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Mit den Jahren ist Pablo Mielgo in die Rolle des Entertainers hineingewachsen. Und in dieser Rolle glänzte er auch gestern Abend wieder, im Neujahrskonzert der Sinfoniker im so gut wie ausverkauften Kongresspalast. Die Moderation eines solchen Events ist natürlich „nur“ Beiwerk, im Mittelpunkt steht die Musik. Und die konnte sich hören lassen. Aber Mielgos Conference ist deshalb der Erwähnung wert, weil sie es schaffte, das Publikum für einen Abend zu einer einzigen glücklichen Familie zusammen zu schweißen, in weit höherem Maße, als das wenige Stunden zuvor Christian Thielemann in Wien gelang. Wer dessen Konzert im Fernsehen mitverfolgt hat, weiß, wovon ich rede.

Thielemann gehört, zusammen mit Riccardo Muti, Michael Tilson-Thomas und Gustavo Dudamel zu den Spitzenverdienern in der Branche: hochgerechnet um die 2.000 Euro kassieren diese Herren pro Minute am Pult (Quelle: Klassikradio). Davon können Mielgo und die Seinen nur träumen. Aber wahrscheinlich tun sie es nicht einmal. Sie wollen nur eines: ihr Publikum mit Musik umarmen. Und dank ihrer absoluten Hingabe an die Sache gelingt ihnen das je länger, desto besser. Ich kann mich des Verdachts nicht erwehren, dass Thielemann gestern das Neujahrskonzert dazu missbrauchte, seinen neuen Bruckner-Zyklus zu promoten. Wozu sonst die Quadrille, WAB 121, wahrlich kein Geniestreich des Meisters aus Linz? Und wahrscheinlich hatte er auch beim Pausenbeitrag seine Finger im Spiel, ein eigenartiges Filmchen, Max und Moritz entdecken Bruckner, oder was immer das sein sollte. Klassik, Musik für Millionen, Geschäft mit Millionen – das schien das Motto zu sein. Anders in Palma: hier schielen die Musikerinnen und Musiker nicht begehrlich auf das goldene Kalb des schnöden Mammons, hier machen Menschen Musik für Menschen.

Mielgo startete in den Abend mit seinem alten Paradepferd, der Ouvertüre zu Otto Nicolais „Lustigen Weibern von Windsor“. Danach nutzte er die Begeisterung des Publikums, um ihm mit wenigen Worten die Enttäuschung über den Wechsel der Solistin zu nehmen: die vorgesehene Sopranistin Elena Sancho war kurzfristig erkrankt, und man hatte als Ersatz die 30jährige Marina Monzó gewinnen können. Sicher, die Buffo-Erfahrung Elena Sanchos fehlte ihr, ihre Gestik, etwas steif und schablonenhaft, könnte einer Inszenierung Achim Freyers entsprungen sein. Aber was ihr an darstellerischer Pfiffigkeit fehlte, machte sie durch ihre stimmlichen Qualitäten wett. Das Publikum war’s zufrieden und applaudierte dankbar für die Darbietung von „De España vengo“ von Pablo Luna, „Quando m’en vo“ von Puccini und „Besame mucho“ von C.Velásquez und verzieh auch großzügig, dass die Marquis-Arie aus der „Fledermaus“ offenbar dem Besetzungswechsel zum Opfer gefallen war. Auch sonst gab es einige kleine Programmänderungen. Statt der „Straussiana“ von Korngold erklang das Vorspiel zu Chapis „El tambor de granaderos“. Das Komödiantische kam in der köstlichen Performance des legendären „Type Writers“ von Leroy Anderson auf seine Kosten: man erfuhr dabei staunend, dass man auch eine Schreibmaschine auf den Kammerton a stimmen kann. Der Rest: bewährte Neujahrs-Klassiker wie der Kaiserwalzer, der persische Marsch, die Tritsch-Tratsch-Polka und „Éljen a magyar“, das Mielgo authentisch von einer Bratschistin offenbar ungarischer Herkunft ansagen ließ. Und – Wette gewonnen – natürlich gab’s die „Blaue Donau“ und den Radetzkymarsch als Zugabe. Und natürlich dirigierte Mielgo bei letzterem das Publikum nach alter Wiener Tradition, nur pfiffiger und launiger, als Thielemann am Vormittag. Er ist einfach der bessere Kommunikator. Und (nicht nur) dafür lieben wir ihn. – Das Konzert wird heute Abend in Manacor wiederholt, Karten gibt’s hier.

Mielgo ist am 18.Januar im 4.Konzert des Cicle Teatre Principal wieder zu erleben. Eine Woche davor, am 11.Januar, dirigiert Gabriel Estarellas Pasqual unter anderem die Uraufführung seines Gitarrenkonzerts und die „Schottische Sinfonie“ von Mendelssohn. Karten unter diesem Link.