Bei der Uraufführung des Boléro am 22.November 1928 (als Ballett) in der Pariser Oper soll eine Zuschauerin ausgerufen haben „Hilfe, ein Verrückter!“, und der „Verrückte“ soll geantwortet haben „Die hat’s kapiert!“ – Die Rezeptionsgeschichte wartet noch mit anderen mehr oder weniger netten Episoden auf. So ist ein heftiger Streit zwischen Ravel und Toscanini, dessen Probe der Komponist einen Tag vor der Aufführung beiwohnte, überliefert. Dabei soll der aufs höchste erzürnte Ravel in den Saal gerufen haben „Das Schwein hat zu schnell gespielt, das ist unverzeihlich, das ist unglaublich!“ Er hatte 17 Minuten Spieldauer für sein Werk festgelegt, und der feurige Italiener hatte die Partitur in nur 14 „erledigt“. Und soll Ravels Kritik gekontert haben: „Sie haben keine Ahnung von Ihrer Musik. Das ist die einzige Möglichkeit, damit Ihre Musik überhaupt ankommt!“ In der Tat streiten sich bis heute Dirigenten über das „richtige“ Tempo. Karajan, Barenboim, Ozawa und Dutoit dürften mit einer Länge zwischen 16 und 17 Minuten Gnade vor den Ohren des Komponisten finden, Lorin Maazel mit 14.42 eher nicht. Darüber, wie Ravel Celibidaches rekordverdächtige 18.11 Minuten goutieren würde, darf spekuliert werden.
Neben der Spielgeschwindigkeit zählen natürlich auch weitere Kriterien: das Herausarbeiten der Struktur und das Halten der Spannung bis zum Schluss. Das ist vor allem deshalb schwierig, weil das Werk nicht auf einer sinfonischen Entwicklung im herkömmlichen Sinn basiert, sondern 17 mal das gleiche Thema wiederholt. Die einzige Veränderung ist die Lautstärke und die damit verbundene immer umfangreicher werdende Instrumentierung. Ravel hat deshalb bescheiden von einer Orchesterstudie gesprochen und sogar, erstaunt über den durchschlagenden Erfolg, geäußert „Ich habe nur ein Meisterwerk gemacht, das ist der Boléro; leider enthält er keine Musik.“
Apropos Erfolg: der lässt sich auch an den zahlreichen Aneignungen der Musik (die nach dem Understatement ihres Schöpfers gar keine ist) auch außerhalb des Konzertsaals ablesen. Das erotische Element, die langsame Steigerung der Intensität zu einem Höhepunkt, hat die Fantasie von Choreographen und Filmemachern immer wieder befeuert. Der Streifen „Zehn – Die Traumfrau“ mit Bo Derek, in dem zu Ravels Musik munter kopuliert wird, hat für Furore und einen regelrechten Boléro-Boom gesorgt. – Zum Reinhören empfehle ich Ihnen Gustavo Dudamel (mit den Wiener Philharmonikern), der mit gut 17 Minuten recht gut an Ravels Vorstellungen herankommt.
Die Rhapsory in Blue ist die bekannteste Komposition des US-amerikanischen Broadwaykomponisten George Gershwin. Erstmals aufgeführt wurde sie am 12.Februar 1924 in einem als „An Experiment in Modern Music“ angekündigten Konzert in New York. Gershwin selbst saß am Flügel. Die Instrumentierung stammt von dem Arrangeur Ferde Grofé. Der Uraufführung wohnten Größen wie Strawinsky, Rachmaninow, Stokowski und Heifetz bei. - Die Verbindung zwischen Jazz, Blues und konzertanter Sinfonik war damals etwas völlig Neues und entsprang dem Unbehagen an der sogenannten „Neuen Musik“, die immer mehr am Publikum vorbeigeschrieben wurde. Die Rhapsody in Blue trug wesentlich zu der Erkenntnis bei, dass die neue amerikanische Musik der Jazz war, der durch die Synthese mit Elementen der europäischen Musiktradition zunehmend Einzug in die Konzertsäle hielt.
Leonard Bernstein pries das Werk als eine „melodische Inspiration, die es seit Tschaikowsky nicht mehr gegeben hat.“ Bernstein weiter: „Vergessen Sie nicht die von Tschaikowsky gestohlenen Melodiefolgen, das Debussyhafte, die Lisztsche Brillanz. … In einem Moment geht Amerika aus der einen Tür hinaus, und Tschaikowsky und seine Freunde kommen zur nächsten herein.“ - Hörempfehlung: Bernstein (als Solist und Dirigent der New Yorker Philharmoniker).
Beethovens 2.Sinfonie (in D-dur, op.36) gilt in der Literatur als wichtiges Zeugnis für die inneren Kämpfe des Komponisten. Er komponierte das Werk, als seine beginnende Ertaubung deutlich wurde. Die überschäumend positive Aussage der Sinfonie könnte damit erklärt werden, dass Beethoven die Hoffung hatte, er könne geheilt werden. Am 16.November 1801 hatte er an seinen Freund Wegeler geschrieben: „Ich will dem Schicksal in den Rachen greifen, ganz niederbeugen soll es mich gewiss nicht.“ „Dem Schicksal in den Rachen greifen“ hieß für Beethoven auch arbeiten. Mit seiner Zweiten trieb er das sinfonische Prinzip der motivischen Entwicklung weiter, das dann in der Fünften einen Höhepunkt erreichen sollte. Gleichwohl ist das Werk eine Auseinandersetzung mit Mozart und vor allem Haydn. Reinhören können Sie hier. Karten gibt’s über die Website der Sinfoniker.
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