Miriam K. strahlt: „Es ist ein Stück Freiheit, ich liebe es”, sagt die junge Frau. Gemeinsam mit ihrem Mann Johannes genießt die Radsportlerin einen Café con leche auf dem Wochenmarkt von Sineu auf Mallorca. Touristen und Einheimische schlendern durch die Gassen. Händler plaudern mit ihren Kunden. Hier und dort klingt Musik, mal kubanische Gitarre, mal Soul, mal Schlagzeug. Marktbesucher klatschen, einige tanzen ein paar Schritte mit. Vor den Bars und Restaurants sind fast alle Tische besetzt. Ein Hauch von Leichtigkeit liegt in der Luft.
An Corona erinnern nur noch die Masken. „Es ist so schön, wieder Menschen zu sehen und ein Stück Normalität zu haben”, meint Pia-Noelia Nabers aus Düsseldorf. „Hier sieht man, es geht doch. Die lange Einschränkung in Deutschland verändert die Menschen. Aber auch dort sieht man ja Licht am Ende des Tunnels.”
Viele der deutschen Touristen, die am Mittwoch vergangener Woche dort sind, kennen den Wochenmarkt schon lange. Sie sind sich einig: Es ist wie vor der Pandemie, nur schöner. „Es sind nicht so viele Leute hier. Früher war es einfach zu voll”, findet die Berlinerin Birgit D. „Das Umfeld ist lockerer. Das ist sehr positiv”, stimmt ihr auch Frank Meyn zu, der mit seiner Tochter Emily Sineu besucht.
„Es weht ein frischer Wind”, sagt der französische Liedermacher Arnaud Bazin, der an der Plaça Es Mercadal Gitarre spielt. „Die Menschen sind ruhiger, entspannter.”
Die Händler und Gastronomen haben eine lange Durststrecke hinter sich. „Endlich kommt wieder mehr Leben”, freut sich Xema Matemales von der Bar Sabina an der Plaça, während er Kaffees und Tapas auf der Hand balanciert.
Auch Andrea Tietz atmet auf. Neben der Pfarrkirche Santa Maria verkauft die Deutsche selbstgefertigte Gewürzmischungen und Kräuterseifen. Seit Jahren hat sie einen Stand in Sineu. Nach einer Pause im Winter sei sie seit März erstmals wieder präsent, erzählt sie. Verkauft habe sie die ganze Zeit nichts. „Aber seit 14 Tagen merkt man, dass es aufwärts geht. Es gibt auch mehr Umsatz, die Leute gucken nicht nur.”
Auf einen Neuanfang hofft auch Juan Carlos Alfonso. Er stellt Kunst aus Treibholz und Keramik her. Bei Unwetter gehe er an den Strand und sammle Holzstücke, erzählt er. Dann poliere er sie und hole die Farbe wieder heraus. Seit 2017 hat der Kunsthandwerker einen Stand in Sineu. Wirtschaftlich überleben konnte er in der Pandemie dank eines Halbtagsjobs als Maler. Verkauft habe er nichts.
„Wir haben die Händler unterstützt so gut wir konnten”, sagt Xisca Ramis, die in Sineu für den Wochenmarkt zuständig ist. 2020 mussten die Marktbeschicker nur vier Monate lang Standgebühren bezahlen. Und auch in diesem Jahr soll es Erleichterungen geben.
Noch gelten Corona-Beschränkungen. Der Markt darf nur mit 75 Prozent der Standkapazität belegt werden. Die Gemeinde nutze die Situation, um den Markt umzustrukturieren, erzählt die Gemeinderätin. „Wir setzen verstärkt auf Kunsthandwerk und Qualitätsware.” Außerdem gebe die Gemeinde den Marktverkäuferinnen und -verkäufern Anreize, um ihre Stände optisch noch ansprechender zu gestalten. Schließlich arbeite man daran, den Markt neu aufzustellen. Künftig soll er in thematische Zonen eingeteilt werden. Am Platz Sa Plaça vor der Kirche Santa Maria etwa sollen ausschließlich frisches Obst und Gemüse verkauft werden. Nur eins werde sich nicht ändern, betont Xisca Ramis. „Den Verkauf von Tieren wollen wir beibehalten. Schließlich gibt es das nur hier bei uns in Sineu.”
INFO:
Der Wochenmarktvon Sineu ist einer der ältesten der Insel. Die Ursprünge gehen auf das 12. Jahrhundert zurück, als Mallorca noch unter arabisch-islamischer Herrschaft stand. Jahrhunderte lang war der Ort im Zentrum der Insel der wichtigste Handelsplatz für die Bauern.
In den vergangenen 20 Jahren entwickelte sich der Markt zur Touristenattraktion, wobei er immer noch etwas von seinem Charakter eines traditionellen Bauernmarkts bewahrt hat.
Die Stände erstrecken sich über den gesamten Ortskern und selbst in schmale Gassen hinein. Neben frischem Obst und Gemüse, Gewürzen und regionalen Produkten wie Käse oder Oliven kann man Kleidung und Schuhe sowie vielfältiges Kunsthandwerk und Naturkosmetik-Produkte erwerben.
Außerdem bietet Sineu den einzigen Wochenmarkt der Insel, auf dem auch heute noch mit Tieren gehandelt wird: Hühner, Ferkel, Schafe, Gänse und sogar Hunde kann man hier kaufen. Es ist Tradition, nach dem Marktbesuch in einen der alten Cellers einzukehren. Das sind Restaurants, die ursprünglich einmal Weinkeller waren und heute leckere Inselspezialitäten anbieten.
Marktzeiten:Der Wochenmarkt hat jeden Mittwoch von 8 bis 14 Uhr geöffnet.
(aus MM 23/2021)
5 Kommentare
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Bravo Dan! genau so ist es...erlebe ich jeden Tag an der Ostküste!!!
Es gibt Leute die blasen mehr heiße Luft raus als mein Föhn . Der Wochenmarkt von Sineu ist und bleibt ein Klassiker !!! Ich glaube es gibt Leute die über Themen schreiben ohne jemals dagewesen zu sein .
Draußenmarkt mit Maulkorb ist Normalität? Wie krank muss man sein, solchen Unsinn zu reden? Das größte Opfer von Corona ist der gesunde Menschenverstand.
@Dan Genauso ist es, wie Sie es beschreiben. Schlimmer noch die Touristen die so einen Markt besuchen. Ebenso die selbigen die immer noch bei praller Hitze mit der Pferdekusche an der Playa entlang "traben" müssen. Das sind eine der schlimmsten Schattenseiten dieser Insel....wegschauen und ignorieren ist die Devise auch von vielen Teilzeit Residenten, die ihren Kindern erklären, warum man Schafe oder Ziegen an den Beinen zusammen bindet. Damit sie nicht weglaufen können. In den Sommermonaten besonders schlimm, diese armen Kreaturen auf Weiden fristen müssen ohne das man ihnen ausreichend , wenn überhaupt Wasser zur Verfügung stellt.
„Den Verkauf von Tieren wollen wir beibehalten. Schließlich gibt es das nur hier bei uns in Sineu.” Das stimmt nicht ganz, auch in Felanitx kann man sonntags zuschauen, wie die gequälte Kreatur in der Hitze leidet. Allerlei Federvieh, zerrupft, apathisch, und lebendiges Kinderspielzeug. Da kauft die deutsche Mutti dem Kleinen zum Spaß einen Kanarienvolgel, der beim Versuch, ihn aus der Pappkiste zu nehmen zum Streicheln(!) prompt das Weite sucht. Das Küken das man einem kleinen Mädchen in die Hand setzt, hat weniger Glück. Das Kind drückt zu, das Tierchen zappelt, fällt zu Boden, jemand tritt drauf, es lebt noch einige Momente. War ja nicht teuer. Der Händler will ein neues verkaufen, das Mädchen jetzt aber lieber ein Kanichen vm Nachbarstand. Sineu ist deutlich schlimmer. Alle Arten Bauerhoftiere, auch Pferde, viele jammervolle Gestalten, Hunde-und Katzenwelpen, Hamster, Kaninchen....bei manchen ist nicht auszumachen, ob sie noch atmen. Touristen schubsen sich vor den winzigen Käfigen, glotzen mitleidlos und urteilen: "Der ist schon kaput" sagt der Opa, Lebewesen als reine Ware. Man muss nicht mal ein Tierfreund sein, um Abscheu zu empfinden, vor Verkäufern und Glotzern gleichermaßen. Die alte Frau die ein Huhn für den Kochtopf kauft, ist da noch die anständigste. Als auf einem meiner Wege vom Parkplatz zum, ansonsten wirklich pittoresken Markt, eine kleine Ziege, die mit zusammengebundenen Beinen, kopfüber und jämmerlich schreiend an einem Stock vor mir her getragen wurde, unter Fluchen des Besitzers verendete - bin ich umgekehrt und erspare mir dieses Mallora Attraktion seitdem. Dass man den Tierverkauf beibehalten will, vermutlich genauso wie bisher, verwundert nicht. Die Haltung der Mallorquiner zu ihren Mitgeschöpfen ist noch immer bäuerlich mitleidlos. Einsame Hunde an Ketten in Gemüsegärtchen oder auf kleinen Fincas, streunende Katzen die sich weiter vermehren wiel Gemeinden Kastrationsaktionen nicht bezahlen, teils gar verbieten, brutale traditionelle Schlachtungen von Schweinen und Ziegen ( wer hier mitten auf dem Land wohnt, weiß wovon ich spreche ), Abschießen von Haustieren in der Jagdsaison und Katzenfallen um die "Konkurrenz" bei Wachteln und Kaninchen qualvoll zu beseitigen... abseits von Malle-Strand, Promiparty, Immobiliengeschäften und Luxusjachten hat Mallorca eine düstere Seele.