Konzertkritik: Klassizistisches und Aufbruch in eine neue Zeit

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Eine explosive Aufführung von Mahlers 1.Sinfonie, eine klangschöne Wiedergabe von Gabriel Faurés Pavane op.50 und eine virtuos-eloquente Interpretation des Konzerts für Viola und Orchester von Joseph Schubert, einem weitgehend in Vergessenheit geratenen Mozart-Zeitgenossen, begeisterte gestern Abend im Auditorium das Publikum.

Die innovative Kraft von Mahlers sinfonischem Erstling wird deutlich, wenn man bedenkt, dass erste Kompositionsskizzen in das gleiche Jahr fielen, in dem Brahms seine Vierte komponierte, ein klassisch gebändigtes Werk mit einer vergleichsweise schlichten Instrumentierung. Die Reaktion des Publikums bei der Uraufführung 1889 in Budapest unter der Leitung des Komponisten war denn auch gemischt bis negativ. Später setzten sich dann Hans von Bülow und Richard Strauss für die Sinfonie ein. Man wäre gern dabei gewesen, wenn Strauss, der ja der Meinung war, die linke Hand gehöre beim Dirigieren in die Westentasche, die ungeheuren Klangmassen, die sich eigentlich nur mit Ganzkörpereinsatz mobilisieren lassen, in Bewegung setzte… Noch in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts hatte Leonard Bernstein Schwierigkeiten, das Werk den Wiener Philharmonikern schmackhaft zu machen. „Scheiß-Musik« sollen sie hinter vorgehaltener Hand bei der ersten Probe gezischt haben. Dieses Problem dürfte Pablo Mielgo mit seinem Orchester, das gestern Abend durch die jungen Musikerinnen und Musiker der Académia Simfònica verstärkt wurde, nicht gehabt haben. Denen merkte man die Spielfreude an, mit der sie der Partitur wie einem großen, spannenden Roman folgten (Theodor W. Adorno hatte einst diese Lesart vorgeschlagen) und lustvoll auch die Trivialitäten auskosteten, die in Mahlers Musik – natürlich formal gebändigt und durch eine raffinierte Orchestrierung veredelt – immer wieder durchschimmern. Mahler hatte in seiner Kindheit ein Faible für Militärmusik, wie sie in Iglau, wo er aufwuchs, zu hören war. In dem wilden musikalischen Durcheinander eines Volksfestes sah er eine „großartige Polyphonie«, die sich mit den Klängen der Natur zu einer Sinfonie des Gegenwärtigen verband. Und so will eben auch die Erste als eine grandiose Spiegelung des Lebens verstanden werden, als ein musikalischer Kosmos voller wilder Gegensätze, geschrieben mit dem heißen Blut eines jungen Revolutionärs. Mielgo dirigierte mit mitreißendem Elan und brachte das Auditorium zum Kochen. –

Zuvor hatte die junge Bratschistin Sara Ferránzez ihr enormes virtuoses Können eingesetzt, um das selten gespielte Konzert von Joseph Schubert, nicht verwandt oder verschwägert mit dem berühmteren Namensvetter Franz, zum Klingen zu bringen. Die drei Sätze sind klassisch gebaut, manche Melodien könnten von Mozart sein. Das Finale, ein pfiffiges Rondo, hat Ohrwurmqualitäten und entließ das Publikum gut gelaunt in die Pause. – Alles in allem war es ein Abend, der eine aufregende Mischung aus graziöser Melodienseligkeit und aufwühlender Ekstase bot. Das Publikum dankte mit frenetischem Applaus.

Das nächste Abokonzert am kommenden Donnerstag, 27.03., wird von der Dirigentin Nil Venditti geleitet. Neben dem Hauptwerk, der 4.Sinfonie von Carl Nielsen, stehen die „Fantasia sobre L’Atlàntida« (als Uraufführung) von M.Pons und das Flötenkonzert von Jacques Ibert mit dem Solisten Rafael Adobas auf dem Programm. Karten wie ümmer auf der Website des Auditoriums.