Die meisten Wachtürme wurden im 16. Jahrhundert gebaut. Davor gab es schon ein Netz von Wach- und Horchposten. Die Wächter hielten tagsüber Ausschau nach ungebetene Schiffen am Horizont. Nachts mussten sie sich auf ihr feines Gehör verlassen und nach verdächtigen Geräuschen wie das Schlagen von Rudern auf Wasser, das Flattern von Segeln oder die Stimmen von Seeleuten lauschen.
Warum wurden gerade im 16. Jahrhundert die Wachtürme gebaut?
Im 16. Jahrhundert gab es besonders viele Angriffe von muslimischen Piraten und Korsaren. Letztere waren für ihre Raubzüge mit Kaperbriefen der osmanischen Sultane ausgestattet. Dokumente bezeugen zahlreiche Überfälle, unter anderem auf Andratx, Estellencs, Banyalbufar, Valldemossa, Deià, Sóller und Pollença. Mitunter machten sich weit über 1000 Piraten über die Orte her, die den Eindringlingen machtlos gegenüberstanden.
Wie waren die Wachtürme beschaffen?
Die Türme waren wie eine Kette über die ganze Insel verteilt. Ihre Eingänge befanden sich so weit über dem Boden, dass sie nur mit einer Leiter erreicht werden konnten, die im Falle eines Überfalls eingezogen wurde. Einige Bauten waren reine Signaltürme, andere waren auch zu Verteidigungszwecken befestigt. Die Signale wurden tagsüber mit Rauch, nachts mit Feuer gegeben und von Turm zu Turm bis zum Almudaina-Palast in Palma weitergeleitet.
Wie waren die Türme besetzt?
Normalerweise befanden sich auf jedem Turm zwei bis vier Wächter. Nicht nur Bewohner der Küstenorte, sondern auch der Nachbargemeinden mussten Wache schieben. Dieser Verpflichtung kamen sie jedoch nicht immer nach, da ein Fehlen auf dem Feld in der Regel den Ausfall eines Tagelohns bedeutete. In manchen Gemeinden wurden deshalb Wachen rekrutiert oder bezahlt. Während des Dienstes durfte der Turm nicht verlassen werden.
Wie schützten die Wachtürme die Bevölkerung vor Überfällen?
Durch die Weitergabe von Signalen von Turm zu Turm war ein wirkungsvolles Warnsystem geschaffen worden. Es ermöglichte den Mallorquinern, bei einem Überfall rechtzeitig Verteidiger aus verschiedenen Orten zusammenzuziehen und auf diese Weise selbst berüchtigte Piraten wie Barbarossa oder Dragut in die Flucht zu schlagen. Die beiden bekanntesten Beispiele dafür sind die Schlachten am 2. August 1550 in Pollença und am 11. Mai 1561 in Sóller. Bis heute feiern die Einheimischen ihren Sieg, indem sie die Schlachten nachstellen.
Wie lange wurden die Wachtürme benutzt?
Im 18. Jahrhundert ließen die Überfälle muslimischer Piraten deutlich nach. Allerdings ist bekannt, dass in dieser Zeit etwa vom Turm von Sa Porrassa in der Gemeinde Calvià noch Warnschüsse auf Schiffe von Sarazenen, Engländern und Genuesern abgegeben wurden.
Was passierte später mit den Türmen?
Mit Algerien begann 1830 die Eroberung Nordafrikas durch Frankreich. Durch die Besetzung von Algerien, Tunesien sowie Teilen von Marokko und Libyen endete die Piraterie im Mittelmeer. Die Wachtürme verwaisten, dienten jedoch gelegentlich noch als Beobachtungsposten zur Bekämpfung von Schmugglerbanden.
Wie viele Wachtürme gibt es heute noch auf Mallorca?
Von einst 85 Türmen sind allein zwischen Andratx und Pollença rund zwei Dutzend erhalten geblieben. Einige von ihnen stehen auf Privatgrundstücken, andere sind beliebte Ausflugsziele. Zu Letzteren zählt der Torre de Cala en Basset. Er steht in der Gemeinde Andratx gegenüber der Insel Dragonera und kann von Sant Elm aus über einen ausgeschilderten Weg erreicht werden. Leicht erreichbar ist auch der Torre de ses Ànimes am Ortsende von Ban-yalbufar in Richtung Estellencs. Eine spektakuläre Aussicht bietet der Wachturm Talaia de la Victoria. Er befindet sich auf der Halbinsel Victoria bei Alcúdia. Der Weg von der dortigen Eremitage zum Turm ist ausgeschildert. Im Gegensatz zu den drei bereits genannten Türmen befindet sich der Torre de s'Estella im Süden der Insel auf Meereshöhe und kann von s'Estanyol aus erreicht werden.
(aus MM 28/2016)
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