Ursprünglich war für diesen Abend das 2.Violinkonzert von Bela Bartók vorgesehen, nun kurzfristig der Wechsel zu Saint-Saëns: das Publikum war’s zufrieden. Die süffige Instrumentierung des Orchesterparts und das virtuose Spiel der jungen Geigerin kamen an; für den begeisterten Applaus bedankte sich Conucova mit dem Vorspiel, Obsession, der zweiten Violinsonate von Eugène Ysaÿe, genauso tonschön vorgetragen wie in diesem YouTube-Video von ihrer großen Kollegin Arabella Steinbacher.
Nach der Pause dann die monumentale Anti-Kriegs-Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch, die angesichts der russischen Invasion in die Ukraine genau zum richtigen Zeitpunkt auf dem Programm stand. Aber nicht nur deshalb wurde sie mit standing ovations gefeiert: wie die Sinfoniker, verstärkt durch junge Musikerinnen und Musiker der Acadèmia Simfónica des OSIB, diesen Koloss meisterten, war atemberaubend. Bereits im Kopfsatz, mit einer knappen halben Stunde Spieldauer Schwerpunkt dieser vielleicht bedeutendsten Sinfonie des 20.Jahrhunderts, sorgten das gewaltige Crescendo und der unerbittliche Drive dafür, dass das Publikum packend in den Sog der Katastrophe hineingezogen wurde. Das Xylophon, mit dem man seit Saint-Saëns‘ Danse macabre das Klappern von Totengebeinen assoziiert, erklang endlich einmal in der nötigen Lautstärke. (In vielen Aufführungen wird es nicht genügend in den Mittelpunkt gerückt.) Das Grauen wurde durch die gellenden Schreie der Blechbläser verstärkt. Der Bolero-Effekt tat ein Übriges: die Monotonie des Invasionsthemas entfaltete ihre ganze Unerbittlichkeit, mit der sie die Katastrophenstimmung martialisch in den Saal hämmerte.
Im zweiten Satz, für den der Komponist ursprünglich den Titel „Erinnerungen“ vorgesehen hatte, konnte man für 9 Minuten aufatmen. Aber auch hier, im Trio-Teil dieses „Scherzos“, einem schrillen Walzer, ist der Krieg präsent. Klänge, die an Militärsignale erinnern, eingebettet in eine gnadenlose Motorik, stören die trügerische Idylle einer scheinbar friedlichen Vorkriegszeit.
Auch im dritten Satz, mit Adagio überschrieben, dauert die friedliche Ruhe nur kurz: eine Art Zirkusmarsch karikiert den Militärmarsch und damit die selbstherrliche Führung des Sowjetregimes.
Über das Finale hat Schostakowitsch gesagt: „Der vierte Satz ist unserem Sieg gewidmet. Er ist die direkte Fortsetzung, die logische Folgerung des 2. und 3. Satzes. Er symbolisiert den Sieg des Lichtes über die Dunkelheit, der Weisheit über den Wahnsinn, der Menschlichkeit über die Tyrannei.“ Abes es ist kein heroischer Sieg. Vielmehr zeigt Schostakowitsch, indem er choralartige Momente erneut mit Militärklängen kontrastiert, noch einmal den Zusammenhang mit der brutalen Gewalt, die den Krieg ausgelöst hat. Und so endet die Sinfonie in ihrer Grundtonart C-dur, ohne die Schrecken und das Grauen zu vergessen.
Der langanhaltende Applaus galt neben dem Dirigenten vor allem den Nachwuchskünstlern der Acadèmia, die geholfen hatten, dieses gigantische Projekt zu verwirklichen.
Das zweitletzte Abokonzert (und letzte im Trui Teatre) findet am 11.Mai statt. Auf dem Programm stehen das dritte Klavierkonzert von Prokoviev Strawinskys „Petruschka“ in der Version von 1911. Die Leitung hat die Gastdirigentin Gianna Fratta. Karten sind bereits online erhältlich.
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