Die Jagdromantik hat auf dem Land auch ihre Schattenseiten, vor allem wenn mehr Menschen zur Erholung dort hinziehen.

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Das Inselleben auf dem Land hat unbestritten seinen Reiz. Die unberührte Natur und die Ruhe in der Inselmitte ziehen immer mehr Menschen dem Trubel in der Inselhauptstadt oder den Touristenhochburgen vor.

Doch je mehr Menschen auf das Land ziehen, umso enger wird es in manchen Gegenden, vor allem wenn das Bedürfnis nach Ruhe und Natur auf die Tradition der Jagd trifft. "Wenn die Jäger um sechs Uhr morgens loslegen, stehst du senkrecht im Bett", sagt Eschwin von Krosigk aus Algaida. Der Deutsche hat durchaus Verständnis für Tradition, er stammt selbst aus der Eifel und ist mit der Jagd vertraut. Allerdings würde er es lieber sehen, dass die Schützen nicht gerade unmittelbar vor seiner Haustür ihrer Leidenschaft nachgingen.

Die Distanzen von Jäger zu bewohntem Gebiet in den sogenannten "Coto de Caza", den Jagdgebieten, sind klar im Jagdgesetz Artikel 21 geregelt. "Sie liegen bei 100 Metern zum Haus und 25 Metern zu öffentlichen Wegen oder Straßen", sagt Bartomeu Segui, beim Inselrat für die Jagd zuständig. Die richtige Distanz einzuhalten, sei allerdings nicht immer einfach. "Ob es 91 oder 110 Meter sind, ist in der Natur schwer abzuschätzen", sagt Segui.

Innerhalb dieser Schutzzone darf nicht nur nicht geschossen werden, auch mit einem geladenen Gewehr darf der Jäger sich darin nicht bewegen. Verstöße können teuer werden. Bis zu 20.000 Euro und der Entzug der Jagdlizenz drohen "Jagdsündern". Ein paar Mal pro Jahr würden solche Strafen verhängt, sagt Segui.

Für den obersten Jagdinspektor ist die Arbeit nicht immer ganz einfach. Vor allem mit Beginn der ersten Jagdperiode am 15. August nehmen die Beschwerden zu. Er versuche, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen den Interessen der Hausbesitzer auf dem Land und den traditionellen Jägern.

Marc Gayda ist beides, er jagt gelegentlich Hasen auf seinem Grundstück, vertreibt aber auch Jäger, die ungefragt seine Finca bei Porreres betreten. Wenn Tiere angeschossen werden und auf das Nachbargrundstück springen, muss er auch schon mal dorthin gehen. "Dann sichere ich vorher das Gewehr und frage dann bei den Nachbarn", sagt er. Mit seinem Grundstück gehört er zum Jagdgebiet der dortigen Jägervereinigung. Das ist überhaupt die Voraussetzung, dass er bei sich selber jagen darf. Jeder andere muss aber trotzdem anfragen, einen Automatismus gibt es nicht. Der deutsche Weingutbesitzer setzt auf den Gemeinsinn: "Die Leute sollen einfach fragen, dann gibt es auch keine Probleme." Er habe zumindest noch nie welche gehabt.

Hasen jagt Gayda keineswegs aus sportlichem Ehrgeiz. "Ich betrachte sie als Schädlinge, die sich in bestimmten Jahren unkontrolliert vermehren", sagt er. Dasselbe gelte auch für Ziegen, die sich teilweise unkontrolliert vermehren. "Die Tiere an der Spitze der Nahrungspyramide wie Wildkatze und Adler sind auf Mallorca ausgestorben. Die Tiere darunter haben keine natürlichen Feinde mehr, betreten immer mehr den Lebensraum des Menschen", sagt er. Hasen landen bei ihm im Kochtopf. "Ich schieße nicht für Trophäen." Dabei ist auch das auf Mallorca möglich. In Alcúdia können Trophäensammler für knapp 300 Euro den "Boc Balear", schießen. Für das Geweih des Ziegenbocks gibt es international Punkte.

Jäger Marc Gayda geht es manchmal nicht anders als den Ruhe suchenden Landbewohnern. "Wenn am Sonntag Vogeljagd ist, ballert es links und rechts von mir. Das muss ich aber akzeptieren", sagt er. Manchmal hagelt es auch auf das Auto bei strahlendem Sonnenschein. Das sind dann die Kügelchen.

90 Prozent der Fläche Mallorcas sei für die Jagd ausgeschrieben, insgesamt gibt es mehr als 2200 Jagdgebiete auf der Insel. "Auf das Land ziehen, aber keine Schüsse hören wollen ist absurd", sagt Segui. Teilweise seien die Jagdgebiete durch die Schutzzonen extrem klein geworden. Denn die 100 Meter Sicherheitsabstand gelten ab der letzten Bebauung eines bewohnten Hauses, auch der Swimmingpool zählt.

Dann gibt es das Wegerecht, das ursprünglich in der ländlichen Bevölkerung akzeptiert war, alleine weil es für Tierherden genutzt wurde. Der moderne Landbewohner hat oftmals andere Wünsche. "Wer nicht will, dass bei ihm gejagt wird, kann seine Finca einzäunen und ein Warnschild aufstellen. Dann wird kein Jäger sein Grundstück betreten", sagt Jaime Ripoll, Präsident des balearischen Jagdverbands. Jagdinspektor Segui ist kein Freund davon, die Fincas einzuzäunen und zu verriegeln. "Das ist ein Eingriff in die natürliche Struktur des Landes", sagt er. Ihn habe mal ein Mann angerufen, dass ihn die Schüsse störten, erzählt Jaime Ripoll. "Ich habe ihn gefragt, wo er denn wohnt, auf dem Borne in Palma? Wenn er auf dem Land lebt, muss er damit klarkommen."

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Schutzgebiet für Tiere: "Refugio de Fauna"

Eine andere Lösung für Besitzer, die keine Jäger auf dem Grundstück wollen, empfiehlt die Umweltschutzorganisation GOB. Man solle die Fläche als "Refugio de Fauna" deklarieren, dafür müsse man jedoch eine Fläche von zehn Hektar haben, sagt GOB-Sprecher Toni Muñoz. Es könnten sich jedoch mehrere Besitzer zusammenschließen. Nur muss die Fläche dann zusammenhängend sein und da reicht es schon, wenn einer der Nachbarn nicht mitspielt. Auch von Krosigks Finca ist nicht groß genug, um als Refugio de Fauna eingetragen zu werden.

Er will eigentlich auch nur ein friedliches Zusammenleben. Tatsächlich wurde aber nach einer Diskussion schon mal auf ihn angelegt. "Das war für einige Sekunden ein richtig unangenehmes Gefühl", sagt er. "Mit einer bewaffneten Person möchte man nicht so gerne diskutieren", sagt auch Muñoz. Ginge es nach dem GOB-Aktivisten, dürfte es auf dem Land deutlich weniger Jagdaktivität geben. Auf Mallorca gibt es 17.000 registrierte Jäger. "Das ist pro Hektar die dreifache Zahl wie im spanischen Durchschnitt", sagt er. Das sei aber auch eine wichtige Wählerschaft. "Die Jagdleidenschaft geht durch das gesamte Parteienspektrum", sagt auch von Krosigk. Es wird also auch künftig Arbeit für Bartomeu Segui geben.

INFO: Was derzeit gejagt wird

Hasen dürfen in der zweiten Jagdperiode vom 12. Oktober bis 27. Dezember Montag, Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag mit Falken gejagt werden, Donnerstag und Samstag mit Gewehr und Jagdhund oder Podenco Ibicenco

Feldhase 12. Oktober bis 27. Dezember mit Gewehr am Donnerstag und Samstag, mit Falken am Montag, Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag, mit Galgo-Hunden Donnerstag und Sonntag

Rebhühner mit Gewehr/Hund 12. Oktober bis 31. Januar am Donnerstag und Samstag, mit Falken vom 12. Oktober bis 1. Februar Montag, Mittwoch, Freitag, Samstag, Sonntag

Schnepfenvögel mit Gewehr/Hund vom 12. Oktober bis 31. Januar am Donnerstag und Samstag, mit Falken vom 12. Oktober bis 1. Februar am Montag, Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag.

Fasanenjagd: vom 12. Oktober bis 31. Januar am Donnerstag und Samstag mit Gewehr/Gewehr und Hund, mit Falken vom 12. Oktober bis 1. Februar am Montag, Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag.

Ringeltauben: 12. Oktober bis 31. Januar, Donnerstag und Samstag mit Gewehr, 12. Oktober bis 1. Februar Montag, Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag mit Falken

Lachtauben: 12. Oktober bis 31. Januar am Donnerstag und Samstag, mit Falken vom 12. Oktober bis 1. Februar am Montag, Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag

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