Lothar Hinz lebt seit Ende 2021 auf Mallorca. Hier will er den "Reset-Knopf" drücken. | P. Czelinski

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Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen”, heißt es in Hesses „Stufen”, einem Werk, das wie kaum ein anderes den Mut zur Veränderung in jedem Lebensabschnitt propagiert. Ein Mut, den man sicherlich auch Lothar Hinz zuschreiben kann. Seit Ende 2021 lebt der 59-Jährige auf Mallorca. Er sagt: „Ich bin ein ewig Suchender.”

Geboren in einfachsten Bergarbeiterverhältnissen im Ruhrpott, zieht Hinz als Kind mit seiner Familie nach Niederbayern. Dort, im Klassenraum unterm Kruzifix, ist er der Rebell, der langhaarige Exot. „Mir gefiel das, ich war schon immer anders, habe nie wirklich reingepasst.” Das bekommt er auch in seiner Beamtenkarriere bei der Polizei zu spüren. „Ich wollte immer helfen. Obdachlosen habe ich Geld gegeben, anstatt sie wegzuschicken”, sagt er. Gleichzeitig bleibt er der Paradiesvogel, fährt im schicken Mercedes-Cabrio seiner reichen Freundin vors Revier. „Meine Familie hatte nicht viel Geld. In München wollte ich einfach dazugehören.” Aber er gerät mehr und mehr in eine Spirale aus Unterforderung und Frustration.

„Eines Tages habe ich zu meiner damaligen Frau gesagt: ‚Schatz, ich geh’ da nicht mehr hin’ – und per Fax meinen Job und die Verbeamtung auf Lebenszeit gekündigt.” Hinz verkauft sein Hab und Gut und macht sich auf die Suche – nach sich selbst und dem Sinn des Lebens. „Das war damals die Zeit mit dem Call-Center-Boom”, erzählt der Mallorca-Freund. „Ich fing dort an und stieg recht schnell auf.” Es folgen verschiedene Jobs. „Zwischenzeitlich habe ich Abnehmprodukte verkauft, das war super. Meine Freundin freute sich über die Wirkung und ich verdiente Geld”, sagt er lachend. Erfüllung findet er schließlich als Logistik-Manager – eine Tätigkeit, die ihn die ganze Welt bereisen lässt. 2015 dann gründet Hinz ein Unternehmen für Carbon-Heizungen. „Das war eine One-Man-Show, aber die lief super”. Bis das Coronavirus 2020 alles zunichtemacht. „Ich war mit meinem Start-up komplett von China abhängig.”

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Also: Wieder Zeit für einen Restart. Aber diesmal so richtig! Hinz macht sich von München im Bus auf durch Österreich, die Schweiz und Italien bis nach Südfrankreich – und läuft den Jakobsweg. „Es goss wie aus Eimern und aus meinen Augen liefen auch viele Tränen, erzählt der Mann mit dem bayerischen Akzent. Einen Monat lang wartet er auf eine Eingebung, doch die will nicht einmal in Santiago de Compostela kommen. „Erst am Strand in Fisterra, dem ‚Ende der Welt’ am westlichsten Zipfel Galiciens, wurde mir bewusst: davon will ich mehr!”

Lothar Hinz am galicischen Strand.

Über Freunde und Bekannte schließlich kommt Hinz nach Mallorca, eine Insel, auf der er jetzt „den Reset-Knopf” drücken will. „Ich möchte ganz bei mir sein, mich öffnen für Neues”, sagt er. Ich genieße es, morgens im Café zu sitzen und nachmittags ins Gebirge zu fahren. Dazu das tolle Wetter und die wunderbare Landschaft. Jetzt will Hinz richtig Spanisch lernen. „Sprache öffnet die Herzen”, findet er.

Bedeutet das etwa Mallorca für immer? „Das kann ich nicht sagen”, meint er nach einer kurzen Denkpause. Schließlich sind ja Aufbruch und Reise der rote Faden, der sich durch sein Leben zieht. „Ich könnte auch in Japan, Südafrika oder sonst wo leben. Wichtig ist mir, Gutes zu tun und die Menschen zu lieben. Ich will nicht verbittert sein.” Gut, dass noch ein langer Weg vor ihm liegt. „Mein Opa wurde fast 100. Wenn ich das auch schaffe, habe ich – großzügig gerechnet – ja erst gut die Hälfte rum.”