Seit mehr als 50 Jahren lebt Gastronom Horst-Peter Zierof nun schon auf Mallorca: Am 20. März 1973 war der gebürtige Nordrhein-Westfale auf der Balearen-Insel mit dem Schiff angekommen, um hier einen Neuanfang zu wagen. „Ich bin zuvor nie groß aus Deutschland herausgekommen und habe niemals viel Urlaub gemacht”, sagt der 82-Jährige lachend. Zuvor war Zierof auf einer Raststätte zwischen Bremen und Hamburg tätig, als er von Mallorcas „Wurstkönig” Hans Abel das Angebot erhielt, in einem seiner Lokale zu arbeiten. Innerhalb von nur drei Tagen war die Entscheidung gefallen, und Zierof unterschrieb den neuen Arbeitsvertrag.
Abel hatte damals in den 1970-er Jahren drei Lokale auf der Insel: In Can Picafort, Cala d´Or und Cala Millor. Und rückblickend ist es Zierof nur recht gewesen, dass es ihn nach Cala Millor verschlug, denn hier fühlte er sich binnen kurzer Zeit pudelwohl, wie er sagt. „Das erste Jahr auf der Insel war sehr hart, doch habe ich mich durchgeboxt”, erklärt der Gastronom. Nur 50 Mark habe er damals in der Tasche gehabt. Kollegen hätten ihm zu der Zeit Kredite eingeräumt, um die erste Zeit zu überbrücken.
Nach nur wenigen Monaten machte ihm sein Chef Abel das Angebot, das Lokal in Cala Millor zu übernehmen. Die Kosten hierfür, 95.000 Mark, könne er ratenweise in den zwei darauffolgenden Jahren zurückzahlen. Zierof nahm das Angebot an, und gestaltete das Lokal zu der „Cafeteria Frankfurt” um. Seinen Gästen servierte er Mettbrötchen, Frikadellen und Bratwurst, was überaus gut ankam. „Wir arbeiteten hart, und hatten ein Pen-sum von zehn bis zwölf Stunden täglich. Das unterscheidet sich doch erheblich von so manchem Auswanderer-Lokal, was es heute gibt”, sagt Zierof. Damals herrschten andere Sitten und die Insel sei bei weitem nicht von so vielen Urlaubern frequentiert gewesen, wie sie es jetzt ist. „Unter Franco waren die Kontrollen sehr streng. Doch es herrschte Zucht und Ordnung, und es liefen weniger Banditen herum”, erklärt der Senior.
Auch die zweite Business-Idee, die Zierof 1978 hatte, war ein geschäftlicher Erfolg. Zusammen mit einem Freund aus Hamburg eröffnete er das Lokal „Schinderhannes”. Doch der Gastronom wollte mit einem völlig neuen Projekt auf der Insel Fuß fassen. MM gegenüber erklärt er: „Ich wollte ein Sportlokal aufmachen, das hier noch nicht existierte.” Auf der Suche nach einem Namen, schrieb er RTL an. Von dem Sender erhielt er 1988 die Genehmigung, sein Lokal „RTL Anpfiff” zu nennen.
Die neue Sportbar in dem Küstenort im Osten Mallorcas lief bombastisch. Die Decke des Lokals, in dem Fußbälle aufgehängt sind, gestaltete ein Künstler. Und drei Fernseher übertrugen mittels Satelliten-Empfang die aktuellen Fußball-Spiele und Kicker-Ereignisse. Zierof resümiert rückblickend: „Mit dem Essen und dem Sport kam der große Ansturm der Gäste.”
In erster Linie seien es Urlauber, die jedes Jahr erneut das „RTL Anpfiff” aufsuchten. Das Erfolgsgeheimnis für die Kult-Kneipe sei Zierof zufolge einfach: „Trotz unserer Stammkundschaft eröffnen wir jedes Jahr aufs Neue. Auch neue Gäste müssen gut bewirtet werden – das spricht sich dann schnell herum.” Im Gegensatz dazu seien andere Lokale nach kurzer Zeit von der Bildfläche verschwunden und viele Wirte hätten sogar versucht, das Modell der RTL-Kultkneipe erfolglos zu kopieren. Auch über die Grenzen der Insel hinaus machte sich Zierof mit seinem Lokal einen Namen. Zweimal sei er in die RTL-Sportsendung eingeladen worden. Und zahlreiche Prominente sowie Sportler suchten das Kultlokal in den vergangenen Jahrzehnten auf. Von vielen lassen sich etwa Bilder samt Autogramm an den Wänden des Lokals finden, darunter von Tennis-Profi Rafael Nadal und den früheren Fußball-Legenden Rudi Völler, Ottmar Hitzfeld, Gerd Strack und „Andy” Möller sowie Tennis-Trainer Günther Bosch. „Der einzige, der nicht hier war, ist Sportmoderator Ulli Potofski – und das, obwohl ich ihn oft eingeladen habe”, sagt Zierof wehmütig.
Auf der Speisekarte des „RTL-Anpfiff” stehen neben Veltins-Bier Klassiker wie Currywurst mit Kartoffelsalat oder Röstkartoffeln. Doch der „Renner” sei momentan Schnitzel in allen möglichen Variationen. Bis vor wenigen Jahren stand Zierof übrigens selbst am Tresen, bis ein Unfall im Jahr 2011 ihn dazu zwang, beruflich kürzer zu treten. Seitdem habe seine spanische Gattin, Dori Mínguez, die Fäden in dem Lokal in der Hand. Zierof, der zwei erwachsene Söhne und zwei Enkelkinder hat, möchte sein Lokal noch in diesem Sommer verpachten. Auch wenn die Sendung „Anpfiff” seit 1998 nicht mehr im Privatfernsehen läuft, würde der Wirt den Namen seiner Kneipe gerne beibehalten: „Ein anderer Name würde dem Lokal wehtun.”
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