TW
0

Zwei Werke, zwei Komponisten beschert uns das Konzert der Sinfoniker am kommenden Donnerstag im Auditorium: Dvorak und Schubert, zwei Komponisten, die unterschiedlicher kaum sein könnten. In sich ruhend der eine, ein getriebener Wanderer der andere. Dvorak, der einflussreiche Freunde hatte – Joseph Joachim und Johannes Brahms, die ihm zu einer Weltkarriere verhalfen. Die Universität Cambridge verlieh ihm den Ehrendoktor, Amerika nahm ihn mit offenen Armen auf und honorierte seine Werke und Auftritte königlich. Schuberts Karriere spielte sich weitgehend im privaten Rahmen ab, seine Freunde waren zwar von Adel, aber wie er arme Schlucker ohne gesellschaftlichen Einfluss. Dvorak, der Mann fürs Praktische (als gelernter Metzger war er wohl der einzige Komponist in der Geschichte, der ein Schwein fachgerecht zerlegen konnte!), der ein Faible für Dampflokomotiven hatte. Schubert, der schon an kleinen alltagspraktischen Problemen scheiterte und sich mit blutrünstigen Wildwest-Romanen darüber hinweg tröstete.

Sein Violinkonzert, das am Donnerstag die britische Geigerin Leia Zhu für uns spielen wird, begann Dvorak 1879 auf Anregung seines Verlegers zu schreiben. Auf den Rat des Geigers Joseph Joachim schrieb er es komplett um. Joachim führte es zunächst in privatem Rahmen auf, bei der ersten öffentlichen Präsentation 1883 wurde es ein großer Erfolg. Dieser Erfolg verdankt sich den volkstümlichen Melodien, der opulenten Instrumentierung und der virtuosen Raffinesse des Violinparts. (Geige und Bratsche waren Dvoraks Instrumente, an denen er praktische Erfahrungen gesammelt hatte.) Bereits die ersten Takte nehmen den Hörer gefangen. Im weiteren Satzverlauf wechseln sich hochvirtuose Solopassagen mit sehr gesanglich gestalteten Abschnitten ab. Der zweite Satz (in F-dur) ist ungewöhnlich lang und ebenfalls sehr kantabel gehalten. Der dritte, eine Kombination aus Sonatensatz und Rondo (hier das Hauptthema) steckt voller Volksliedthemen, In strahlendem Dur zeichnet ein Furiant Bilder eines ausgelassenen Festes. Arabella Steinbacher schildert in dem Podcast „Das starke Stück“ von br klassik ihre persönliche Sichtweise auf das Werk. – Wenn Sie sich einhören wollen. Bei YouTube gibt’s einen Konzertmitschnitt von Joshua Bell.

Schuberts „Unvollendete“ bildet schon in den ersten Takten einen nicht zu überhörenden Gegensatz zum Dvorak-Konzert. Beginnt dieses mit dem voluminös besetzten ganzen Orchester, so kommt das initiale Grundmotiv der Schubertsinfonie piano aus den Tiefen der Kontrabässe, drohend, unheimlich, vergleichbar dem berühmten Bruckner’schen Urnebel. Eine ländlich-idyllische Melodie schließt sich an, in die aber alsbald das volle Orchester bedrohlich einbricht. (Wir haben diese Zerstörung friedlicher Heiterkeit in den letzten Konzerten bei Mahler und Tschaikowsky erlebt.) Auch bei Schubert gibt es eben kein ungetrübtes Glück, Heiteres im Sinne von „lustig“ schon gar nicht. „Kennen Sie lustige Musik? Ich nicht!“ soll er einmal gesagt haben. Immer lauert hinter der Fassade heiterer Gelassenheit das Dunkle, das Bedrohliche. – Der zweite Satz steht traditionsgemäß im Kontrast zum dramatischen Kopfsatz und bildet in seiner E-dur-Wärme und seiner sich zu hymnischen Liebesgeständnissen aufschwingenden Glückseligkeit einen Gegenpol zum ersten. Warum Schubert es bei zwei Sätzen beließ, ist bis heute unklar. Der Kalauer von der „vollendeten Unvollendeten“ ist ärgerlich, weil er die Möglichkeit, das Werk könnte es an künstlerischer Vollkommenheit mangeln lassen, impliziert. Alles, was Schubert komponierte, ist vollkommen. Qualitative „Ausrutscher“ gibt es bei ihm nicht. – Auch zur „Unvollendeten“ gibt es einen erhellenden Podcast in der ARD Audiothek. Wenn Sie mehr über Schuberts Lebensumstände zur Zeit der Arbeit an der Sinfonie erfahren möchten: das 6. Kapitel der br-Hörbiografie bringt sie Ihnen nahe. Zum Einhören empfehle ich Ihnen den Konzertmitschnitt von Iván Fischer. Karten für das Konzert gibt’s wie immer hier.