ein Minimum an Interesse sollte vorhanden sein. Ein einsilbiges „Hola, que tal” oder „Und was machst du so” sind nun nicht gerade Fragen, die zu einer längeren Konversation einladen. Und auch wenn der Dialog läuft, stelle ich fest: nach kurzer Zeit wird es schleppend. Auf Antworten zu warten, kann zu einem zeitaufwändigen Unternehmen werden.

Genau davon leben diese Apps. Kundenbindung ist ein wichtiges Mittel. Dank Smartphone gibt es heute zahlreiche Möglichkeiten, Partner in den sozialen Netzwerken zu finden. Beim Platzhirsch Tinder haben sich vier Millionen Nutzer spanienweit angemeldet. Da müsste doch jemand zu finden sein? Doch die Macher der App haben kein gesteigertes Interesse daran, zwei Menschen glücklich zu verkuppeln, denn dann fallen sie ja als Kunden weg. Auch wenn die Basisversionen kostenfrei sind, wird der User dazu gedrängt, Zusatzprodukte zu kaufen, um endlich zu sehen, wer da noch so auf den Seiten unterwegs ist. Da beißen viele an und buchen ein Upgrade, das mehr Chancen auf eine glückliche Partnerzusammenführung verspricht.

Zurück zu meinem Experiment: Längere Chats habe ich mit einem Arzt aus Palma, der aber, wie er schreibt, noch in einem afrikanischen Krankenhaus arbeitet. Nachdem wir ein paar Tage lang kommuniziert haben, fällt mir auf, dass seine Antworten sehr allgemein gehalten sind. Konkrete Nachfrage wiegelt er immer wieder ab. Schließlich äußere ich Misstrauen, und siehe da: Keine Antwort ist auch eine Antwort, der Talk endet hier. Bin ich vielleicht auf einen Tinder-Schwindler gestoßen, der sich das Vertrauen der Frauen erschleichen will und dann um Geld bittet? Bevor er mich tatsächlich um Bares bittet, lösche ich die Konversation. Auch das ist Tinder: die Profile sind immer mit Vorsicht zu genießen, obwohl damit geworben wird, dass alles verifiziert wurde.

Die Fotos sind bei einem Date eine Hilfe, man erkennt sich gleich. Das ist nicht unbedingt die Regel, wenn man durch die Profile swiped. Teilweise bin ich geschockt: Warum werden immer noch Fotos mit Gesichtsmasken aus der Coronazeit verwendet? Und warum unglückliche Porträt-Perspektiven gewählt, bei denen Nasenhaare im Fokus stehen?

Bei realen Treffen stelle ich fest, dass viele der deutschen Kandidaten noch gar nicht auf der Insel leben und wohl eine Kontaktperson suchen, die schon hier Fuß gefasst hat. Es gibt Smalltalk, die üblichen Fragen. Man ist sich sympathisch, aber der Funke springt doch nicht über. Nach dem Date schreibt man bestenfalls noch ein paar Zeilen, doch dann versiegt die Konversation. Das ist bei einigen Personen mehr, bei anderen weniger traurig. Es hat dann doch nicht „gematcht”. Oberflächlichkeit ist eben ein Merkmal aller Datingportale. Oder, wie es ein unbekannt bleibender User formuliert: „Es geht um „usar y tirar”, also ums Ausprobieren und dann Aussortieren. Eine Wegwerfgesellschaft. Darin unterscheiden sich die großen Anbieter in Spanien wie Bumble, Badoo, Meetic oder das von Mallorquinern entwickelte Datingportal „2 Kisses” kaum.

Ist das Ü-50-Experiment Tinder für mich also gescheitert? Erstmal auf Eis gelegt! Ich werde verstärkt darauf warten, ob es mit dem Singlemann beim Warten an der Kasse oder beim Treffen mit Freunden klappt. Und einfach mal das Smartphone weglegen und die Augen auf die Welt um uns herum richten. Das haben wir Datinguser leider etwas verlernt.