Mozart hatte bereits in seiner Sinfonie Nr.29, KV201, die Gattung zu einem ersten Höhepunkt geführt, was den Aufbau und die motivische Entwicklung betraf. Aber er wusste, als er 1778 in Paris eine neue Sinfonie für das Concert spirituel schrieb, dass er damit allein bei den Franzosen nicht punkten konnte. Er kannte das Pariser Publikum, es war bereits sein dritter Besuch in der Seine-Metropole. Und er hatte keine besonders hohe Meinung von ihm. In einem Brief an den Vater schrieb er: „Den wenigen gescheidten Franzosen, die da sind, stehe ich gut dafür, dass sie (die neue Sinfonie) gefällt; den Dummen – da sehe ich kein großes Unglück, wenn sie ihnen nicht gefällt. Ich habe aber doch Hoffnung, dass die Esel auch etwas darin finden, das ihnen gefallen kann.“ Um die Ohren dieser „Esel“ zu kitzeln, ließ er seine 31.Sinfonie plakativ mit Pauken und Trompeten beginnen, nämlich so. – Das war die größte Besetzung, für die er je geschrieben hatte. Den weiteren Verlauf gestaltete er abwechslungsreich, eine einfallsreiche Wendung jagte die andere. Der zweite Satz fiel kurz aus, die ungeduldigen Pariser langweilten sich schnell, verabschiedeten sich bei ausufernden Passagen mental und begannen statt zuzuhören eine Konversation mit dem Sitznachbarn. Ein Menuett als dritter Satz war ebenfalls nicht gefragt, also verzichtete Mozart darauf. Im Finale holte er die möglicherweise bereits in anderen gedanklichen Sphären schwebenden Zuhörer mit einem kleinen Trick wieder ins musikalische Geschehen zurück: er begann leise, nur mit den zweiten Geigen, um dann plötzlich forte ein „Hallo, hier spielt die Musik“ hereinbrechen zu lassen. Hören Sie sich diesen Beginn einmal an! – Der Gag zündete: bei der Premiere gab’s an dieser Stelle spontanen Applaus, in einer Sinfonie mitten im Satz ungewöhnlich. – In der ARD-Audiothek gibt’s eine gut gemachte siebenminütige Einführung in die Sinfonie. Mit diesem Link können Sie sie sich anhören.
Hector Berlioz war ein Feuerkopf, und was er 1830, nur drei Jahre nach Beethovens Tod, mit seiner Symphonie fantastique aufführte, war absolut revolutionär, der Start in eine neue Zeit. Erstmals in der Musikgeschichte zog sich ein Leitmotiv durch alle fünf Sätze: die Programmsinfonie war geboren. Dieses Leitmotiv hat, wie die ganze Sinfonie, einen biografischen Hintergrund: es steht für die Schauspielerin Harriott Smithson, die in Paris gastierte, in großen Shakespeare-Rollen glänzte, und in die sich der Komponist rasend verliebte. Es erfährt im Laufe der Sinfonie mannigfache Veränderungen. So klingt es im ersten Satz. Auch im zweiten, einer Ballszene, mischt es sich immer wieder unter die Tanzenden. Im dritten Satz, einer Szene auf dem Lande, quält es den Komponisten, eine idée fixe, eine Obsession. Der vierte Satz, mit Gang zum Richtplatz überschrieben, stellt die Hinrichtung des Verliebten dar. Er hat in einem Fieberwahn die Geliebte ermordet, und bevor das Beil des Schafotts niedersaust, denkt er noch ein letztes Mal an die Geliebte – natürlich in Gestalt des Leitmotivs. Das klingt dann so. – Die „Handlung“ des Finales hätte sich Stephen King nicht grausiger ausdenken können: der Hingerichtete wohnt seinem eigenen Begräbnis bei, die vormals Geliebte tanzt als Hexe um sein offenes Grab, das einst so sehnsüchtige Leitmotiv mutiert zu einem ordinären Tanz. Totenglocken erklingen, der Teufel liest, zur Melodie des Dies irae, Messe. Der ganze Albtraum endet furios und grell. – Auch zur Symphonie fantastique habe ich Ihnen eine launige Einführung herausgesucht, die Sie sich unbedingt anhören sollten. Sie erfahren darin alles über die biografischen Hintergründe. Wer etwas Zeit mitbringt, kann sich auch die Einführung des genialen Leonard Bernstein zu Gemüte führen. Er hat der Symphonie fantastique eines seiner legendären Young People’s Concerts gewidmet, die Sie sich (im englischen Original) auf YouTube ansehen können. Lenny erklärt Ihnen darin auf seine charmante Art, was die Symphonie fantastique mit Drogen zu tun hat. Am Schluss wie immer der Link zum Kartenvorverkauf.
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