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Am Morgen des 11. Januar 1963 wurde die Stille in Palma jäh unterbrochen. Mit einem ohrenbetäubenden Getöse stürzte die Stadtmauer in das Bachbett des Sa Riera. Wo sich heute das Museum Es Baluard befindet, hatten zwei Sprengsätze das denkmalgeschützte Bauwerk illegal zu Schutt verwandelt.

Vor 50 Jahren hatten, so berichtet es die spanische Tageszeitung "Ultima Hora", Immobilienspekulanten den Versuch unternommen, die letzten Überbleibsel der ehemaligen Ringmauer, die einst das gesamte Stadtzentrum umschlossen hatte, zu beseitigen. Der neue Eigentümer hatte vor, in bevorzugter Lage Wohnungen zu errichten.

In Palma erhob sich jedoch ein Sturm der Empörung. Allen voran der damalige Direktor des Museu de Mallorca und oberster Hüter des Denkmalschutzes, Guillem Rosselló Bordoy, schaltete seine Vorgesetzten in Madrid ein.

Man wusste mittlerweile die letzten Stadtmauerreste zu schätzen. Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts waren die meisten Wehrmauern beseitigt worden. Das noch vorhandene ehemalige militärische Bollwerk oberhalb des Stadtviertels Puig de Sant Pere war zudem wegen seiner kulturhistorischen Bedeutung zwei, drei Jahrzehnte zuvor als schützenswert eingestuft worden.

Neben Rosselló zeigten sich auch viele Bürger aufgebracht, als nach und nach bekannt wurde, dass sich der Einsturz nicht aufgrund einer Schwachstelle im Mauerwerk ereignet hatte, sondern vorsätzlich durch eine Sprengung mit zwei sogenannten Kalkbomben unter Einsatz von Kalziumkarbonat herbeigeführt worden war.

Wie war es dazu gekommen? Das Militär, das lange Zeit Hausherr der Festungsanlage gewesen war, hatte sein Quartier bereits 1952 verlassen, um in die neuerrichtete Kasernensiedlung in Palmas Stadtviertel Son Busquets an der alten Landstraße nach Valldemossa zu ziehen.

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Die Festung an der Baluarte de Sant Pere, wie der Winkel der Stadtmauer am Paseo Marítimo und dem Sa-Faixina-Park genannt wurde, kam 1961 durch eine Versteigerung in den Besitz eines Privatmannes. Neben dem Bollwerk umfasste die Immobilie auch ein funktionales Militärgebäude jüngeren Datums. 

Dem neuen Eigentümer gelang es wiederum, von dem damaligen Zivilgouverneur der Franco-Regierung, Plácido Álvarez Buylla (1956-1969), eine Abrissgenehmigung zu erhalten, ungeachtet des Denkmalschutzes der Anlage.

Wie immer die Vergabe zustande gekommen war, sie war nicht rechtmäßig gewesen. Umso mehr konnte Denkmalschützer Rosselló in Madrid vorstellig werden. Er fand offenbar genügend Unterstützung im damaligen Ministerium für Kultur. Denn Madrid machte nicht nur Privatisierung der Festungsanlage rückgängig, sondern stellte auch weitgehende Mittel zur Verfügung, um die historische Stadtmauer wieder aufzubauen. 

Allerdings verzichtete die Zentralregierung darauf, die politischen Entscheidungsträger und Hintermänner der Sprengung zur Rechenschaft zu ziehen. Dass die Zerstörung sehr wohl einen spekulativen Hintergrund hatte, wurde laut "Ultima Hora" 1964 deutlich, als sich eine Immobilienfirma gründete, die das Gelände mit Wohnungen bebauen wollte.

Rosselló, der als renommierter Arabistik-Experte auch im Ruhestand aktiv ist, erinnert sich noch gut an seine Erlebnisse als damaliger Kulturgut-Bewahrer. "Ich bin glücklich, meinen Beitrag geleistet zu haben, die Stadtmauer zu retten."

Mit der Rückkehr der Festung in staatlichen Besitz gelangte die Baluarte de Sant Pere nach dem Ende der Franco-Diktatur 1977 an die Stadt Palma. Auf dem Gelände entstand vor einem Jahrzehnt das Musem für Moderne und Zeitgenössische Kunst Es Baluard. Wer es besucht, bestaunt oft auch die wuchtigen Wehranlagen oder genießt den Blick von den Schießscharten der ehemaligen Küstenbatterien auf den Hafen von Palma.