Schumanns große Liebe war – neben Clara - das Klavier. Sein kompositorisches Schaffen für dieses Instrument ist gewiss sein bedeutendster Beitrag zur Musikgeschichte. Das Allermeiste davon ist für Klavier solo, nur ein paar Mal hat er zur Erweiterung der klanglichen Möglichkeiten das Orchester hinzugezogen. Und dabei ging es nicht nur um einen üppigeren Sound: Sein Klavierkonzert ist eine Art Sinfonie mit konzertierendem Soloinstrument. Alles, was eine Sinfonie ausmacht: motivische Entwicklungen, große orchestrale Steigerungen, instrumentale Schattierungen – all das finden Sie auch in op.54, nur dass da noch ein Dialogpartner dazukommt, eben das Klavier. Und das darf durchaus auch virtuos glänzen. Ein (gutes) Klavierkonzert ist immer eine geglückte Kombination aus konstruktiven sinfonischen Elementen und virtuoser Akrobatik, Formstrenge und – ja, seien wir ehrlich – Power-Demo des Pianisten. Die darf allerdings nie Selbstzweck werden, sonst wird’s schnell billig! Aber ein wenig zum Staunen bringen darf der Solist sein Publikum schon. Die Frau an Schumanns Seite, Clara, war eine der größten Pianistinnen des 19. Jahrhunderts und konnte beides: die Poesie, die in diesem Werk steckt zum Leben erwecken und in die Herzen der Zuhörer versenken – und als Tastenlöwin auftrumpfen.
Am Beginn des ersten Satzes findet beides auf engstem Raum statt: zupackende Akrobatik (kaskadenartig herabstürzende Klavierakkorde) und lyrisch-poetischer Schmelz. Dann folgen Dialoge zwischen Soloinstrument und Orchester, Gemeinsamkeit in ihrer schönsten Form. Den Rahmen gibt eine erweiterte Sonatensatzform vor, konzertant (concertare bedeutet wetteifern, in diesem Fall zwischen Solo und Tutti) ausgearbeitet. Selbst die Solokadenz am Schluss des Satzes ist auskomponiert.
Der zweite Satz ist ein Intermezzo und vermittelt sozusagen zwischen den Ecksätzen. Er tut das recht verspielt, die Dialoge der beiden Partner sind kleingliedrig und verweisen eher auf ein Miteinander als auf ein Gegeneinander. Ohne Pause schließt das Finale an. Es ist eine Mischung aus Sonatensatz und Rondo. An Virtuosität wird noch einmal alles aufgeboten, was ein moderner Konzertflügel zulässt. Die beiden Seelen in Schumanns Brust – Florestan und Eusebius, der Draufgänger und der empfindsame, nach innen gekehrte Poet – kommen ins Gespräch, streiten sich, versöhnen sich. – Wenn Sie sich etwas eingehender mit dem Werk befassen möchten, empfehle ich Ihnen den rbb-Podcast „Blindverkostung“. Das ganze Konzert können Sie auf YouTube mit Hélène Grimaud erleben. Karten gibt’s hier. – Eine Einführung in das zweite große Werk des Abends, die Sinfonie Nr.15 von Schostakowitsch können Sie demnächst an dieser Stelle lesen.
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