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Angst, etwas zu verpassen: So verhindern Sie die ständige Angst, etwas zu versäumen

Wenn ich so darüber nachdenke, hat sich mein Leben in den vergangenen zwölf Jahren deutlich verändert. Damals hatte ich gewissermaßen meinen Widerstand aufgegeben und mir das erste Smartphone angeschafft. Lange konnte ich mit einem "normalen" Mobiltelefon, einem Kalender aus Papier, einem Fotoapparat und meinem PC die Dinge erledigen, die so anfielen. Ich fand es nicht notwendig, auf alle Informationen immer und überall zugreifen zu können. Noch weniger wäre es mir in den Sinn gekommen, ständig alle möglichen privaten Informationen mit anderen auszutauschen oder digital an deren Leben teilzunehmen.

Heute gibt es Tage, da greife ich fast mechanisch zum Handy, noch bevor ich die Augen richtig geöffnet habe. Vielleicht kennen Sie das auch: Die Welt da draußen wartet, die Nachrichten stapeln sich, und man könnte ja etwas verpassen. Dieses Gefühl, das so viele von uns antreibt, hat mittlerweile einen Namen: FOMO, Fear of Missing Out. Die Angst, etwas zu verpassen – sie begleitet uns überall hin. Sie kriecht in jede freie Minute, lenkt uns von der Gegenwart ab und führt uns in einen Strudel aus Vergleichen, Bedürfnissen und scheinbarer Unzufriedenheit.

Wenn ich mit meinen Klienten über das Thema spreche, höre ich oft Sätze wie: "Alle scheinen so glücklich zu sein, nur ich fühle mich gestresst." Die sozialen Medien, die uns versprechen, uns miteinander zu verbinden, haben uns paradoxerweise oft weiter voneinander entfernt. Jede Nachricht, jedes Bild, das wir auf Instagram oder Facebook sehen, kann uns das Gefühl geben, dass wir im Vergleich zu anderen weniger erreichen, weniger erleben, weniger genießen.

Doch was passiert eigentlich psychologisch, wenn wir in diese Spirale geraten? Ein permanenter Vergleich mit anderen löst einen ständigen Alarmzustand in unserem Gehirn aus. Wir sind darauf programmiert, nach Gefahren Ausschau zu halten, aber auch nach sozialen Belohnungen. Wenn wir also sehen, dass jemand anderes etwas erlebt, das wir gerade nicht haben – eine Reise, ein besonderes Abendessen, eine Freundesrunde – dann interpretiert unser Gehirn dies als Verlust. Dieser Verlust wird als Bedrohung wahrgenommen, auch wenn er, rational betrachtet, gar nicht existiert.

Das führt zu emotionalem und physiologischem Stress. Unser Körper schüttet Stresshormon aus. Das Herz rast, die Atmung beschleunigt sich, wir sind auf Habachtstellung – aber gegen was eigentlich? Diese unsichtbare Bedrohung ist eine der größten Herausforderungen unserer modernen Zeit. Denn obwohl wir wissen, dass es keinen realen Grund für unsere Sorgen gibt, können wir uns dem Gefühl oft nicht entziehen.

Das Smartphone, das einst als Werkzeug zur Erleichterung unseres Lebens gedacht war, wird dabei zu einem ständigen Begleiter, der uns unbewusst in die FOMO-Falle treibt. Jedes Mal, wenn wir eine Benachrichtigung sehen, wird unser Gehirn mit einem kleinen Dopaminschub belohnt. Diese kleinen Belohnungen führen dazu, dass wir immer wieder zum Handy greifen, ohne es wirklich zu wollen.

In meiner Praxis auf Mallorca sehe ich sehr häufig Menschen, die von dieser ständigen Erreichbarkeit überwältigt sind. Sie berichten von Schlafproblemen, von ständiger Gereiztheit und von dem Gefühl, nie wirklich abschalten zu können. Eine der ersten Empfehlungen, die ich in solchen Fällen gebe, ist simpel, aber effektiv: Schaffen Sie sich Zeiten, in denen das Handy bewusst zur Seite gelegt wird. Diese "digitalen Detox-Zeiten" können unglaublich befreiend sein.

Ich erinnere mich noch gut an einen Klienten, der mir nach einem Wochenende ohne Handy berichtete, dass er sich das erste Mal seit Jahren wieder wirklich erholt fühlte. "Ich konnte mich wieder spüren", sagte er. Das mag vielleicht banal klingen, aber in einer Welt, in der wir ständig mit der Außenwelt verbunden sind, verlieren wir oft die Verbindung zu uns selbst.

Auch ich habe gelernt, mir diese Pausen bewusst zu gönnen. Es gibt Tage, da lasse ich das Handy einfach zu Hause, wenn ich einen Spaziergang mache. Anfangs war es ungewohnt, fast unheimlich, aber mittlerweile genieße ich diese Momente der Ruhe. Es ist, als ob ich wieder eine direkte Verbindung zur Welt um mich herum aufbaue, ohne den zwischengeschalteten Filter eines Bildschirms.

Eine weitere wichtige Säule im Umgang mit FOMO ist der Fokus auf echte soziale Begegnungen. In einer Zeit, in der virtuelle Interaktionen oft die Norm sind, vergessen wir, wie nährend echte Gespräche und gemeinsame Erlebnisse sein können. Es ist etwas Besonderes, mit jemandem bei einem Kaffee zu sitzen, ohne dabei ständig auf das Handy zu schauen. Diese Momente helfen uns, uns zu erden und erinnern uns daran, dass das Leben im Hier und Jetzt stattfindet, nicht auf einem Bildschirm.

Es geht dabei nicht darum, die Technologie zu verteufeln – sie hat zweifellos ihren Platz in unserem Leben. Es geht darum, die Kontrolle zurückzugewinnen. Nicht das Handy sollte unser Leben bestimmen, sondern wir selbst sollten entscheiden, wann und wie wir es nutzen.

Wenn ich an meine eigenen Erfahrungen mit der digitalen Welt denke, erinnere ich mich oft daran, dass Erreichbarkeit nicht selbstverständlich war, und das hatte seinen ganz eigenen Charme. Ich denke an Sommerabende, an denen ich einfach nur im Garten saß, ein Buch in der Hand, und die Vögel beobachtete. Niemand konnte mich erreichen, und das war völlig in Ordnung.

Heute sind diese Momente seltener geworden, aber ich versuche, sie wieder mehr in mein Leben zu integrieren. Es ist eine bewusste Entscheidung, der ständigen Erreichbarkeit zu entkommen und sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Denn letztendlich, so habe ich gelernt, ist das, was wir wirklich verpassen, oft nicht das, was auf unseren Bildschirmen passiert, sondern das, was direkt vor uns liegt.

In einer Welt voller Ablenkungen ist es ein Akt der Fürsorge, sich selbst diese Momente der Ruhe zu schenken. Vielleicht verpassen wir dabei die neuesten Nachrichten oder das neueste Bild in unserem Feed – aber wir gewinnen etwas viel Wichtigeres: uns selbst! In diesem Sinne.