Martin H. Müller: Maestro Mielgo, wir sind sehr glücklich, dass das Sommerfestival der Balearensinfoniker nach zwei Jahren Corona-Pause wieder an seine angestammte Spielstätte, den Innenhof von Schloss Bellver, zurückkehrt. Ich möchte Ihnen zunächst zu acht wundervollen Programmen und vier Sonderkonzerten gratulieren. Würden Sie eines dieser Konzerte als Ihren Favoriten bezeichnen?
Pablo Mielgo: Auf keinen Fall! Als Künstler liebe ich alle Stücke, die ich dirigiere, da gibt es kein Besser oder Schlechter. Alle Stücke, die wir aufs Programm gesetzt haben, sind fantastisch. Und das ist der beste Weg, meine Musikerinnen und Musiker zu motivieren. Jedes Programm ist ein Highlight; es gibt in diesem Sommer so viele wunderbare Werke, dass es unfair wäre, eines davon als Favoriten hervorzuheben.
MHM: Das ist wahr! Ein Highlight folgt dem anderen. Und es gibt große Namen, wie Pinchas Zukerman oder Jan Lisiecki. Und in einem der Sonderkonzerte gibt’s ein Wiedersehn- und Hören mit der wunderbaren Pretty Yende.
PM: Oh ja, sie ist wirklich großartig.
MHM: Gibt es einen Grund, weshalb die vier Sonderkonzerte nicht open air sind, sondern in Konzertsälen stattfinden?
PM: Nun, Mitte Juni besteht noch ein gewisses Wetter-Risiko, es könnte regnen. Das wird es wahrscheinlich nicht, aber wir waren trotzem so vorsichtig, diese Konzerte in Theaterräumen anzusetzen. Ab Ende Juni gibt es erfahrungsgemäß dieses Problem nicht, und ab da gehen wir dann ins Freie.
MHM: Herr Mielgo, es ist bekannt, dass Sie die Akustik im Bellver-Innenhof sehr loben. In der vergangenen Wintersaison waren die 21 Abokonzerte auf drei Spielstätten verteilt, die meisten fanden im Trui Teatre statt, die übrigen im Auditorium und im Teatre Principal. Bevorzugen Sie den Klang in einem dieser drei?
PM: Die drei Räume sind in der Tat sehr unterschiedlich, jeder hat seine Vor- und Nachteile. In jedem bemühen wir uns, die besten akustischen Voraussetzungen für das Publikum zu schaffen. Die Dynamik ist zum Beispiel im Trui Teatre besonders gut, der Gesamtklang und der Nachhall sind dagegen im Auditorium besser. Aber wirklich ideal ist keiner dieser Säle. Deshalb sind wir gerade dabei, einen eigenen Konzertsaal zu bauen, der speziell für das Orchester gemacht ist und eine fantastische Akustik haben wird.
MHM: Da wünschen wir Ihnen viel Erfolg. Ich freue mich sehr darauf, ihn zu erleben, wenn er fertig ist. – Lassen Sie uns auf die kommenden Events zurückkommen. Es werden acht Konzerte sein, fünf davon dirigieren Sie selbst, für die anderen haben Sie Gäste eingeladen. Das bringt mich zu meiner nächsten Frage, die wahrscheinlich auch die Leser meines Blogs interessieren dürfte: wie ist das eigentlich, ist da erst die Einladung und die Gäste bringen ihr eigenes Programm mit, oder legen Sie das im Vorfeld fest und sagen „so, das wird gespielt, wollen Sie das machen?“
PM: Nein, das ist eine offene Diskussion zwischen den Künstlern und mir, wir entscheiden gemeinsam, was zu tun oder zu lassen ist.
MHM: Am 21. Juli wird es ein ganz besonderes Konzert geben, das keinen Dirigenten braucht: „Nightmare Music“ mit Igudesman & Joo. Was erwartet uns da? Ich stelle mir das ähnlich vor wie die Shows von Joja Wendt, einem Jazzpianisten, der in Deutschland sehr bekannt ist und ähnliche Programme macht, mit viel Improvisation und voll von musikalischem Humor. Kann man das vergleichen?
PM: Für mich sind Igudsman & Joo das beste Komikerduo überhaupt. Sie machen fantastische Arrangements, die das Publikum begeistern und die auf klassischen Stücken basieren. Igudsman ist ein großartiger Geiger und Joo ist am Klavier ebenso großartig. Da stimmt beides, das komödiantische Niveau und das musikalische. Es wird ein sehr, sehr lustiger Abend mit den Beiden.
MHM: Stimmt es, dass der Titel der Show, „Nightmare Music“, auf Mozarts Kleine Nachtmusik zurückgeht?
PM: Ja, das ist so. Freuen Sie sich darauf!
MHM: Im ersten Konzert am 30. Juni steht Mozarts Jupitersinfonie auf dem Programm. Für mich eine der größten Sinfonien, die je geschrieben wurde. Haben Sie eine spezielle Beziehung zu dem Werk?
PM: Ich liebe alle späten Sinfonien von Mozart, die Nummer 40, die 39, die Haffner-Sinfonie, die „Linzer“. Das sind alles tolle Stücke, in denen man die reife Ausdrucksweise eines Genies hören kann, auf dem musikalischen Niveau beispielsweise des „Don Giovanni“ . Und wir dürfen nicht vergessen, dass wir es da mit einem Komponisten zu tun haben, der gerade mal um die 30 war. Dieses Niveau ist unglaublich. Und die 41, die Jupitersinfonie, ist vom ersten Takt an einzigartig.
MHM: Deshalb ist dieses Konzert mein erstes Highlight…
PM: …die anderen sind auch gut!
MHM: … und mein zweites Highlight ist das letzte Konzert am 12. August mit Jan Lisiecki. Ich denke, es ist ein ganz besonderes Vergnügen für Sie, einen Pianisten zu begleiten, weil Sie selbst einer sind. Ich erinnere mich mit großer Freude an ein Konzert im Auditorium vor einigen Jahren, in dem Sie ein Mozart-Klavierkonzert spielten, ich weiß nicht mehr genau welches, KV 414 oder 449; auf jeden Fall war es großartig…
PM: …danke!
MHM: Ganz nebenbei: haben Sie vor, eines Tages mal wieder als Pianist auf das Podium zurückzukehren?
PM: Das fragen mich viele Leute, immer wieder. Nun, es ist so: mein Hauptberuf als Dirigent füllt mich sehr aus und ist sehr arbeitsintensiv. Sehen Sie, ich habe in letzter Zeit 49 neue Werke studiert, und so ist es sehr schwer, beide Berufe zu vereinen und beides gut zu machen. Ich habe meinen Flügel zu Hause, und ich übe ständig. Vielleicht werde ich eines Tages wirklich wieder ein Konzert spielen, wer weiß?
MHM: Das fänden wir klasse! – Jetzt begleiten Sie aber Jan Lisiecki, der selbst ein Dirigent ist. In seiner Aufnahme der fünf Beethovenkonzerte für die Deutsche Grammophon, war er Pianist und Dirigent in Personalunion. Sein Orchester war die Academy of St. Martin in The Fields, ein Kammerorchester. Und ich bin sicher, er hat, was den Orchesterklang betrifft, seine eigenen Vorstellungen, die aus seiner Arbeit mit eben diesem Kammerorchester resultieren. Und ich könnte mir vorstellen, dass die anders sind als die Ihrigen. Nun sind am 12. August Sie der Chef, und Sie dirigieren ein großes Orchester. Wie können Sie die unterschiedlichen Klangvorstellungen zusammenbringen?
PM: Das ist kein Problem, wir sind beide Profis! Lisiecki bringt eine Menge Ideen mit, und der Dirigent hat die Aufgabe, diesen Ideen ihre Freiheit zu lassen. Und sich daran zu freuen. Lisiecki ist einer von den ganz Großen!
MHM: Das war ein schönes Schlusswort. Herr Mielgo, es war mir eine große Freude, dieses Gespräch mit Ihnen führen zu dürfen. Ganz herzlichen Dank. Ich freue mich, Sie bald wieder auf der Bühne zu sehen. Haben Sie einen guten Sommer – und gute Proben! Hasta luego en Castillo Bellver!
PM: Oh, schön. Kommen Sie! Hasta pronto!
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