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Wir haben im ersten Teil meiner Einführung zum Konzert gesehen, welche gewaltige Rolle Mozart bei der Entwicklung des Klavierkonzerts spielte. Wer setzte nun, nach seinem Tod 1791, diesen Weg fort, bis hin zu den beiden großen Konzerten, die Lisiecki spielen wird? Da gab es viele, die in die Fußstapfen des genialen Amadeus treten wollten. Für die meisten waren sie mindestens eine Nummer zu groß.

Noch zu Lebzeiten des Meisters, 1790, versuchte sich Johann Nepomuk Hummel an der Gattung. Der hatte 1784 sogar Unterricht bei Mozart genossen, war ein gelehriger Schüler (und ein begabter Pianist), aber was er dann als ersten eigenen Beitrag zum Genre ablieferte, das Klavierkonzert in A-dur, WoO24, brachte es über eine epigonale Anlehnung an das große Vorbild nicht hinaus. Formvollendet, handwerklich einwandfrei, gewiss; ein nettes, liebenswürdiges Werk. Hören Sie rein: https://www.youtube.com/watch?v=bUAaxPn3I98&list=PL9GikkXr9_dGLDutFHKeRQErVG2_JBGEn&index=25

In Irland, später in St.Petersburg, arbeitete sich John Field an der Gattung ab, auch er ein glänzender Virtuose und nicht unoriginell. Selbst wenn er betrunken am Flügel saß (was häufig vorkam), soll er noch recht gut gewesen sein. Er brachte es auf 7 Klavierkonzerte und immerhin zu dem Nachruhm, Wegbereiter Chopins in Sachen Nocturnes gewesen zu sein.

Aber weder der nette Herr Hummel, noch „Drunken John“, wie man ihn wegen seiner Rauschzustände nannte, schaffte den Einzug in die Geschichtsbücher als treibende und prägende Kraft bei der Weiterentwicklung des Klavierkonzerts. Diese Rolle blieb Beethoven vorbehalten.

1792 kam er aus dem provinziellen Bonn in die Welthauptstadt der Musik, nach Wien. Ein junger Mann mit schlechten Manieren und einem ziemlich unkonventionellen Outfit, aber genial begabt. Ehrgeizig, es bis ganz nach oben zu schaffen, versuchte er zunächst als Pianist in den Salons des Adels Fuß zu fassen. Er machte Eindruck: als feuriger Geist, als fantasievoller (und innovativer) Improvisator. Wenn er spielte, verlangte er absolute Aufmerksamkeit. Wurde sie ihm nicht gewährt, konnte er schon mal ausfallend werden. „Für solche Schweine spiele ich nicht!“ soll er gebrüllt haben, während der den Deckel des Flügels zuknallte, als es irgend so ein adeliges Söhnchen aus gutem Haus, aber mit schlechter Kinderstube wagte, während seines Vortrags ungeniert mit seiner Geliebten zu flirten.

Bereits sein erstes eigenes Klavierkonzert (fälschlicherweise als Nr.2 gelistet) ließ aufhorchen. Da waren zwar noch Anklänge an Mozart, aber der „eigene Ton“ war deutlich zu hören. Und wenn Sie in das Finale der offiziellen Nr.1 (wie gesagt nach der Nummer 2 entstanden) reinhören, kann es keinen Zweifel mehr geben: das war „der, der kommen musste“, wie Schumann Jahrzehnte später Brahms ankündigte: https://youtu.be/rIRB5rcKiOk

Mit seinem dritten Klavierkonzert, seinem einzigen in (c-)Moll, sehen und hören wir Beethoven endgültig in seiner Rolle als nachhaltiger Innovator aufgehen. Alles, was seinen Reifestil auszeichnet, ist da: die kühne Architektur, die motivische Verarbeitung, die Power, die sich auf den Zuhörer überträgt und ihn mit sich fortreißt. – Bereits drei Jahre später, 1806, vollendete er seine Nummer vier, in G-dur, op.58, die am 22.Dezember 1808 im Theater an der Wiens ihre Uraufführung erlebte, mit Beethoven am Flügel. Hier brauchte er keine Angst mehr zu haben, man höre ihm nicht aufmerksam zu. Die bürgerliche Konzertkultur war dabei, die elitären Events in den Salons des Adels abzulösen. Die Leute kamen, um Musik zu erleben. Und was sie an jenem 22.Dezember erlebten, war der Startschuss in Richtung Romantik, in Richtung Schumann und Brahms. Unkonventionell beginnt das Klavier (statt des Orchesters) den ersten Satz. Was folgt, ist sinfonischer Konzertstil in Vollendung. Dennoch ist die Grundstimmung des Kopfsatzes lyrisch. Das dialogische Prinzip wird vor allem im 2.Satz deutlich. Dieses Andante stellt (laut Rainer Pöllmann in „Der Konzertführer“ von Attila Csampai) eine „antike Szene“ dar, voller dramatischer Gegensätze. Schroffe, punktierte Ausrufe der Streicher stehen einer sanften, kantablen Melodie im Klavier gegenüber. Das finale Rondo setzt ohne Pause attacca ein, steckt voller Überraschungen und beendet das Konzert mit einer rasanten Presto-Stretta. Ein Schluss, den die Allgemeine Musikalische Zeitung in Leipzig als „wunderbarsten, eigentümlichsten, künstlichsten und schwierigsten von allen, die Beethoven geschrieben hat“ bezeichnete.

Mit dem 5.Klavierkonzert (1809) ist Beethoven endgültig in die Königsklasse aufgestiegen, im englischsprachigen Raum sogar in die Kaiserklasse: dort wird das Konzert als „Emperor Concerto“ geführt. Gleich zu Beginn macht das Klavier mit einer rauschenden Kadenz – nach einem Es-dur-Akkord in vollem Orchesterornat – klar, wer hier das Sagen hat. Wenn auch nicht das alleinige: das ganze Konzert ist ein gigantischer Dialog zweier gleichwertiger Partner, voll kühner und triumphierender Themen, mal heroisch-dominant (Es-dur war auch die Tonart der „Eroica“, der Heldensinfonie), mal lyrisch zart. So empathisch, mit so ungeheurer Strahlkraft wurde nie zuvor ein Solokonzert angegangen. Nie zuvor war Beethoven als Architekt großartiger, monumentaler. Danach konnte nichts mehr mit klassischen Mitteln kommen. Mit diesem Konzert bricht eine neue Epoche an, die Romantik.

Wenn Sie einen Vorgeschmack auf das bekommen wollen, was Lisiecki am Freitag bietet – hier ist der 1.Satz des „Emperor“ mit ihm und der Academy of St. Martin In The Fields: https://youtu.be/p-og8Z1p7G8