Die „Microsinfonien“ bestehen aus jeweils zwei oder drei Sätzen. Jede ist eine kleine Welt für sich. Verschiedene Kompositionstechniken werden durchdekliniert, monothematisch aufgebaute Sätze stehen neben polyphonen Verläufen, kammermusikalische Momente mit dankbaren solistischen Passagen einzelner Instrumente neben großbesetzten sinfonischen Eruptionen. Alle bestechen durch eine äußerst fantasievolle, effektgeladene Orchestrierung. Da jubilieren die Holzbläser über gemächlichen Albertibässen der Tuba, da wird eine Klarinettenkantilene mit delikaten Becken-Tupfern garniert. Melos und energische Rhythmik kontrastieren. Und wenn zu grundsolidem Komponistenhandwerk Inspiration kommt, entsteht eine Musik, die das Publikum emotional berührt. Das Werk wurde begeistert aufgenommen, die Bravorufe durfte der Komponist persönlich entgegennehmen.
Die beiden Klavierkonzerte von Chopin, das zweite vielleicht noch weniger als das erste, sind keine Konzerte im eigentlichen Sinn, Solist und Orchester kommunizieren nicht wirklich miteinander, wie sie das beispielsweise bei Mozart tun. Das Orchester (das beileibe nicht so stümperhaft gehandhabt wird wie oft behauptet) hat vor allem die Aufgabe, dem Pianisten „Stichworte“ zu liefern und eine Art Klangteppich zu weben, auf dem er den hochdifferenzierten, filigranen und virtuosen Klaviersatz zelebrieren kann. Iván Martín tat das mit größter Delikatesse, meisterhaft phrasierend, technisch perfekt und dynamisch überaus differenziert. Die blockhaften Orchesterpassagen waren bei Mielgo in besten Händen: bei aller Transparenz büßten sie die elementare Wucht des jungen Chopin an keiner Stelle ein.
Als Waldo de los Rios Anfang der 70er Jahre sein Album „Sinfonias“ aufnahm, mit dem er durch Hinzunahme von Elementen der Popmusik, leider oft auch durch die Unterlagerung mit einem ziemlich banalen Hump-ta-ta, die großen Sinfonien der Klassik und Romantik „massentauglich“ machen wollte, war darin auch eine siebenminütige Sequenz aus Themen des zweiten und vierten Satzes der Neunten von Dvorak enthalten. Gestern Abend führten die Sinfoniker einem hingerissenen Publikum vor Augen und Ohren, dass die „Neue Welt“-Sinfonie derlei Firlefanz nicht braucht, sie ist per se „massentauglich“, um diese auf Kommerz abzielende Vokabel noch einmal zu strapazieren. Das liegt zum einen an dem schier unerschöpflichen melodischen Ideenreichtum Dvoraks, zum anderen haben die rhythmische Stringenz und die Instrumentierung dazu beigetragen, dass die Sinfonie zur meistgespielten unter den Dvorak’schen wurde. Mielgo und die Seinen musizierten dieses Filetstück der abendländischen Musik gestern Abend, mit Hingabe und Verve, ließen’s auch mal krachen, wo’s geboten war und ernteten stürmische Ovationen dafür. - Das nächste Konzert – das letzte des Trui-Zyklus, bevor die Saison dann im Teatre Principal mit dem Weihnachtskonzert weitergeht – findet bereits am kommenden Donnerstag (07.12.) statt und bringt neben Mozarts Pariser Sinfonie (Nr.31) die grandiose Symphonie fantastique von Hector Berlioz. Karten gibt’s hier.
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