Aufgeboten hatte man dazu eine Top-Besetzung: neben den Sinfonikern, dem Chor der Balearenuniversität (Einstudierung J.Company) und dem Kinderchor, den berühmten Blauets vom Kloster Lluch (Betreuung R.Terradas Calafell) führten eine gute Stunde lang die Sopranistin Amparo Navarro, der Tenor Joaquin Asiain und der Bariton Günter Haumer – alle drei „Carmina-erprobt – vor, dass das Mittelalter nicht diese dunkle Epoche war, als die es oft beschrieben wird. Die Texte aus dem 12.Jahrhundert stellen auf Latein und Mittelhochdeutsch ein buntes Kaleidoskop mittelalterlichen Lebensgefühls dar, das ebenso von Liebes- Lust und Leid als auch von tiefer Religiosität geprägt war. „Primo vere“ (des Frühlings heiteres Gesicht), Tanz und allerlei Techtel-Mechtel der „Gesellen und Megede“ Uf dem anger (auf dem Feld), Fress- und Sauflieder In taberna (in der Schenke also) sind aus dem prallen Leben gegriffen.
Dieses Leben glaubwürdig darzustellen verlangt von den Ausführenden eine regelrechte Gratwanderung zwischen Schönklang und Charakterdarstellung. Gerät der Gesang zu belkantisch, wirkt die Aufführung schnell steril. Andererseits soll natürlich auch die Schönheit der menschlichen Stimme nicht zu kurz kommen. Dieser Balance-Akt gelang gestern Abend hervorragend, nicht nur bei den drei Solisten. Auch der Uni-Chor und die boys and girls aus dem Kloster „lebten“ ihre Rollen, ohne dabei ihre sängerische „gute Kinderstube“ zu vergessen. Das groß besetzte Orchester (siehe meine Werkeinführung) schaffte mühelos den Spagat zwischen auftrumpfend-bombastisch und filigran.
Ein besonderes Kabinettstückchen war die Nummer 12 der Partitur: „Olim lacus colueram“ - „Einst war ich Zerd‘ des Sees“: ein Schwan auf dem Grillrost beklagt sein trauriges Schicksal geradezu herzergreifend. Joaquin Asiain, aus Stuttgart extra für diese drei Minuten eingeflogen, machte „eine kleine Oper“ aus dieser Nummer, auf die er spezialisiert ist. Bis 2021 hatte er, wie er im Interviewe mit der Mallorca Zeitung verriet, diese Schwanennummer 225(!) mal gesungen. „Dieses Jahr habe ich schon zwölf Schwäne hinter mir“ sagte er nicht ohne Stolz. Natürlich gibt es keine Aufnahme vom gestrigen Konzert, aber Sie können ihn auf YouTube sein Glanzstück zelebrieren sehen und vor allem hören. Klicken Sie hier. Auch gestern Abend meisterte der „Schwan am Bratspieß“ mit Bravour die drei hohen C, dreimal hohes D und neunmal hohes H, die diese Partie seiner Stimme abverlangt.
Das 42-seitige Programmheft (Katalan, Spanisch und Englisch) ist leider erst seit heute online auf der Webseite des OSIB abrufbar. Das ist ärgerlich, man möchte sich ja vor dem Konzert über Werk und Interpreten informieren. Stattdessen konnte man gestern Abend im Eingangsbereich einen QR-Code scannen, der zum Libretto führte. Auch das war wenig hilfreich, denn wer sitzt schon gern, auf sein Handy starrend, im Konzert!?!
Dem Erfolg des Abends – und vor allem der Begeisterung des Publikums – tat das alles aber keinen Abbruch. Orchester, Chöre und Solisten – und nicht zuletzt Pablo Mielgo – wurden mit standing ovations stürmisch gefeiert. – Das nächste Konzert findet erst am 1. Dezember statt. Bis dahin ist das Orchester anderweitig beschäftigt, unter anderem als Opernorchester im Teatre Principal in Monteverdis Orfeo. Am 1.12. gibt’s dann unter anderem Strawinskys „Feuervogel“ und die zweite Sinfonie von Brahms unter Giacomo Sagripanti im Trui Teatre, Tickets hier. Auch für das zweite Auditoriumskonzert am 8.Dezember mit Tschaikowskys b-moll-Klavierkonzert sowie den „Winterträumen“, seiner Sinfonie Nr.1, läuft bereits der Ticketverkauf.
1 Kommentar
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Liebe Redaktion, geehrter Herr Müller, ich finde es fantastisch, wenn sie immer mehr über kulturelle Angebote berichten, als Gegensatz zu dem ewigen Herumeiern und Meckern über die Partytempel, die ja nicht dort sind, wo die populäre und klassische Muse lebt. Auch alles was man unter den Evergreens und größten Interpreten der Pop- und Rockgeschichte begrüßen darf, besucht Mallorca. Nämlich auf der ganzen Insel und nicht nur wie der Ballermann auf einer Stelle im Viertel der Playa de Palma, dem Balneario 6 oder in Magaluf bei den Briten, beschränkt, wo man dasst es nicht leider viele tatsächlich glauben, die ganze Insel wäre Ballermann. Merke = Der Witz daran ist, dass es meiner Erfahrung nach keinen gesellschaftlichen Unterschied darin gibt, welcher Bildungschicht Verlautbarer dieser Meinung angehören. Fakt = Man reagiert auf das Sichwort "Mallorca oder Ballermann", und schon fällt die Jalousi ruter und Ende weiterer Gedanken. Die elende Gehirnwäsche der negativen Presse wirkt sich auch hier wieder aus. Frage nach Urlaub auf Mallorca? = " Nee Mallorca, da fliege ich nie hin". Frage = "Waren Sie schon mal auf dem Oktoberfest und wie wars.?" --- "Ja, war einfach toll". -- Ah Ja !? -- "und die vielen Betrunkenen?" - "Ja, die gibts, aber kümmern mich nicht". - "Ah Ja, soso" ! Demokratie ist = dass es auf Mallorca beides nebeneinander geben soll und darf, so wie es zuhause auch ist. Keines soll das andere ausgrenzen. Jeder darf entscheiden, wo und wie er sich vergnügen will. Ausreisser gibt es z.B. in DE bedeutend mehr, als auf einer Insel mit Namen Mallorca. Und sie sind in der Minderheit.