Erinnerungsfoto aus dem Krieg: Legion-Condor-Angehörige in Zivil beim Aufwärmen am Holzkohlenfeuer mit zwei Frauen vom Hauspersonal in der Ideal-Bar in Alcúdia. | Foto: Archiv Walter Waiss

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Walter Waiss arbeitet an neuen Veröffentlichungen zur Legion Condor auf Mallorca. MM sprach mit dem Forscher über die Bedeutung der fliegende Kampftruppe des Nazi-Diktators.

Mallorca Magazin: Sie haben als passionierter Forscher bisher sechs Bände über die Legion Condor veröffentlicht, das sind umfangreiche Dokumentensammlungen mit vielen Originaltexten und Fotos über Hitlers Fliegertruppe im Spanischen Bürgerkrieg. Was reizt Sie an diesem Thema?

Walter Waiss: Ich habe mich generell mit Themen der Fliegerei beschäftigt. Mein direktes Interesse an der Legion Condor wurde dadurch geweckt, dass einer der letzten Adjutanten der dritten Kampffliegerstaffel K/88, Leutnant Heinz Wolf, mir seine Unterlagen zur Auswertung überließ. Danach habe ich ausschließlich nach Unterlagen, Fotos und Dokumenten aus dem Spanischen Bürgerkrieg gesucht, was zur Folge hatte, dass ich diese sechs Bände veröffentlicht habe. Ein weiterer ist in Arbeit. Er wird noch dieses Jahr erscheinen.

MM: Was sind Ihre Quellen?

Waiss: Die Herren, die noch bei der Legion Condor in Spanien waren, sind längst verstorben, aber ich habe umfangreiche Dokumente, Fotos et cetera aus vielen Archiven bekommen, die ich auswerte. Dazu zählen in meinem Freundeskreis auch Sammler, die mir diese privaten Unterlagen zur Verfügung stellten und stellen.

MM: Warum hat Hitler die Legion Condor aufstellen lassen und sie nach Spanien entsandt?

Waiss: Hitlers gesamte Politik war auf Krieg ausgerichtet. Deutschland stand unter seiner Diktatur und Hitlers größter Gegenpart war Stalin mit Sowjetrussland. Hier auf Spaniens Boden konnte Hitler Stalin Widerstand entgegensetzen und gleichzeitig Frankreich „in Schach” halten. Der unerwartet ausgebrochene Bürgerkrieg in Spanien bot ihm plötzlich die Gelegenheit, sein militärisches Personal zu erproben sowie das entwickelte Kriegsgerät zu testen. So wie es andere Kriegsteilnehmer, etwa Mussolini, auch machten.

MM: Wie viel Mann waren bei der Legion Condor im Einsatz? Und wie muss man sich den Einsatz vorstellen?

Waiss: Die Soldaten wurden, meist als Zivilisten getarnt, mit Schiffen von Hamburg aus auf die Reise geschickt. Tagsüber hatten die Soldaten unter Deck zu bleiben. Auch die Anlandungen, ob in Vigo oder Cádiz, gingen aus Tarnungsgründen nur nachts vonstatten. Das Aussehen der Soldaten auf der Reise war kurioserweise fast immer gleich, denn sie wurden mit den Zivilanzügen der Kampfrichter der Olympischen Spiele 1936 ausgestattet. Die Soldaten blieben im Regelfall sechs Monate (inklusive Abfahrt bis Rückkehr) in Spanien. Somit hielten sich maximal 5000 Mann gleichzeitig in Spanien auf. Insgesamt wurden auf diese Weise rund 20.000 Soldaten aus Deutschland in Spanien eingesetzt.

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Legion-Condor-Angehörige im Norden Mallorcas. Foto: Archiv Walter Waiss

MM: Gab es auch Frauen bei der Legion Condor in Spanien?

Waiss: Nein.

MM: Wie kam es überhaupt zu dem Namen Condor?

Waiss: Das ist nicht eindeutig gesichert. Amtlich lautete die Tarnbezeichnung zunächst „Winterübung Rügen”. Nach allem Abwägen sehe ich es wie mein Forscherkollege Günther Ott als wahrscheinlich an, dass Admiral Wilhelm Canaris, Chef der deutschen Abwehr, den Namen Legion Condor eingebracht hat, als er Ende Oktober 1936 im Auftrage Hitlers abschließend mit General Franco die sofortige Zurverfügungstellung dieser Truppe aushandelte. Canaris war auf deutscher Seite der Einzige mit einem Bezug zur Vogelart Condor. 1915 als Offizier des leichten Kreuzers „Dresden” in Chile interniert, gelang ihm von dort die Flucht nach Deutschland. Dabei überquerte er auf seinem Weg nach Argentinien die Anden, wo bekanntlich der Condor zu Hause ist.

MM: Es ist bekannt, dass die Legion Condor auch in Port de Pollença im Norden von Mallorca stationiert war. Zu welchem Zweck?

Waiss: Es handelte sich um die Teileinheit AS/88, also die Aufklärungsstaffel See, auch Seeflieger genannt. Sie sollten die spanische Ostküste, Menorca und feindliche Schiffe bombardieren. Die von Pollença aus startenden Flugzeuge waren Heinkel-Maschinen vom Typ He 59. Sie waren zu jener Zeit jedem republikanischen Jäger hoffnungslos unterlegen. Daher griffen diese Wasserflugzeuge, die maximal 1000 Kilo Bomben tragen konnten, die spanischen Häfen nur nachts an. Auf Städte fanden keinerlei Bombenangriffe statt, denn mit einer maximalen Geschwindigkeit von 230 Stundenkilometer konnten in den Häfen auf Schiffe oder Lagerhäuser nur „Nadelstiche” stattfinden. Allerdings waren diese Kampfflieger in den ostspanischen Nachschubhäfen durchaus zerstörerisch. Selbstverständlich wurden auch Bahnhöfe und Bahnlinien angegriffen, aber die Zieltechnik, und dann noch bei Nacht, war ausgesprochen miserabel. Bombenwürfe durften nur auf die ausgewählten und befohlenen Ziele erfolgen. Fand die Flugbesatzung die Ziele nicht, mussten Ausweichziele angegriffen werden; oder die Bomben wurden vor dem Rückflug nach Mallorca ins Wasser geworfen.

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Zwischen den Einsätzen mussten lange Wartezeiten überbrückt werden. Foto: Archiv Walter Waiss

MM: Die Legion Condor trug also Krieg und Zerstörung auf das spanische Festland. Gibt es Schätzungen, wie viele Menschen dem Bombenterror zum Opfer fielen?

Waiss: Jeder Luftkrieg ist schrecklich! Aber genaue Zahlen sind nicht gesichert. Sie reichen je nach Autor und Forscher von Hunderten bis zu Tausenden.

MM: Für wie groß bewerten Sie das Ausmaß an Sachzerstörung, für die die Legion Condor verantwortlich ist?

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Waiss: Diese Kampfeinheit aus Pollença hat unzweifelhaft große Zerstörungen angerichtet. Aber es waren so gut wie keine Bombenabwürfe direkt auf Städte vorgesehen gewesen. Die bevorzugten Ziele waren Häfen und Bahnhöfe mit den anliegenden Lagerschuppen. Dass bei solchen Angriffen auch Zivilisten zu Tode kamen, liegt auf der Hand.

MM: Von wann bis wann war die Legion Condor in Port de Pollença stationiert? Wie viele Flugzeuge waren dort im Einsatz?

Waiss: Im Frühjahr 1937, nach dem Fall von Málaga im Februar 1937, gab es im südlichen Mittelmeer keine Einsatzmöglichkeit mehr, die Flüge über Wasser rechtfertigen. So wurde auf spanischem Vorschlag hin diese kleine Einheit, nicht mehr als sechs Flugzeuge vom Typ He 59 und ein Aufklärer vom Typ He 60, im Frühsommer nach Pollença verlegt. Die Stationierung blieb dort bis Kriegsende, also April 1939, bestehen.

MM: Und wie viele Flugzeuge waren spanienweit eingesetzt worden? Wurden auch einige vom Gegner abgeschossen? Wie hoch ist die Zahl der Gefallenen der Legion Condor?

Waiss: Die genaue Zahl der Verluste, also die Stückzahl an Flugzeugen, habe ich noch nicht recherchiert. Durch Flak- oder Jägerbeschuss sind aber durchaus Maschinen verunglückt. Die grobe Zahl der Verluste liegt bei zirka 350 Mann für den gesamten Bürgerkrieg.

MM: War die Einheit in Pollença im Vergleich zu den anderen Legion-Condor-Standorten auf dem Festland von herausragender Effizienz oder eher von untergeordneter Bedeutung?

Waiss: Wie oben schon angedeutet, waren die Flieger der AS/88 sehr effizient, obgleich die Gesamtzahl der eingesetzten Soldaten, also fliegendes Personal und Werkstattpersonal, die Zahl 120 nicht überschritt.

MM: Wie waren die Legionäre in Port de Pollença untergebracht?

Waiss: Sie bezogen Unterkünfte in beschlagnahmten Hotels. Dort genossen sie auch die Unterbringung direkt am Strand, das gute, für sie geradezu exotische Essen, das mediterrane Flair mit Palmen und Kakteen et cetera.

MM: Trugen die Legion-Condor-Angehörigen deutsche oder spanische Uniformen?

Waiss: Die deutschen Legionäre trugen ausschließlich spanische Uniformen.

MM: Gab es intensive Kontakte zu den Mallorquinern?

Waiss: Der Kontakt war sehr begrenzt, weil so gut wie niemand unter den Deutschen Spanisch sprach.

MM: Gibt es Aussagen darüber, wie die deutschen Soldaten und Flieger ihre Einsatzzeit auf Mallorca empfanden?

Waiss: Viele haben diesen Einsatz als ein großes „Abenteuer” angesehen. Dies ist auch an den vielen Landschaftsfotos zu ersehen. Die Seeflieger kamen aus dem Küstenland in Norddeutschland und hatten vorher selten Berge gesehen. Auslandsaufenthalte, so wie wir uns heute Auslandsurlaube vorstellen, hatten sich nur Offiziere leisten können. Auf Mallorca badeten die Legion-Condor-Angehörigen im Meer, segelten, gingen Wandern, machten Ausflüge ... Es ist anzunehmen, dass nicht wenige von ihnen Jahrzehnte später auf die Insel zurückkehrten – diesmal als Touristen –, um die alten Schauplätze noch einmal zu erleben. Ob man will oder nicht, Mallorca hatte es ihnen angetan.

MM: Haben Sie in Ihren Buchpublikationen eine Botschaft an Ihre Leser?

Waiss: In Bezug auf die Legion Condor: Der Faschismus ist auf allen Ebenen zu bekämpfen! Aber ich differenziere zwischen den Soldaten im Militärdienst und den politischen Akteuren.

Die Fragen stellte 
Alexander Sepasgosarian.

Infos zum Buch

Walter Waiss: „Legion Condor - Berichte, Dokumente, Fotos, Fakten” (Band 6). ISBN: 978-3-9821313-2-0. 272 Seiten. 370 Fotos. 39,50 Euro plus 8 Euro Porto im
Bundesgebiet. Auslandsporto Spanien 17 Euro.Bestellung über
walterwaiss@t-online.de