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Der befreiende Prozess des Death Cleanings

Die meisten Menschen, die nach Spanien (oder woandershin) ausgewandert sind, haben es schon getan. Sie haben das, was nicht unbedingt notwendig schien für das neue Leben im neuen Land aussortiert, ausgemistet, losgelassen, weggegeben, verschenkt oder im schlimmsten Fall eingelagert. Leider hält uns aber das Auswandern nicht davon ab, im neuen Zuhause wieder Dinge, Kleidung, Erinnerungsstücke anzuhäufen und mit der Zeit wird es abermals eng in den Schränken. Zeit also, um erneut Ordnung zu schaffen.

Ich kann mich im Wesentlichen ganz gut von Dingen trennen, aber es gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Die Tatsache, dass ich in dem Haus, in dem ich auf der Insel lebe, keinen Keller zur Verfügung habe, hat wesentlich dazu beigetragen, dass ich einfach regelmäßig überprüfen muss, was noch wichtig ist (oder zu sein scheint) und was nicht.

Neben Platzmangel gibt es viele weitere Gründe, aufzuräumen – einige tun es, weil Besuch kommt, andere, weil sie das Chaos nicht mehr ertragen. Und nach „Simplify your life« und dem Aufräumratgeber von Marie Kondo kommt jetzt eine besondere Art des Aufräumens, die bei uns bisher nicht sehr bekannt ist: das schwedische „Death Cleaning« oder auch Döstädning. Es klingt vielleicht düster, aber keine Sorge – das ist es nicht. Es ist eine befreiende Methode, sich von unnötigem Ballast zu lösen, bevor das Leben es für uns tut. Und nein, Sie müssen nicht warten, bis Ihnen die 80 ins Gesicht lacht.

Margareta Magnusson, die schwedische Autorin, die dieses Konzept bekannt gemacht hat, beschreibt Death Cleaning in ihrem Buch „Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen« als ein Aufräum-Ritual, das man beginnt, um sowohl äußere Ordnung als auch innere Klarheit zu schaffen. Es geht nicht nur darum, alte Möbel oder Sammlungen auszusortieren – sondern das eigene Leben zu reflektieren und bewusst Platz für neue Freiheiten zu schaffen.

Warum Death Cleaning? Der Name mag abschreckend klingen, aber es steckt eine tiefe Weisheit dahinter. Haben Sie sich jemals gefragt, wer Ihre 42 Kisten voller Winterjacken, Schals und dicker Pullover oder die Sammlung verstaubter CDs eines Tages durchforsten muss? Genau darum geht es – Death Cleaning ist nicht nur ein Gefallen an sich selbst, sondern auch an die, die uns eines Tages vermissen werden.

Dabei hat der Prozess nichts mit Trauer oder Tod zu tun, im Gegenteil: Er ist eine Feier des Lebens und der bewussten Auseinandersetzung mit dem, was wirklich zählt. Und das Beste daran: Dieser Prozess kann leichtfüßig sein, vielleicht sogar ein wenig amüsant.

Viele Gegenstände, die uns umgeben, sind Platzhalter für Erinnerungen. Der alte Siegespokal aus den 80ern, der sportliche Höchstleistungen ins Gedächtnis ruft, die verstaubte Bierkrugsammlung (war die nicht auch schon geerbt?), die Kiste mit den vergilbten Liebesbriefen aus längst vergangenen Zeiten – sie alle tragen Geschichten in sich, doch machen sie uns noch glücklich? Oder blockieren sie vielleicht den Raum, den wir für neue Erlebnisse schaffen könnten?

Magnusson rät dazu, aufzuräumen, „damit niemand nach Ihrem Tod durch Ihre intimsten Geheimnisse stöbern muss.« Das könnte auch bedeuten, das Aufbewahren alter Tagebücher, in denen jugendliche Schwärmereien festgehalten sind, sorgsam zu überdenken. Death Cleaning ist eine Gelegenheit, bewusst zu entscheiden, was bleibt und was geht.

Das bedeutet nicht, alles wegzuwerfen. Es ist ein Prozess der Auswahl. Welche Gegenstände haben wirklich noch Bedeutung? Welche Geschichten wollen Sie vielleicht sogar weitergeben? Oft fällt es schwer, sich von Dingen zu trennen, die emotional aufgeladen sind, wie das alte Teeservice der Großmutter. Doch wenn es seit Jahren ungenutzt bleibt, könnte es in einem anderen Zuhause vielleicht zu neuem Leben erwachen und andere Menschen erfreuen.

Es geht darum, das eigene Vermächtnis bewusst zu gestalten und die Last materieller Dinge zu reduzieren, um Freiraum zu schaffen – im Zuhause und im Geist. Auch emotional ist dieser Prozess eine Bereicherung. Das Sortieren und Loslassen alter Besitztümer befreit nicht nur den Schrank, sondern auch die Seele. Es entsteht eine Leichtigkeit, die Sie mit jeder Entscheidung spüren können: Was trage ich noch mit mir? Was kann ich loslassen?

Dieser Schritt des Loslassens ist tief psychologisch. Sich von Objekten zu trennen, die an frühere Versionen unseres Selbst erinnern, ist auch eine Möglichkeit, sich von emotionalem Ballast zu lösen. Es ist eine Art innerer Frühjahrsputz, der uns dabei helfen kann, klarer und freier zu leben.

Stellen Sie sich vor, am Ende dieses Prozesses umgeben Sie nur noch Dinge, die Ihnen wirklich Freude bereiten. Ihr Zuhause wird leichter, Ihr Kopf klarer, und Sie haben mehr Raum für das, was Sie wirklich lieben. Dinge, die Sie nicht mehr brauchen, können verschenkt oder gespendet werden, und so tragen Sie nicht nur zu Ihrem eigenen Wohlbefinden bei, sondern auch zum Glück anderer.

Death Cleaning ist mehr als nur eine Aufräumtechnik. Es ist eine Gelegenheit, sich zu befreien – sowohl materiell als auch emotional – und das eigene Leben bewusster zu gestalten. Es gibt keinen festgelegten Zeitpunkt, um damit zu beginnen, aber je früher Sie es tun, desto mehr Raum schaffen Sie für das Hier und Jetzt. Es ist ein Geschenk an sich selbst und an diejenigen, die eines Tages das eigene Erbe in Händen halten.

Ich für meinen Teil habe nach der Recherche zu dieser Kolumne einen ganz neuen Blick gewonnen auf das „Entrümpeln« und bin fleißig dabei, weiter Platz zu schaffen für etwas Neues. Möglicherweise lasse ich auch den neugewonnenen Platz in Haus und Geist einfach mal frei. Schließlich muss man ja auch nicht immer alles vollstellen, weder innen noch außen. Vielleicht haben Sie jetzt auch Lust bekommen und beginnen schon heute, einen Blick auf die Dinge um Sie herum zu werfen. Wer weiß, vielleicht entdecken Sie dabei nicht nur vergessene Schätze, sondern auch eine neue Leichtigkeit im Leben. In diesem Sinne.