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Sollte unser Körper zur Kleidung passen oder die Kleidung zu unserem Körper?

Heute widme ich mich einem Thema, das auf den ersten Blick vielleicht banal erscheint, aber in seiner Tiefe weit mehr offenbart: Der Bauch einer Frau – und die Frage, wie sich Kleidung und Körper zueinander verhalten. Dies ist nicht nur ein Ausdruck des Stils, sondern auch eine psychologische Reflexion, die weit in unser Selbstbild und die gesellschaftlichen Erwartungen hineinreicht.

Der Bauch einer Frau ist erheblich mehr als nur eine Körperpartie. Er ist Symbol für Weiblichkeit, für Leben und Fruchtbarkeit. In vielen Kulturen wurde und wird der weibliche Bauch verehrt, weil er das Potenzial in sich trägt, neues Leben zu erschaffen. Doch in unserer modernen westlichen Gesellschaft scheint der Bauch oft zum Problemfall geworden zu sein – zu rund, zu weich, zu groß. Das Ideal vom flachen, straffen Bauch beherrscht die Modewelt und damit auch unser eigenes Körperbild. „Schlank ist schön», hören wir in jeder Werbung, bei jedem Instagram-Post. Dabei haben viele von uns diesen einen „Feind»: den (kleinen) Bauchansatz, der sich unter dem T-Shirt abzeichnet.

Doch warum wird etwas, das so wichtig ist für unser Überleben, so sehr verteufelt? Könnte es daran liegen, dass wir uns ständig einer falschen Norm anpassen wollen? Einer Norm, die uns diktiert, wie wir auszusehen haben, statt uns zu erlauben, uns in unserem natürlichen Körper wohlzufühlen?

Kleidung war einst dazu da, uns zu schützen und zu schmücken. Sie ist ein Ausdruck von Individualität, von Persönlichkeit und auch von kultureller Zugehörigkeit. Heute hat sie eine neue Funktion übernommen: Sie formt uns. Sie diktiert, wie wir zu sein haben. Hochgeschnittene Jeans, die den Bauch kaschieren sollen, Shapewear, die die Figur „optimiert» – all das zielt darauf ab, den Körper zu formen, anstatt ihn zu feiern.

Und hier stellt sich die Frage: Wer passt sich wem an? Soll unser Körper wirklich der Kleidung entsprechen, oder sollte die Kleidung nicht viel eher unseren Körper ehren und betonen, was einzigartig und wunderschön an uns ist?

Ein berühmtes Zitat aus der Modewelt lautet: „Mode sollte ein Statement sein, keine Verkleidung.» Und doch fühlen sich viele Frauen in ihrer Kleidung nicht frei, sondern gefangen. Sie zwängen sich in enge Röcke, die sitzen müssen, in Oberteile, die den Bauch kaschieren, in Schuhe, die alles andere als bequem sind.

Das Ergebnis? Ein stetiger innerer Kampf, sich selbst zu akzeptieren und gleichzeitig einem Ideal gerecht zu werden. Dies führt nicht selten zu einem negativen Selbstbild. „Ich bin nicht gut genug», ist ein Gedanke, der viele Frauen begleitet – und das alles wegen eines kleinen Bauchs, der angeblich nicht in die Mode passt.

Dieser Druck, unseren Körper an die Kleidung anzupassen, hat tiefgreifende psychologische Auswirkungen. Frauen beginnen, ihren Bauch als „Makel» zu betrachten, den es zu verstecken gilt. Der Gedanke, dass man nur schön ist, wenn der Bauch flach ist, hat seinen Weg tief in unser kollektives Unterbewusstsein gefunden. Hier kommt ein zentraler psychologischer Mechanismus ins Spiel: der sogenannte „soziale Vergleich». Wir vergleichen uns ständig mit anderen – ob bewusst oder unbewusst. Und dieser Vergleich führt oft dazu, dass wir uns minderwertig fühlen.

Der Bauch wird hier zu einem Symbol für all das, was an uns nicht „perfekt» ist. Aber Perfektion ist eine Illusion. Kein Körper ist perfekt, und das ist auch gut so. Es ist unsere Individualität, die uns schön macht – die Rundungen, die wir haben, die Ecken und Kanten, die uns auszeichnen. Die Kleidung, die wir tragen, sollte diese Individualität unterstützen und nicht unterdrücken. Doch wie oft stehen wir vor dem Spiegel und fragen uns: „Passt das wirklich zu meinem Körper?» Anstatt zu fragen: „Fühle ich mich wohl in meiner Haut?»

Es gibt einen weiteren Aspekt, den wir nicht außer Acht lassen sollten: Der Bauch ist nicht nur ein physisches Zentrum des Körpers, sondern auch ein emotionales. „Bauchgefühl» ist ein Ausdruck, den wir alle kennen. Er beschreibt jene intuitive Stimme, die uns oft besser leitet als unser Kopf (siehe MM 39/2024). Doch was passiert, wenn wir unseren Bauch immer nur als etwas betrachten, das nicht den „richtigen» Maßen entspricht? Unsere Beziehung zu unserem Bauch ist also weit mehr als nur eine Frage der Ästhetik. Es ist eine Beziehung zu unserem innersten Selbst, zu unseren Gefühlen und unserer Intuition. Wenn wir uns ständig bemühen, diesen Teil unseres Körpers zu verstecken oder zu verändern, können wir den Kontakt zu uns selbst und zu diesem inneren Kompass, der uns so oft die richtigen Entscheidungen treffen lässt, verlieren.

Wie können wir also diesen Druck loslassen und zu einem gesunden, positiven Körperbild finden? Ein erster Schritt ist die Bewusstmachung dessen, was uns geprägt hat. Die Modeindustrie, die Werbung und die sozialen Medien setzen uns einem ständigen Vergleich aus, der uns glauben lässt, wir müssten anders aussehen, um schön zu sein.

Ein weiteres wichtiges Element ist Selbstfürsorge. Das bedeutet, uns selbst die Zeit und den Raum zu geben, unseren Körper so anzunehmen, wie er ist – mit all seinen kleinen „Unvollkommenheiten». Dies kann durch Achtsamkeitsübungen, Meditation oder auch einfach durch das bewusste Tragen von Kleidung geschehen, in der wir uns wohlfühlen. Kleidung, die uns erlaubt, wir selbst zu sein, ohne uns einzuengen oder zu formen.

Letztendlich sollten wir die Freiheit haben, uns für Kleidung zu entscheiden, die zu uns passt – nicht umgekehrt. Unser Körper muss sich nicht an die Mode anpassen, sondern die Mode sollte uns die Möglichkeit geben, unseren Körper zu zelebrieren. Der Bauch einer Frau ist nicht etwas, das versteckt werden muss, sondern ein Ausdruck von Leben, von Weiblichkeit, von Schönheit. Es ist an der Zeit, dass wir aufhören, uns in Formen zwängen zu lassen, die uns nicht gerecht werden.

In diesem Sinne, lade ich Sie ein, das nächste Mal, wenn Sie vor dem Kleiderschrank stehen, nicht zu fragen: „Passt mein Körper in diese Kleidung?», sondern: „Passt diese Kleidung zu mir?» Denn wir sind mehr als nur unser Aussehen – wir sind einzigartig, und das sollten wir auch in unserer Kleidung zeigen.