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Mallorca Magazin: Wie lange hat die Vorbereitung dieser Ausstellung gedauert?

Carme Riera: Eineinhalb Jahre. Wir haben zum Beispiel jedes Zitat überprüft. Deshalb der Titel "Ich, der Erzherzog", weil er uns bei gewissen Sätzen seine Stimme leiht.

MM: Pfiff der Erzherzog tatsächlich auf die höfische Etikette und umgab sich gerne mit dem einfachen Volk?

Riera: Er war sich sehr bewusst, eine kaiserliche Hoheit zu sein, und verschaffte dem auch Geltung. Gerade deshalb konnte er es sich auch leisten, sich unordentlich zu kleiden.

MM: Und wenn ihm jemand widersprach?

Riera: Ich kannte als Kind noch eine Tochter seines Sekretärs und dessen Frau Aina Ripoll. Und wie die Biografen erzählten auch sie, dass er es nicht duldete, wenn man ihm widersprach. Klar, wenn man von Gottes Gnaden eingesetzt ist, hat man recht!

MM: Die Leute mussten ihn also als Fürsten behandeln?

Riera: Natürlich. Selbst in Liebesbriefen, auch in denen von Catalina Homar, wird er immer mit "Herr" und "Hoheit" angeredet. Das heißt, dass es nie einen Umgang unter Gleichen gab, auch wenn er sie geliebt hat.

MM: Welche Bedeutung hatte Catalina Homar für ihn?

Riera: Nachdem, was er für sie tat, und dem Schmuck zufolge, den er ihr schenkte, bedeutete sie ihm viel. Es heißt, er hörte sie als junges Mädchen singen, als sie Salz zwischen den Felsen suchte. Das war nicht wirklich so. Sie war noch sehr jung, er war älter und lebenserfahren. Er erzog sie, lehrte sie Lesen und Schreiben, nahm sie nach Wien und ins Heilige Land mit. Vermutlich gefiel ihr der Erzherzog nicht nur, weil er eine kaiserliche Hoheit war: Wer dir die Welt zeigt, ist Gott. Dann beging sie den Fehler, sich in den Kapitän der Nixe zu verlieben, und der Erzherzog schickte sie von Venedig nach S'Estaca, wo sie starb, an Syphilis, Lepra, einer komplizierten Dermatitis oder was immer. Aus Briefen, in denen sie ihn bittet, zu ihr zurückzukommen, geht hervor, dass sie sehr, sehr traurig war.

MM: War der Erzherzog promisk und bisexuell, wie die einen behaupten, oder war er impotent, wie andere sagen?

Riera: Da scheiden sich die Geister. Die Biografie von Juan March Cencillo spricht von Promiskuität und seinen Neigungen zu Jünglingen und Frauen. Andere Biografen verneinen dies. Seine Briefe an Antonietta Lanzerotto sind offensichtlich Liebesbriefe, sogar mit etwas naiven Liebesgedichten. Nachdem, was ich gesehen habe, gefielen ihm Frauen von geringer Herkunft. Das lässt vermuten, dass er Schwierigkeiten beim Liebemachen gehabt haben könnte. Interessanterweise ist in Briefen aus jungen Jahren immer von Krankheiten die Rede. Ich frage mich, ob diese Gesundheitsprobleme nicht auch mit Impotenz zu tun hatten. Das würde erklären, warum er nie heiratete und keine Kinder hatte. Aber das sind Hypothesen.

MM: War der Kaiser verstimmt, als Kaiserin "Sisi" an Weihnachten 1892 ihren 55. Geburtstag mit ihrem Cousin "Luigi" feierte, anstatt mit ihrem Gemahl?

Riera: Das ist mir nicht bekannt. Es gab wohl mehr Ärger, als der Erzherzog nach dem Tod von Catalina Homar schrieb, dass sich beide Frauen begegnet waren und sich ohne Worte gut verstanden hatten. Am Hof kam es nicht gut an, eine, sagen wir etwas leichtlebige, Frau mit der Kaiserin zu vergleichen.

MM: Was suchte dieser Mensch im Mittelmeerraum?

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Riera: Gesundheit, Arbeit, Müßiggang. Das Meer interessierte ihn am meisten. Ich vermute, dass er außerdem Spion des Kaisers war. Die österreichisch-ungarische Monarchie hatte immer ein strategisches Interesse am Mittelmeer. Deshalb erwarb er seine Residenzen an ausgewählten Orten: Mallorca, Ramleh bei Alexandria, Zindis in Triest. Interessanterweise fanden wir drei Tage vor der Ausstellung einen Umschlag mit chiffrierten Briefen.

MM: Wie lange lebte der Erzherzog auf Mallorca?

Riera: Nicht lange. Zum Beispiel war er zwischen 1898 und 1908 überhaupt nicht auf Mallorca. Der Erzherzog ließ sich hier nicht dauerhaft nieder, sondern kam und ging. Seine Heimat war das Meer, dort fühlte er sich am wohlsten.

MM: Welche Bedeutung hatte Mallorca dann für ihn?

Riera: Er war davon besessen, auf Mallorca Ländereien zu vereinigen. Das begann mit dem Kauf von Miramar und endete mit dem Landerwerb in der Cala de Deià. Das alles nannte er Miramar, gemeint war also nicht nur die heutige Finca. Schloss Brandeis und Zindis hatten nicht diese Ausmaße. Mallorca war sein kleines Fürstentum, und sein Hof bestand zum Großteil aus einfachen Mallorquinern, nicht aus Kammerdienern und Aristokraten. Sollte er an dieser Krankheit gelitten haben, die ich vermute, konnte er sich dadurch mächtig fühlen. Er beherrschte und verführte diese Leute. Andererseits kümmerte er sich auch um sie und ihre Familien.

MM: Welche Bedeutung haben die "Die Balearen in Wort und Bild"?

Riera: Das einzige europaweit verbreitete Buch über die Inseln war bis dahin "Ein Winter auf Mallorca", bei dem wir nicht sehr gut wegkamen. Das Werk des Erzherzogs ist mehr als ein Reisebuch. Es ist eine Art Enzyklopädie und wurde in vielerlei Hinsicht nie übertroffen. In einer Zeit, in der einmal die Woche in Schiff kam, entdeckte er die Insel der Welt. Außerdem brachte er die Idee eines nachhaltigen Tourismus auf, damit sich das Leben der Menschen hier ändere. Einen zerstörerischen Tourismus hat er aber abgelehnt.

MM: Unduldsamer Herrscher, möglicher Spion und impotenter Liebhaber auf der einen Seite, gläubiger Katholik, hochgebildeter Forscher, Literat und Landschaftsschützer auf der anderen? Ist eine so widersprüchliche Person für Sie als Schriftstellerin nicht eine ideale Figur für einen Roman?

Riera: Ja, das denke ich ständig. Wegen der Ausstellung musste ich manchmal an mich halten, ihn nicht zu schreiben. Denn daraus würde mein Erzherzog hervorgehen, der sein Leben aus der Sicht des Verlusts hinterfragt. Dies wäre sehr melancholisch eingefärbt, und für die Ausstellung wollte ich eine objektivere Sicht.

MM: Welches persönliche Verhältnis haben Sie zu der Figur des Erzherzogs?

Riera: Meine Familie besitzt ein Haus zwischen Son Marroig und Sa Padrissa, das zum Landbesitz des Erzherzogs gehörte. Und mein Urgroßvater Eusebi Estada war als Chef-Ingenieur der Balearen Mitarbeiter des Erzherzogs. Man erzählt sich, dass der Erzherzog eines Tages vergeblich versuchte, bei meinem Urgroßvater vorzusprechen, weil er in Leuchttürmen, über die er gerade schrieb, übernachten wollte. Das Hausmädchen glaubte, er sei ein Seemann, und verwies ihn der Tür. Und weil es meinem Urgroßvater missfiel, dass meine Großmutter in einen Sohn des Malers Ricard Ankerman verliebt war, bot ihm der Erzherzog an, sie nach S'Estaca in die Obhut von Catalina Homar zu geben. Das gefiel ihm noch weniger.

MM: Es gab also Gerüchte?

Riera: Oh ja, in Palma gab es Gerüchte, dass die Dinge dort nicht so strikt gehandhabt würden, wie es sich gehörte. Aber schon damals war das Privatleben des Erzherzogs eine Sache und eine andere, was er für die Balearen getan hat.

Die Fragen stellte Martin Breuninger.

INFO zur Ausstellung
"Jo, el Arxiduc",
Dauer: bis SO, 14. Juni
Öffnungszeiten: DI bis SA 11 bis 14 Uhr und 15.30 bis 20.30 Uhr,
SO und Feiertage 11 bis 14.30 Uhr
Casal Solleric; Paseo del Borne 27, Palma

(aus MM 10/2015)