Das Klavierkonzert Nr. 22 in Es-dur, KV 482, ist das dritte Konzert des Jahres 1785. Mit 35 Minuten Spieldauer ist es eines der längsten und zugleich musikalisch reichsten Konzerte Mozarts. Zum ersten Mal erscheinen die Klarinetten (anstelle der Oboen) und werden gleich charakteristisch eingesetzt. Die vielfach solistisch gesetzten dialogischen Bläserpartien verleihen dem Werk neben dem festlich mit Pauken und Trompeten aufspielenden Tutti Leuchtkraft und Wärme. Der Mozart-Biograf Alfred Einstein konstatiert eine Rückkehr, ein Wiederanknüpfen an seine früheren Es-dur-Konzerte (KV 271 und KV 449), wie wenn Mozart in seinen vorhergehenden Konzerten KV 466 und KV 467 zu viel zugemutet hätte, zu weit gegangen sei. Einstein wörtlich: „Er fühlte die Gunst des Publikums ihm entgleiten und suchte sie wiederzugewinnen durch die Anknüpfung an die Werke sicheren Erfolgs.“ Dieser fast abwertenden Einschätzung widersprechen die Tatsachen in zweifacher Weise: erstens hat Mozart mit dem fast revolutionären Konzert KV 271 für die Zeit – wir sprechen vom Jahr 1777 – den Zuhörern entschieden mehr zugemutet, als Einstein offenbar wahrhaben will; und zum Zweiten war KV 467 ein überwältigender Erfolg des Pianisten und Komponisten, der ihn im Zenit seiner Beliebtheit sah. Von rückwärts gerichteten Tendenzen ist vor allem im zweiten Satz nichts zu spüren: in c-moll geht er über den Klagegesang des früheren Konzerts weit hinaus. Im Finale, einem virtuosen Rondo, in dem Solist noch einmal sein ganzes Können unter Beweis stellen kann, ist dann von Klage keine Rede mehr, die Mozart’sche Fröhlichkeit kehrt zurück. Nicht umsonst lässt der Regisseur Milos Forman im Film „Amadeus“ den Titelhelden ausgerechnet diesen Satz, vor dem Kaiser und einem illustren Publikum, spielen. Freilich, open air, wie im Film, dürfte das in der Realität des Jahres 1785 nicht vonstattengegangen sein: die Uraufführung fand im tiefsten Winter, an einem 23. Dezember statt.
Das Konzert entstand parallel zur Arbeit an „Le nozze di Figaro“. Offenbar fehlte Mozart die Zeit, den Klavierpart vollständig auszuschreiben. Die überlieferten Skizzen – mehr brauchte Mozart nicht, er war ja selbst der Pianist – fordern die Pianisten von heute enorm heraus und verlangen ein sicheres Stilgefühl bei der Ausgestaltung ihres Parts sowie die Fähigkeit, sich aufgrund der Kenntnis von anderen Mozartr-Konzerten mit ausgeschriebener Klavierstimme vorstellen zu können, was der Komponist wohl im Sinn gehabt haben könnte. – Natürlich hat Mozart – wie bei fast allen Konzerten für den eigenen Gebrauch – auch keine Kadenz hinterlassen. Da sprang der englische Komponist Benjamin Britten in die Bresche und schrieb eine, die viele Pianisten bis heute am Ende des ersten Satzes spielen. -
„Der Kerl hat mehr Ideen als wir alle. Aus seinen Abfällen könnte sich jeder andere die Hauptthemen zusammenklauben.“
Also sprach Johannes Brahms und meinte damit den acht Jahre jüngeren Kollegen aus Prag, Anton Dvořák. Klingt auf den ersten Blick ein wenig herablassend: der Kerl! Klingt nach intellektueller Überheblichkeit, war aber ehrliche Bewunderung.
Dvořáks Achte ist so etwas wie seine Pastorale: inspiriert von der Landschaft rund um seinen Sommersitz in Vysoká, aber ohne hinweisgebende Satzüberschriften wie bei Beethoven, bildet sie einen lyrischen Kontrast zur d-moll-Vorgängerin, wirkt gelöster. Er schrieb sie 1889 anlässlich seiner Aufnahme in die Böhmische Kaiser-Franz-Joseph-Akademie für Wissenschaft, Literatur und Kunst. Die Uraufführung fand am 2. Februar 1890 unter der Leitung des Komponisten in Prag statt.
Der erste Satz beginnt choralartig in g-moll (Cello, Klarinette und Fagott). Das eigentliche Hauptthema steht in G-dur, ein kontrastierendes Seitenthema kommt hinzu. Das g-moll-Thema wird zum gliedernden Element: es erklingt jeweils an den formalen „Nahtstellen“, also zu Beginn jedes neuen Abschnitts. Der zweite Satz, ein rhapsodisches Adagio, erinnert ein wenig an Tschaikowsky, mit dem sich Dvořák kurz davor befreundet hatte. Das Scherzo ist eher ein langsamer Walzer, ein bisschen wehmütig und doch elegant-beschwingt.
Im Finale probiert Dvořák etwas Neues aus: zunächst kommt es als Variationssatz daher, zunächst imitatorisch, dann in gesteigertem Tempo und im Tutti auftrumpfend. Aber dann erscheint ein neues Thema, fast exotisch anmutend, in c-moll. Und nun wird die Variationsform endgültig verlassen: ein einem durchführungsartigen Abschnitt treffen die beiden Themen konfliktartig aufeinander. In der Reprise triumphiert das Hauptthema noch einmal im Tutti. Dvořák gelingt so eine raffinierte Verschmelzung von Variationsreihe und Sonatensatz.
Die Uraufführung ist ein Triumph für den Komponisten, die Sinfonie tritt rasch ihren Siegeszug über die europäischen Konzertpodien an: Frankfurt, Wien, London. Und Cambridge: dorthin nahm er sie bei seiner letzten Englandreise mit und führte sie anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität auf. Welcome, Dr. Dvořák!
Heute gehört die Achte zu den meistgespielten Dvořák-Sinfonien und ist in einer beeindruckenden Vielfalt auf Tonträgern erhältlich. Wenn Sie reinhören möchten: Bei YouTube gibt’s eine hervorragende Aufnahme mit Rafael Kubelik (selbst Tscheche, was für eine gewisse Authentizität sorgt) und den Berliner Philharmonikern. Auch von Karajan existiert eine spannende Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern. Und Zubin Metha hat das Werk mustergültig mit dem Los Angeles Philharmonic aufgeführt, als Live-Video bei YouTube zu bestaunen.
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