An Grenzkontrollen in Europa kann sich vor allem die jüngere Generation nur noch vage erinnern. Ich selbst bin im deutsch-französischen Grenzgebiet aufgewachsen. Für mich ist es seit Kindertagen selbstverständlich, den Rhein zu überqueren, ohne ein Ausweisdokument vorzeigen zu müssen. Die Freizügigkeit von Helsinki bis Cádiz, von Amsterdam bis Athen –egal ob man per Flugzeug, Auto oder Schiff unterwegs ist – ist eine der größten Errungenschaften der EU. Dass in diesen Tagen und Wochen wieder die Schlagbäume heruntergelassen und Zäune hochgezogen wurden, dass Flughäfen militärischem Sperrgebiet gleichen, das sind Bilder, die niemand jemals mehr sehen wollte.
Noch zu Beginn der Krise hatten die Politiker stets betont: „Ein Virus kennt keine Grenzen.” Diese Aussagen scheinen überholt. Isolation und Abschottung wurden zum Mittel der Wahl. Aber der Preis dafür ist hoch. Familien wurden getrennt, Beziehungen belastet, die Wirtschaft gelähmt. Brüssel tut deshalb gut daran, seine Mitgliedsstaaten jetzt einmal mehr in die Pflicht zu nehmen, einen Fahrplan für eine rasche Öffnung aller EU-Binnengrenzen vorzulegen und die Länder mit Nachdruck dazu aufzufordern, diesen auch umzusetzen.
Ja, der Schutz von Leben und Gesundheit sollte immer Vorrang haben, aber auch dieser ist letztlich nur im Einklang möglich – mit schlüssigen Konzepten und im Gleichschritt – über die Grenzen hinweg. Denn wenn diese Krise eines leider gezeigt hat: Am Ende ist sich – selbst in dieser viel beschworenen Union – jeder selbst der Nächste. Im Guten alle vereint, im Schlechten jeder für sich. Viele Image-Schäden sollte sich die EU nicht mehr leisten.
Nicht zuletzt kommt eine rasche Grenzöffnung natürlich auch dem Tourismus zugute – das weiß man auf Mallorca nur allzu gut. Das Infektionsgeschehen hier ist gering – der Schaden, der durch den (bisher notwendigen und richtigen) Lockdown aber entsteht, nimmt ungekannte Ausmaße an. Das sollten die Politiker berücksichtigen, damit auch die Kinder von Morgen den Rhein überqueren können, ohne einen Ausweis vorzeigen zu müssen.
Autor: Patrick Czelinski
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