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"Der Strand vor meinem Hotel hat so wenig Sand. Die Felsen schauen raus", sagt der Hoteldirektor aufgeregt. Ob das nur durch die Winterstürme komme, oder ob sich schon der Klimawandel bemerkbar mache, fragt der besorgte Unternehmer im Socib. Dort muss man es wissen. Das Socib ist das Küstenüberwachungsinstitut der balearischen Inseln und eines der modernsten Forschungszentren auf diesem Gebiet weltweit. Seinen Sitz hat es unscheinbar im zweiten Stock eines Bürogebäudes im Technologiezentrum Park Bit bei Palma. Auf Monitoren laufen hier Millionen von Daten zusammen, die das Institut mit einem komplexen Beobachtungsnetz aus Radarstationen, Messbojen, Kameras, Satelliten, Unterwasserfahrzeugen und Forschungsschiffen sammelt. "Unsere Ergebnisse helfen, Maßnahmen und Ressourcen zu optimieren", erklärt Dr. Lluís Gómez-Pujol.

Ein Arbeitsschwerpunkt sind die Strände. Manche Länder wie etwa die Niederlande beobachten ihre Strände seit über 100 Jahren. "Wir haben erst 2010 damit angefangen, aber dafür setzen wir Spitzentechnologie ein", meint Gómez-Pujol. Das Ziel sei herauszufinden, ob Erosion stattfinde oder Veränderungen Teil des natürlichen Kreislaufs sein. "Dazu müssen wir verstehen, wie der Sedimenttransport funktioniert und was auf dem Strand passiert."

Das ist aufwendig. An der Playa de Palma zum Beispiel sind rund um die Uhr 15 Videokameras im Einsatz. So viele seien nötig, um die fünf Kilometer lange Playa zu erfassen, erklärt der Küstenmorphologe. Pro Stunde macht jede Kamera 4500 Bilder. Zum einen nehmen sie die Küstenlinie auf, zum anderen den kleinen Kamm, der unter Wasser parallel zur Küste verläuft. Das ist die Erhöhung, die man spürt, wenn man im Sommer vom Strand ins Meer geht. Erst wird das Wasser tiefer und dann für ein paar Meter noch einmal flacher. Zusätzlich messen Instrumente den Wellengang. Und zweimal im Jahr machen die Wissenschaftler topografische Aufnahmen unter Wasser. "Wir messen, wie viel Sediment durch die Stürme weggetragen wurde, wohin und wie viel wiederkommt", erklärt Gómez-Pujol.

Das erfreuliche Ergebnis nach sechseinhalb Jahren lautet: Mallorcas Strände sind in gutem Zustand. Nur neun Prozent verzeichnen Erosion, 70 Prozent sind stabil, 21 Prozent wachsen sogar. Am stärksten von Erosion betroffen sind Cala Deià und Cala Agulla an der Nordküste. Am meisten wächst der nördliche Teil des Strands von Alcúdia. "Das kommt allerdings durch die Küstenbebauung. Sie behindert den natürlichen Rücktransport des Sands ins Meer", erklärt der Wissenschaftler. Auch für den Hoteldirektor hat er eine gute Nachricht: Dass auf dem Strand vor dem Hotel die Felsen herausschauten, habe nichts mit Klimawandel zu tun, sondern sei normal. "Ein Strand ist ein dynamischer Naturraum. An manchen Jahren hat er mehr Sand, an anderen weniger."

Die Zukunft sieht aber nicht so rosig aus. Der Klimawandel werde sich doppelt bemerkbar machen, meint Gómez-Pujol. "Weil sich die Richtung der Meeresströmungen ändert, werden sich die Strände neu ausrichten, sich ,drehen'. Und durch den steigenden Meeresspiegel wird sich die Küstenlinie landeinwärts verschieben." Prognosen sprächen von etwa 20 Zentimeter Meeresanstieg bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Für flache Strände ohne Möglichkeit, sich landeinwärts zu verschieben, sei das dramatisch.

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Grund zur Panik gibt es aber nicht. "In den nächsten zehn oder 15 Jahren werden wir kaum etwas bemerken. Trotzdem müssen wir uns vorbereiten." Etwas tut sich schon. Die Küstenbehörde ist dabei, die Dünensysteme der Insel wieder aufzubauen. Sie stellen eine wichtige Barriere gegen das ansteigende Meer dar. Dünen existieren noch am Strand von Es Trenc, an der Bucht von Alcúdia (mit Ausnahme des touristischen Teils), in Cala Pi und Sa Ràpita.

Eine andere Maßnahme ist die Verlegung von Uferpromenaden landeinwärts, damit sich Strände nach innen verschieben können. Auf dem Festland sei das schon passiert, erzählt Gómez-Pujol. Da habe der Staat Küstengebiete gekauft und die Promenade verschoben. "Auf Mallorca gibt es nur einen Ort, der diese Möglichkeit in Betracht zieht. Das ist Cala Millor." Ob sie verwirklicht werde, stehe in den Sternen. An den städtischen Stränden gebe es wenig Spielraum. In Einzelfällen könnten die Uferpromenaden in Dünenreihen verwandelt werden. In Katalonien sei das schon passiert.

"Auf jeden Fall müssen wir unsere Nutzungsgewohnheiten anpassen und uns klar machen, was ein Strand eigentlich ist." In erster Linie schütze er die Küste vor den Auswirkungen des Wellengangs und habe wichtige ökologische Funktionen für das Neptungras und damit für die Gesundheit des Meeres. Die Freizeitfunktion sei relativ neu. "Unsere Großeltern sagten noch nicht: ,Heute gehen wir an den Strand.' Sie sagten: ,Wir gehen ans Meer'." Heute werde dem Strand eine unnatürliche Servicefunktion abverlangt. Immer gleich solle er sein und schön sauber noch dazu. "Ein Strand ist aber kein künstlicher Garten, sondern so veränderlich wie das Wetter. Das muss man akzeptieren, so wie man das Wetter akzeptiert."

Überzeugt hat er den Hoteldirektor damit nicht. Schließlich kommen in zwei Monaten die ersten Touristen und da sollte der Strand so breit wie möglich sein. Das erwarteten die Gäste einfach.

(aus MM 9/2017)