Die 42-jährige Pia Isabel Rössle bietet ihre Retreats und Coachings in den Niederlanden und Mexiko an. | Helmut Kallebur

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Die Psychologin und Mallorca-Freundin Pia Isabel Rössle arbeitet therapeutisch mit psychedelischen Substanzen wie den sogenannten LSD-Derivaten. Ein Therapieansatz, der besser ist als sein Ruf. Rückblickend betrachtet sei es die Nähe zur holländischen Grenze und der dortige liberalere Umgang mit psychoaktiven Substanzen gewesen, der die im nordrhein-westfälischen Geldern geborene Pia Isabel Rössle schon als Jugendliche mit eben diesen Substanzen experimentieren lassen habe. "Die Tiefe der Erkenntnisse bei den psychedelischen Reisen hat mich nachhaltig beeindruckt und beeinflusst." Der jungen Deutschen mit polnischen und chilenischen Wurzeln ist schon früh klar, dass sie als Psychologin in die Fußstapfen ihres Vaters treten möchte. "Er hat im Gefängnis gearbeitet. Ich fand das faszinierend und schon als Kind sind meine Freunde mit ihren Problemen immer zu mir gekommen."

Ein Erweckungsmoment führt dazu, dass sich Rössle gegen den Beruf der Schulpsychologin entscheidet und schließlich ein Studium der Wirtschaftspsychologie in Köln abschließt. Von da an verschreibt sie sich mit Herz und Seele der therapeutischen Arbeit mit psychotropen Substanzen. "Bereits die alten Griechen haben damit experimentiert und auch viele der indischen Weisheiten basieren auf dem Einsatz von Psychedelika." Zuletzt seien es die Amerikaner gewesen, die in den 50er Jahren im Besonderen mit LSD, also Lysergsäurediethylamid, in der Psychotherapie große Erfolge erzielt hätten.

Nachdem die Substanz dort 1966 schließlich verboten wird, verschwindet das LSD aus der Öffentlichkeit und nimmt seinen heutigen Platz in der Illegalität neben MDMA (Methylendioxy-N-Methylamphetamin) und Psilocybin, dem psychoaktiven Wirkstoff in den sogenannten Zauberpilzen, ein. In einigen Ländern finde mittlerweile jedoch ein Umdenken statt, erklärt die Psychologin. "In Australien hat man Psilocybin und MDMA im therapeutischen Zusammenhang bereits legalisiert. In der Schweiz gibt es mittlerweile lizenzierte Therapeuten dafür." Erst müsse dort jedoch nachgewiesen werden, dass die Patienten gegenüber allen anderen pharmazeutischen Mitteln therapieresistent seien, dann erst sei es möglich, mit Psychedelika zu therapieren. "Besonders dort hat diese Arbeit bereits nachweislich das Leben von suizidalen Patienten gerettet." In Deutschland, beispielsweise an der Berliner Charité, arbeite man derzeit zudem an einigen hochinteressanten Pilotstudien zum Thema. "Ich gehöre mittlerweile auch zu einem Forschungsprojekt mit einem Arzt der Charité. Es geht um die Wirksamkeit von Psychedelika im Coaching."

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Die Psychologin während eines Retreats im Gespräch mit einer Teilnehmerin. Foto: Helmut Kallebur
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Generell würde Rössle bei Psychedelika nicht von Drogen sprechen, denn in ihrer Wahrnehmung sei der Begriff Drogen untrennbar mit dem des Suchtpotentials verknüpft. "Jeder kann sich etwas unter Spielsucht, Sexsucht oder Alkoholsucht vorstellen oder hat davon im Bekanntenkreis sogar schon einmal gehört. Niemand kennt jedoch jemanden, der beispielsweise LSD süchtig ist." Wenn man genau hinschaue, erkenne man, dass die allgemeine Verteufelung dieser Substanzen ungerechtfertigt sei, denn gerade für LSD oder Psilocybin gebe es im Gehirn keine Suchtrezeptoren.

In der Psychologie der Schulmedizin arbeite man mit dem sogenannten Alltagsbewusstsein und würde so versuchen, den Menschen anpassungsfähiger an die Gesellschaft zu machen. Bei der LSD-Therapie beispielsweise finde eine tiefe Selbstrealisation statt. "Die Identifikation mit den eigenen Gedanken hört auf. Der Mensch lernt, dass er reines Bewusstsein ist und was er damit in sich und für sich bewirken kann. Er ist die Quelle von allem um sich herum. Durch dieses Erkennen ist eine Verantwortungsverschiebung nicht mehr möglich und der Patient kommt so in seine Schöpferkraft. Das schafft eine normale Therapie nicht." Mithilfe psychologischer Tests messe man die Offenheit eines Menschen. Offene Menschen falle es im Allgemeinen leichter, Probleme zu bewältigen. "Die Substanzen helfen, diese Offenheit herzustellen. So können alte Muster durchbrochen und neue Denkansätze und Handlungsspielräume geschaffen werden."

Selbstverständlich sei es nicht ratsam, ohne einen erfahrenen Therapeuten damit zu experimentieren. "Besonders bei Herzproblemen muss man vorsichtig mit der Dosierung sein. Auch bei Menschen mit Psychosen sind Psychedelika ungeeignet. Bei Depressionen oder Traumata hingegen gibt es kaum eine bessere Therapie." Studien würden zeigen, dass Menschen mit schweren Depressionen bereits nach einer einzigen LSD-Sitzung mindestens ein Jahr beschwerdefrei haben leben können.

Die 42-Jährige sei Mallorca seit vielen Jahren verbunden, noch heute mehrmals im Jahr hier im Urlaub und habe früher sogar einige Zeit auf der Insel gelebt. Ihre Einzelsitzungen und Retreats (Instagram: @reality_upgrade_retreat) bietet sie zusammen mit ihrem Team jedoch nur in Mexiko und den Niederlanden an. "In Holland dürfen wir legal mit LSD-Derivaten, also LSD mit einer abgewandelten Molekülstruktur, arbeiten. Die Wirkung ist dabei vom Original kaum zu unterscheiden." Auch wenn der Zustand, selbst von der Psychologin, schwer in Worte zu fassen sei, fühle es sich an wie eine Ausdehnung des Bewusstseins, eine freie Fahrt ins Unterbewusste. Es sei ein von Scham befreiter Selbstausdruck, innere Erkenntnis in einem Zustand tiefen Friedens. Eine Reise in die eigene Vergangenheit, Vergebung und Selbstermächtigung. "Ich habe viele Menschen dabei begleitet, von Pharmazeutika hin zu Psychedelika zu wechseln und die haben ihr Leben zurückbekommen."