Die Playa de Palma wurde durch neue Hotelprojekte aufgewertet, der Exzesstourismus soll verdrängt werden. | Jose Barcelo

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Die Geschichte des Mallorca Magazins ist untrennbar verbunden mit der Entwicklung des Tourismus auf der Insel. Dass ausgerechnet 1971 die ersten Ausgaben der Wochenzeitung erscheinen, ist auch dem ersten großen Tourismusboom zu verdanken, den Mallorca damals erlebt. Schon Mitte der 1960er Jahre landen zum ersten Mal mehr als eine Million Urlauber auf der Insel. Sowohl Lufthansa als auch Condor unterhalten bereits regelmäßige Flugverbindungen zwischen Mallorca und Deutschland, die Zahl der Hotels ist schon auf mehr als 1000 angestiegen. War Mallorca lange Zeit noch ein geradezu exotisches Urlaubsziel gewesen, die Anreise weit und beschwerlich, so ist die Insel nun für praktisch jedermann erreichbar – dank Pauschalreiseangeboten und Wirtschaftsaufschwung.

Von Anfang an sind es vor allem die Deutschen, die auf der Insel ihre Sehnsucht nach Sonne, Strand und Meer befriedigen. Es entwickelt sich eine Beziehung, die nicht frei von Konflikten, zweifelsohne aber von Dauer ist. Während sich die einen über den „Ballermann” mokieren, schwören andere der Insel ewige Liebe, ihrer Schönheit und Vielfältigkeit wegen. Mallorca wurde abschätzig als „Putzfraueninsel” verunglimpft, leidet noch heute unter dem Ruf als Sauf- und Party-Insel, ist in Deutschland aber längst auch fester Bestandteil des kollektiven Gedächtnisses. Schließlich haben hier Generationen ihren Familienurlaub verbracht. Neben jährlich mehr als 4,5 Millionen Deutschen – so viele waren es zumindest im Jahr 2019 –, die ihre Ferien auf der Insel verbringen, dürften Zehntausende Bundesbürger Besitzer einer Urlaubsimmobilie oder eines Zweitwohnsitzes sein.

Das Verhältnis zwischen Deutschen und Mallorquinern ist nicht immer einfach. Als etwa ab den 1990er Jahren immer mehr Immobilien in den Besitz von Ausländern übergehen, gibt es eine regelrechte Kampagne gegen den „Ausverkauf Mallorcas”. Auch der als Scherz gemeinte Vorschlag eines deutschen Politikers, die Insel doch zum „17. Bundesland” zu machen, gilt bei vielen Mallorquinern als Ausdruck deutscher Arroganz. Gleichzeitig erfährt aber die Treue der Deutschen zu Mallorca spätestens seit dem coronabedingten Einbruch der Tourismuszahlen doch enorme Wertschätzung.

Die Zahl der Fünf-Sterne-Hotels in Palma ist stark gestiegen. Inselweit gibt es inzwischen 52 der Edelhotels.

Denn eines ist vollkommen klar: In den vergangenen 50 Jahren ist Mallorca zu einer Insel geworden, die vom Tourismus lebt, ja, abhängig ist vom Geschäft mit den Urlaubern. Kein anderes Phänomen des 20. Jahrhunderts hat die Insel so geprägt wie dieser Wirtschaftszweig. In gleichem Maße, wie der Tourismus seit den 1960er Jahren wächst, schrumpfen andere Bereiche, allen voran das produzierende Gewerbe und die Landwirtschaft. Noch 1933 setzt die Landwirtschaft dreimal so viel Geld um wie der Tourismus. Im Jahr 1973 dagegen trägt der Dienstleistungssektor bereits mehr als 50 Prozent zur gesamten Wirtschaftsleistung bei. Seit den 1990er Jahren liegt der Wert dann bei mehr als 80 Prozent. Der Tourismus hat der Insel Reichtum gebracht: Jahrzehntelang liegt das Bruttoinlandsprodukt auf den Balearen um ein Vielfaches über dem spanischen Durchschnittswert. Der Lebensstandard der Inselbewohner erreicht nie geahnte Höhen.
Gleichzeitig führt die boomende Wirtschaft seit den 1960er Jahren zu einem immer größeren Bedarf an Arbeitskräften und lockt Zehntausende Menschen auf die Insel, zunächst vom spanischen Festland, später auch aus anderen Teilen der Welt. In Palma entstehen ganze Wohnviertel, in denen sich diese neuen Mallorquiner niederlassen. War es bis weit ins 20. Jahrhundert hinein im ländlichen Mallorca noch ein echtes Ereignis, einem Zugereisten zu begegnen, ist heute jeder zweite Bewohner Mallorcas nicht auf der Insel geboren.

Auch die Landschaft verändert der Tourismus rasant. Der weitgehend ungeordnete Bauboom ab den 1970er Jahren prägt vor allem die Küstenorte. Der Ausbau der Infrastruktur, die nötig ist, um die immer größere Zahl an Menschen aufnehmen zu können, schreitet unaufhaltsam voran. Und so entsteht parallel dazu eine breite Bewegung, die sich die Bewahrung der Insel und ihrer Umwelt auf die Fahnen geschrieben hat. Es sind die 1970er Jahre, in denen Naturschutzgruppen wie der GOB (Grup Balear d’Ornitologia i Defensa de la Naturalesa) erstmals unverhohlen die Landschaftszerstörung anprangern. Erst in den 1980er Jahren jedoch, nach dem Ende der Diktatur, greift die erste autonome Regionalregierung durch strengere Vorschriften regulierend ein.

Der Tourismus hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten stark gewandelt. Wie sehr, das lässt sich gut an der Hotellandschaft der Insel ablesen. So machten die Ein- bis Drei-Sterne-Hotels im Jahr 1983 noch fast 90 Prozent des Angebots aus. Die Ein-Sterne-Häuser stellten damals mit 205 noch die mit Abstand häufigste Kategorie, gefolgt von Drei- (167) und Zwei-Sterne-Hotels (142). Vier- und Fünf-Sterne-Hotels waren mit 48 beziehungsweise sieben Häusern noch die ganz große Ausnahme und verfügten gerade einmal über 18.000 von insgesamt 133.000 Betten.

Mittlerweile findet man kaum mehr EinSterne-Hotels, im Jahr 2020 gab es inselweit gerade einmal noch 14. Auch Zwei-Sterne-Hotels verschwinden zusehends vom Markt: derzeit existieren noch 35 von ihnen. Während die Zahl der Drei-Sterne-Häuser leicht angestiegen ist, explodierte die Zahl der Vier-Sterne-Häuser geradezu: von 48 auf 350. Fünf-SterneHotels gibt es mittlerweile 52 auf der Insel. Beide Kategorien zusammen stellen heute fast 70 Prozent der Hotelbetten. Der Trend weg vom Billig- hin zum Luxus- und Qualitätstourismus ist also eindeutig.

Die Playa de Palma wurde durch neue Hotelprojekte aufgewertet, der Exzesstourismus soll verdrängt werden.
Mit dem Anstieg der Touristenzahlen wuchs auch die Zahl der Souvenirläden.

Das lässt sich auch in Palmas Altstadt beobachten, einer der Gegenden Mallorcas, die in den zurückliegenden Jahren einen grundlegenden Wandel erfahren haben. Hier sind Dutzende neue Hotels entstanden, überwiegend kleine, feine Häuser gehobener Kategorie in restaurierten Herrenhäusern. Dies hat einerseits zur städtebaulichen Aufwertung zuvor heruntergekommener Ecken sowie zur Belebung des historischen Zentrums geführt. Dieses neue Angebot, das sich vor allem an Städtereisende richtet, denen es nicht in erster Linie um Strand und Sonne geht, bringt aber auch Probleme mit sich. Immer wieder tauchten in der Vergangenheit tourismuskritische Graffiti auf: Die Umwidmung von Wohnraum zu Hotels sei ein Grund für die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt in der Inselhauptstadt.

Auch der Boom der Kreuzfahrtindustrie in den zurückliegenden Jahren hat zur zunehmend tourismuskritischen Haltung vieler Inselbewohner beigetragen. Im August 2019, dem letzten Jahr vor dem coronabedingten Einbruch des Kreuzfahrttourismus, machten in Palmas Hafen 76 Schiffe fest. Sie hatten mehr als 316.000 Passagiere an Bord. Kein Wunder also, dass der ein oder andere Anwohner in der Altstadt angesichts der Urlaubermassen das Gefühl hat, mitten in einer Touristenattraktion zu leben. Kritiker fordern, dass nur noch ein Schiff pro Tag in Palma festmachen dürfe.

arran turismo
Kritik am Tourismus: Wegen Umwidmung von Wohnraum in Hotels und Ferienwohnungen gibt es kaum noch bezahlbare Wohnungen.

Mitten im Wandel befindet sich auch die Playa de Palma, die wichtigste Urlaubermeile der Insel. Vor allem private Unternehmen haben hier in den vergangenen Jahren Hunderte Millionen Euro in die Aufwertung der Hotels und des gesamten touristischen Angebots investiert. Vor allem der Exzess-Tourismus, der immer wieder für Negativschlagzeilen sorgt, soll auf diese Weise verdrängt werden. Das ist nicht das einzige Thema, das die Insel auch weiterhin beschäftigen wird. Ebenso offen ist die Frage, ob und wie es endlich gelingen kann, die Abhängigkeit von der Sommersaison zu verringern. Und nicht zuletzt wird angesichts knapper Ressourcen auch die Diskussion über die Begrenzung des Wachstums weitergehen. Vor 50 Jahren hätte es sich wohl niemand träumen lassen, dass auf Mallorca einst ernsthaft darüber debattiert werden würde, wie man die Zahl der Touristen beschränken kann.