Die Frage ist falsch gestellt, denn Kirchenmusik hatte Brahms bei der Komposition des Werkes nicht im Sinn. Und auch regelmäßige Bibellektüre als Beleg für Gottesgläubigkeit anzuführen, ist nicht korrekt. Selbst der erklärte Atheist Bertolt Brecht las viel in der Bibel, bezeichnete sie sogar als sein Lieblingsbuch. Beide, Brahms und Brecht, schätzten daran die dichterische Qualität und die kraftvolle Sprache der Lutherübersetzung, als Wort Gottes sahen sie sie beide nicht. In der Textauswahl Brahms‘ überwiegen Stellen aus dem Alten Testament, Christus als Erlöser kommt darin nicht vor. Trotzdem ist dabei ein Werk herausgekommen, das den Menschen tröstet. Und eine wunderbare Musik, aktuell bis heute. Musik, dazu gemacht, den Hinterbliebenen Trost zuzusprechen, und nicht den Verstorbenen fromm ins Jenseits zu geleiten. Eine menschliche Musik für den Menschen und nicht, wie beispielsweise bei Bach, zum Lobe Gottes. (Bach setzte ja über fast alle seine Werke das Motto „soli deo gloria“.)
Brahms stellte sein Werk in den Jahren 1865 bis 1868 fertig. In der endgültigen Fassung besteht es aus sieben Sätzen. Für die Aufführung braucht es einen Solo-Sopran, einen Solo-Bariton, einen vierstimmigen Chor und ein romantisch besetztes Orchester (zwei Flöten, Piccoloflöte, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte und Kontrafagott, vier Hörner, zwei Trompeten, drei Posaunen, Tuba, Pauken, zwei Harfen und die übliche Streicherbesetzung.
Bereits zu Brahms’ Lebzeiten wurde der religiöse Hintergrund unterschiedlich thematisiert. Die einen sahen darin ein „Zeugnis eines kernprotestantischen und tief religiösen Mannes“ (Heinrich von Herzogenberg), die anderen eine Säkularisierung der Musik. Brahms selbst widersetzte sich der religiösen Erhöhung der Kunst und verwendete in diesem Zusammenhang gegenüber Clara Schumann ausdrücklich den Begriff Menschenwerk.
Clara Schumann, eine der besten Kennerinnen des Brahms’schen Schaffens, schrieb ihm in einem Brief: „Sagen muss ich Dir noch, dass ich ganz und gar erfüllt bin von Deinem Requiem, es ist ein ganz gewaltiges Stück, ergreift den ganzen Menschen in einer Weise wie wenig anderes. Der tiefe Ernst, vereint mit allem Zauber der Poesie, wirkt wunderbar, erschütternd und besänftigend.“
Der schwer zu begeisternde Musikkritiker Eduard Hanslick wurde fast hymnisch: „Seit Bachs h-moll-Messe und Beethovens Missa solemnis ist nichts geschrieben worden, was auf diesem Gebiet sich neben Brahms‘ deutsches Requiem zu stellen vermag.“
Wenn Sie vorab reinhören wollen, empfehle ich Ihnen die Aufführung des WDR-Sinfonieorchesters unter Semyon Bychkov bei YouTube. Karten gibt’s wie immer auf der Website der Sinfoniker. Weitere Aufführungen finden am 31.03. im Auditorium von Manacor und am 03.April in der Kathedrale von Palma statt.
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