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Mahlers Sinfonien sind eine Gratwanderung zwischen Idylle und Katastrophe. Selige Streicher-Kantabilität steht neben klanggewaltigen Ausbrüchen des Riesenorchesters, tonal Konventionelles kontrastiert mit neutönerischer Sprengung alles Althergebrachten - „Tradition ist Schlamperei“ hat er einmal gesagt. Und nicht nur die „Wunderhornsinfonien“ sind vom Gesanglichen inspiriert, auch die rein instrumentalen Kolosse wie die Fünfte wurzeln in Mahlers Leidenschaft für Vokalmusik. Opernerfahrung ist deshalb eine unabdingbare Voraussetzung für den Dirigenten. Die brachte Guillermo García Calvo, der gestern Abend für den erkrankten Pablo Mielgo einsprang, in hohem Maße mit.

Seine Beschäftigung mit Wagner in Bayreuth und wohl auch die Zusammenarbeit mit Christian Thielemann haben ihn hörbar geprägt, und so gelang die Synthese aus Schönklang und schroffen Eruptionen bestens, was dabei herauskam, war eine beglückende Aufführung, die das Publikum mitriss und bezwingend in den Strudel des Mahler'schen Gefühlskosmos zog. Dass dies auf handwerklich höchstem Niveau geschah, versteht sich bei einem Dirigenten dieses Kalibers von selbst. Mit dem OSIB stand ihm ein Orchester zur Verfügung, das die suggestive Inspiration, die er mit präzisen Bewegungen vermittelte, 1:1 in Klang umsetzte. Die stark geforderten Blechbläser meisterten die hohen Anforderungen der Partitur souverän, die Streicher (mit Ori Wissener-Levy als Gastkonzertmeister) reichten an den großen, warmen Klang von Referenzorchestern wie den Wiener Philharmonikern heran. Mit üppigem Vibrato „sangen“ sie das Adagietto, auf das sich vor allem Cineasten, mit dem Soundtrack von Viscontis „Tod in Venedig“ im Ohr, gefreut hatten. In den restlichen vier Sätzen glänzten die Holzbläser mit großem Farbenreichtum, das wie immer bei Mahler großbesetzte Schlagwerk setzte rhythmische Akzente, vom Pianissimotremolo der großen Trommel bis zu den virtuos gehandhabten Pauken.

Das Scherzo geriet – nicht nur wegen seiner Länge von 20 Minuten – zum Höhepunkt des Abends. Hier entfaltete sich noch einmal das ganze klangliche Spektrum der Partitur. Und auch das Finale ließ keine Wünsche offen. Der jubelndes Applaus und die Bravorufe, die auch einzelne Instrumentengruppen mit einschlossen, war quasi vorprogrammiert. – Das Konzert wird heute Abend im Auditorium von Manacor wiederholt. Das nächste Konzert in Palma beschert uns ein Wiedersehen mit Gerhard Oppitz. Zu hören gibt’s das erste Klavierkonzert und die dritte Sinfonie von Johannes Brahms. Es dirigiert Pablo Mielgo. Online-Tickets sind wie immer hier erhältlich.