Ende Oktober kam in Deutschland ein Film in die Kinos, bei dem sich alles um genau dieses Thema dreht. Der Protagonist, im Film Heinz Hellmich, wird begleitet bei all den Herausforderungen, denen Männer seiner Art heutzutage begegnen können. Mal nachdenklich, oft satirisch und nie ohne ein Augenzwinkern zeigt der Film Situationen, in denen sich vermutlich der eine oder andere Mann wiedererkennen wird. Heinz sieht sich damit konfrontiert, ein Diner zu geben, um seinem Chef und dem Diversitäts-Beauftragten zu zeigen, wie alt und weiß er wirklich ist. Also muss er sich von seiner wokesten Seite zeigen, falls dieses Wort überhaupt Sinn ergibt. Es werden all die Klischees bedient, die man erwarten kann und die leider oftmals gar nicht so weit hergeholt sind. Spätestens als Heinz‘ Vater beim Diner fragt, woher denn die ebenfalls eingeladene Kollegin mit den schwarzen, gekrausten Haaren kommt und auf die Antwort „Düsseldorf» weiter genervt, pardon, gefragt wird: „Nein, ich meine ,wirklich’?» sind wir mitten im Thema, und zwar ganz real. Alltagsrassismus scheint zum normalen Umgangston vieler Männer (und Frauen!) über 50 zu gehören.
Grund genug, das Thema auch einmal aus psychologischer Sicht zu beleuchten. Also schreibe ich heute über einen anderen, fiktiven alten weißen Mann – nennen wir ihn Paul – der mit Mitte fünfzig dachte, er hätte die Welt durchschaut. Er hatte seine Witze, seine Sprüche, seinen Platz am Stammtisch und seine festen Überzeugungen. Doch dann kam die neue Zeit. Eine Zeit, in der Frauen nicht mehr nur zuhören wollten, sondern selbst das Sagen hatten. Eine Zeit, in der die Regeln für Gespräche, Humor und Macht sich verändert haben. Und Paul? Paul verstand die Welt nicht mehr.
Plötzlich durfte er nicht mehr jeden Witz reißen, der ihm in den Sinn kam, ohne schiefe Blicke zu kassieren. Frauen, die er für „emanzipiert» hielt, sprachen von „Wokeness» und „Gendern», und er fragte sich: „Heißt es jetzt auch ,Bürger*innenmeister’? Dabei kann Gendern so wichtig sein. Schließlich macht es einen großen Unterschied, ob man(n) von der Leiter fällt – oder von der Leiterin ...» Paul fühlte sich ertappt und ein wenig ausgeliefert. Nicht, dass er ein schlechter Mensch war, aber er spürte: Die neue Zeit stellt Anforderungen, die nicht so einfach zu bewältigen sind.
Warum eigentlich tun sich manche Männer so schwer damit, sich anzupassen? Es gibt gute Gründe, warum Männer wie Paul mit diesen Veränderungen kämpfen. Psychologisch gesehen haben sie ihr Selbstbild über Jahrzehnte aus bestimmten Rollenmustern geformt: Der Versorger, der Entscheider, der Mann mit dem letzten Wort. Diese Muster sind tief verankert, und ihre Veränderung fühlt sich für viele wie ein Verlust an – an Kontrolle, an Identität, an Sicherheit.
Doch das ist nur die eine Seite. Die andere Seite ist, dass Paul – wie viele seiner Altersgenossen – nie wirklich gelernt hat, flexibel auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren. Wo Frauen sich oft schon früh mit Anpassung und Weiterentwicklung auseinandersetzen mussten, konnten Männer lange Zeit in ihren festen Bahnen bleiben. Und jetzt? Jetzt ist Umdenken gefragt.
Anpassung oder Jungmachen? Nun könnte Paul natürlich versuchen, auf „jung« zu machen. Sich plötzlich ein Instagram-Profil zulegen, Yoga machen, Kaffee nur noch mit Hafermilch trinken und Avocado-Toast essen. Doch mal ehrlich: Die wenigsten werden ihm das abkaufen. Ein authentisches Lächeln auf einem Selfie kann man nicht erzwingen, und mit einem TikTok-Tanz gewinnt man keine Glaubwürdigkeit zurück.
Die bessere Strategie wäre, sich der Veränderung mit einem offenen Geist zu nähern. Offenheit ist der Schlüssel, um flexibel und lernfähig zu bleiben. Es geht nicht darum, jede neue Mode mitzumachen, sondern zuzuhören, zu hinterfragen und die eigene Haltung anzupassen.
Hier also fünf Tipps für den modernen weißen Mann über 50:
Lernen statt Belehren
Anstatt auf jedem Thema zu beharren, könnte Paul versuchen, zuzuhören. Wie wäre es, wenn er eine Diskussion über Gendern oder Wokeness nicht gleich mit einem Augenrollen abtut, sondern aufrichtig fragt: „Warum ist dir das wichtig?»
Humor mit Feingefühl
Alte Witze sind oft wie alte Schuhe – sie haben ausgedient. Aber Humor muss nicht verschwinden. Ein bisschen Selbstironie, gepaart mit Respekt für andere, macht Paul sofort sympathischer.
Empathie üben
Paul könnte sich fragen: Wie fühlt sich die Welt für andere an? Für Frauen, für Menschen aus anderen Kulturen? Diese Perspektivwechsel öffnen nicht nur den Geist, sondern machen Paul auch zu einem besseren Gesprächspartner.
Nicht alles kommentieren
Nicht jeder Trend, nicht jede Debatte braucht Pauls Meinung. Manchmal ist Schweigen der intelligentere Weg, als auf Teufel komm raus zu erklären, warum man „das früher ganz anders gemacht hat».
Authentisch bleiben
Anpassung bedeutet nicht, sich zu verbiegen. Paul kann weiterhin er selbst sein, solange er bereit ist, zu reflektieren und gegebenenfalls zu wachsen.
Und wenn das alles nicht hilft? Nun, dann könnte Paul einfach zugeben, dass er die Welt nicht immer versteht. Ein „Ihr jungen Leute habt da wohl eure eigenen Ideen» ist oft charmanter, als stur an alten Vorstellungen festzuhalten. Es zeigt, dass Paul vielleicht nicht alles mitmacht, aber bereit ist, den Wandel zu akzeptieren.
Und das Beste: Niemand erwartet Perfektion. Die Welt braucht keine makellosen Männer, sondern solche, die bereit sind, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Vielleicht entdeckt Paul ja sogar, dass die neue Zeit ihm mehr Freiheit gibt, als er dachte. Freiheit, sich zu verändern, neue Seiten an sich zu entdecken und alte Gewohnheiten hinter sich zu lassen. In diesem Sinne.
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