José Barceló "Campanillo" erinert sich an glorreiche Zeiten.

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"Früher gab es ab Ostern bis zum Herbst jeden Sonntag einen Stierkampf in Palma. Schauen Sie sich das jetzt an: Einer pro Jahr in Palma vor halb leeren Rängen", sagt José Barceló. Ein Foto auf einer mallorquinischen Zuchtfarm für Stiere lehnt er ab. "Da stehen vier Kühe herum! Entschuldigung, das bringt doch nichts!" Mit Mini-Stieren lässt er sich nicht ablichten. José Barceló hat nicht nur viel Temperament und Freude am schnellen Fahren, sondern auch seinen Stolz.

Unter seinem Künstlernamen "Campanilla" - Muro heißt unter den Dörflern Ca'n Campanilla - hat er Stiere mit einem Gewicht von bis zu 600 Kilogramm getötet. Derartige Tiere findet man auf der Insel nicht, die werden nur auf dem Festland gezüchtet.

Ein solches Prachtexemplar hatte den Mallorquiner bei einer corrida (Stierkampf) in Olot, Katalonien, mehrfach gegen die Bande der Arena gestoßen, im selben Moment, als er den Dolch zum Töten ansetzte. "Ich hörte, wie Knochen in meinem Körper brachen und wurde ohnmächtig. Ich dachte, ich hätte die Welt verlassen", sagt er. Einige Rippen waren gebrochen, eine davon hatte seine Lunge durchbohrt.

José Barceló "Campanillo", hier mit seinem "Capote", dem Mantel, erinert sich an glorreiche Zeiten.

Doch er kam zurück. Zwei Jahre später feierte Campanilla seinen größten Triumph. Im Oktober 1993 zum hundertsten Geburtstag der Tageszeitung "Ultima Hora", kämpfte er im Coliseo Balear von Palma neben Stars wie Dámaso González und El Soro vor 10.000 Zuschauern. "Das letzte Mal, dass die Arena bei einem Stierkampf ausverkauft war", sagt er. Im Fernsehen wurde das Spektakel live übertragen.

Für den Bauernsohn aus Muro war das mehr, als ihm viele zugetraut hätten. Seit er vier war, wollte er Torero werden. Diesen Traum muss man sich jedoch leisten können. Die Welt des Stieres sei eine schwierige Welt, in der man viel Geld für Training ausgeben muss, sagt Barceló. "Training" heißt: Stiere töten, aber ohne Publikum, und die Angst zu besiegen. "In der Arena darfst du nicht daran denken, was du verlieren könntest", sagt er.

José Barceló "Campanillo" erinert sich an glorreiche Zeiten.

Der Junge aus Muro schaffte es jedoch mit 28 Jahren, in seinem Heimatort die Alternativa zu bekommen, die Taufe für den angehenden Torero, den Novillero, zum richtigen Stierkämpfer, der mit ausgewachsenen Bullen kämpfen darf.

Dann wurde es noch einmal teuer, denn hat man es einmal geschafft, Matador zu werden, braucht man als Torero Bedienstete, die einem in die Uniform helfen und die Schwerter tragen, die Mozos de Espada (Schwertträger). Barceló hat seine Erinnerungen im Keller seines Hauses in Can Pastilla verpackt, der Kopf eines getöteten Stieres hängt in der Werkstatt seiner gepachteten Kartbahn.

Die meisten Stierkämpfer können von den Einnahmen durch Corridas nicht leben, auf manchen Veranstaltungen müssen die Toreros die Differenz zahlen, wenn die Kosten durch die Zuschauereinnahmen nicht gedeckt sind. Mallorca ist zudem kein Stierkampfmekka, Sponsoren gibt es auf der Insel nicht. "Außer mir gab es in der Geschichte der Insel zwei, drei Kämpfer, nicht mehr", sagt Barceló.

Nach dem Kampf in Palma sollte er beim Fernsehsender Antena 3 einen Vertrag unterzeichnen. "Ich war kurz davor, auf den Zug aufzuspringen", sagt er. Doch ein Jahr später entschied man, die sonntäglichen Corridas nicht mehr live zu übertragen. Der Traum von der großen Karriere war für José Barceló "Campanilla" ausgeträumt. 1995 tötete er noch einmal sechs Stiere an einem Nachmittag, danach trat er zurück. "Das ist zwar bitter, aber vielleicht war es auch mein Glück. Vielleicht würde ich nicht mehr leben."

An seinem Körper haben die Stiere Spuren hinterlassen. "Mein Meniskus war kaputt von den vielen Stößen der Tiere", sagt er. Das sei einige der häufigsten Verletzungen, abgesehen von den Stichverletzungen durch die Hörner. Rund 500 Stiere hat er in seiner Karriere getötet, aber davon leben konnte er nie. Sein Geld hat er mit der Reparatur von Brunnen, Obst- und Gemüsetransporten und mit einer Kart-Bahn verdient.

2006 hatte er noch einmal einen Auftritt in Inca, aber nicht mehr als Matador. Er vollführte den Salto de Carrocha , bei dem er wie ein Stabhochspringer über das Tier hüpft.

Die Zeiten haben sich geändert. "Das Verbot in Katalonien, das ist ein Angriff auf die spanische Kultur", sagt er aufgebracht. Die Tierschützer verstehe er nicht. Ein Stier leide nicht, er wolle kämpfen. Und wenn er in die Arena kommt, hat er fünf Jahre auf der Weide verbracht und nur bestes Futter bekommen. "Ohne Corrida gibt es keine Kampfstiere", sagt er.