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So wichtig sind körperliche Zuwendungen und Intimität wirklich

Das Schönste am Streiten ist der Versöhnungssex? Oder eher: Wenn wir gestritten haben, kann ich körperliche Nähe nicht ertragen! Zu welcher Kategorie zählen Sie sich? Tatsächlich sind es statistisch gesehen, eher die Frauen, die nach Meinungsverschiedenheiten keine Berührung oder Nähe wünschen. Das mag daran liegen, dass die meisten Männer eher in der Lage sind, körperliche und emotionale Nähe zu trennen.

Dabei wäre es gerade wichtig, nach einer Auseinandersetzung körperliche Nähe in Form von Berührungen, Sich-Halten und auch Sex zu erleben. Durch das Spüren des anderen, beispielsweise bei einer innigen Umarmung von mindestens 20 Sekunden, werden im Körper Stoffe freigesetzt, die uns regelrecht überfluten mit Glücksgefühlen. Auch bei sanften und langsamen Berührungen, wie einer Massage, wird im Körper das Hormon Oxytocin ausgeschüttet. Das ist ein echtes Superhormon und stärkt uns und unsere Beziehungen, wenn wir uns umarmen, berühren oder Nähe erleben. Auch Serotonin wird durch angenehmen Körperkontakt und Umarmungen freigesetzt. Das baut Stresshormone ab (von denen wir häufig einiges im Blut haben nach einem Streit) und beruhigt mit der Zeit Atmung und Herzschlag. Dadurch entspannen wir und fühlen uns wohl.

In meinen Paarberatungen ernte ich regelmäßig irritierte Blicke, wenn ich die (zerstrittenen) Partner frage, wie es denn um körperliche Nähe und Intimität in der Beziehung steht. Wenn es die Situation zulässt, gebe ich den Paaren als "Hausaufgabe" auf, sich wieder anzunähern und so viel Körperlichkeit miteinander zu leben, wie es möglich ist und beiden gefällt. Das hat schon oft dazu geführt, dass Probleme anders bewertet werden konnten und gemeinsame Lösungen gefunden wurden. Dabei kann sich die Nähe anfangs darauf beschränken, sich an den Händen zu halten und in die Augen zu schauen. Das kann bereits ein guter Anfang sein. Wichtig ist, dass sich wirklich beide mit der Art der Berührung wohlfühlen. Zwang darf es dabei nicht geben. Nur dann ist es möglich, dass beide Partner nach und nach auch wieder mehr Nähe zulassen können.

Geht es bei den Auseinandersetzungen gar um eine Außenbeziehung (therapeutischer Ausdruck für "Fremdgehen") ist es häufig noch schwieriger, die Nähe des Partners wieder zuzulassen. Auch hier gilt, dass es wichtig ist, sich in kleinen Schritten anzunähern. Vorausgesetzt natürlich, dass die Beziehung weiter fortgeführt werden soll. Interessanterweise ist es übrigens häufig so, dass gerade fehlende Nähe und Intimität in Beziehungen dazu führen, dass sich ein Partner anderweitig orientiert.

Ich erzähle Ihnen sicher nichts Neues, wenn ich sage, dass sich statistisch gesehen die Häufigkeit der sexuellen Kontakte innerhalb einer Langzeitbeziehung nach einem Jahr beinahe halbiert. Dazu schreibt die Frauenzeitschrift Brigitte:

Doch wie zum Beispiel Sex-Therapeutin Shannon Chavez gegenüber der "Huffington Post" sagte, sei es sogar eher die Regel als die Ausnahme, dass das Sexleben in Partnerschaften mit der Zeit einschläft. Nicht, weil im Alter automatisch die Lust nachlässt – viele Menschen haben Lust auf Sex, solange sie leben. Auch nicht, weil sie sich nicht mehr lieben oder schlecht zusammenpassen. Oft liegen die Gründe für eine Sexflaute einfach nur in festgefahrenen Gewohnheiten oder Alltagsstrukturen und ließen sich relativ leicht beheben, wäre man sich ihrer bewusst.

Was könnten das also für Gründe sein, die ein gutes und erfüllendes Sexleben verhindern? Da wäre zunächst der Faktor Stress zu nennen. Neben den Herausforderungen des Alltags, wie Arbeit, Kinder, Haushalt wird Sex für viele Paare zur Nebensache. Anfangs versucht man noch, ihn hier und da einzuschieben, wenn's passt. Das allerdings wird mit der Zeit immer anstrengender und der Anreiz geringer, da Sex aus Pflichtgefühl selbstredend wenig erfüllend ist. Gut wäre, von Anfang an gezielt Zeit für Intimität einzuplanen. Dabei könnte man, quasi als Nebeneffekt, auch noch bewusst Stress reduzieren und abbauen.

Ein weiterer Grund für Flaute im Bett kann mangelnde Kommunikation sein. Wenn sich Paare nicht offen und ehrlich über ihre sexuellen Bedürfnisse und Vorlieben austauschen können, leidet darunter häufig die Harmonie im Bett (mindestens für eine Person) und die Lust geht verloren.

Auch fehlende Selbstliebe führt (gerade bei Frauen) häufig dazu, dass das Sexualleben leidet. Wer sich selbst nicht besonders mag und zum Beispiel mit dem eigenen Körper unzufrieden ist, hat meist auch Probleme, sich beim Sex fallenzulassen und voll und ganz hinzugeben. Das hemmt den Genuss, killt die Lust und nimmt dem Ganzen damit letztlich einen Großteil seines Sinns. Zum Glück kann man (vielleicht mit therapeutischer Hilfe) Selbstliebe in jedem Alter noch lernen. Sich zu akzeptieren und zu mögen, führt nicht nur im Bett zu einem entspannteren und freieren Leben.

Ein weiterer Grund könnte sein, dass alles, woran wir uns gewöhnen, seine Besonderheit verliert und mit der Zeit selbstverständlich, man könnte auch sagen, langweilig wird. Und was langweilig ist, verliert seinen Reiz. Genau deshalb sind Experimentierfreude und Abwechslung im Bett so wichtig. Dabei sollte man aber auf keinen Fall unrealistische Erwartungen haben. Leider hat (und ich will jetzt nicht unken) die Porno-Industrie im Hinblick auf echte Sexbeziehungen einigen Schaden angerichtet. Nicht jede Frau hat Körbchengröße Doppel-D und ständig Lust, sich einen Penis in den Mund zu stecken. Und der Durchschnittsmann kommt manchmal zu schnell und hat selten ein Stehvermögen wie der Sex-Gott im Porno. Vielleicht sollten wir beim Konsum diverser Filme nicht vergessen, dass es sich um eine Inszenierung handelt, mit Drehbuch (man soll es kaum glauben), Darstellern und klaren Regie-Anweisungen. Dabei kann so ein Film durchaus inspirierend sein und ein bisschen frischen Wind ins eigene Liebesleben bringen.

Vielleicht konnte ich Sie jetzt ein bisschen motivieren, sich Ihrem Partner / Ihrer Partnerin wieder (öfter) liebevoll zuzuwenden, ihn oder sie zu küssen, zu umarmen oder mehr. Damit tun Sie etwas für Ihre Beziehung und Ihre Gesundheit. Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall viel Spaß dabei. In diesem Sinne.