Schon nach den ersten Metern wird die Luft angenehm kühl. "18 Grad", sagt Diego Revilla. "Da kann man es gut aushalten." Während draußen die Mittagssonne die Steine erhitzt, führt Revilla Interessenten in eine andere Welt, ohne Licht, ohne Hitze, nicht einmal Geräusche dringen aus der Welt vor dem Eingang in die Tiefen der Höhle von Gènova. Sie liegt versteckt auf dem Gelände des Restaurants "Ses Coves" mitten in dem kleinen Stadtteil von Palma. Den Eingang ziert eine Gittertür, die eher an den Eingang in einen Kellerraum erinnert. Mehrere Jahre blieben sie der Öffentlichkeit größtenteils verschlossen, vor Kurzem hat der Restaurantbetreiber gewechselt. Jetzt sind fast stündlich Führungen möglich.
"Ich bin kein Experte", sagt Revilla und lacht sympathisch. "Ich arbeite im Restaurant als Angestellter mit und wenn Leute kommen, dann mache ich die Führungen. Das Wissen habe ich mir angelesen." Ein bisschen Stolz klingt in Revillas Stimme mit und auch so etwas wie Begeisterung. "Die Höhle lebt. Sie verändert sich stetig. Wenn man sich einmal mit dem Thema befasst, ist es wirklich spannend", sagt er. Tatsächlich macht sich der junge Mann gut als Höhlenführer. "Vorsicht, der Boden ist teilweise nass und rutschig", ermahnt er. "Und schön auf den Kopf aufpassen."
Immer wieder lassen hängende Tropfsteine, die an lange Eiszapfen erinnern, die größeren Besucher ausweichen. "Stalaktiten", erklärt Revilla. "Die, die vom Boden nach oben wachsen, sind die Stalagmiten, wenn sie sich treffen, heißen sie Stalagnaten." Für einen Zentimeter brauchen sie etwa 90 Jahre.
Im Jahre 1906 wurde die Höhle von Gènova durch Zufall entdeckt, als Ansässige eine Zisterne bauen wollten und auf der Suche nach Grundwasservorkommen waren. Bis 1930 konnte man nur durch einen Förderkorb in die Gewölbe gelangen, dann wurden Zugänge gebaut. Seit 1942 zieht es auch Touristen in die Welt unter Gènova.
Die unterirdischen Gewölbe von Gènova sind nur eine von geschätzt 4500 Höhlen auf Mallorca. "Viele von ihnen sind miteinander verbunden, große Teile der Insel sind ausgehöhlt", berichtet Revilla. Grund dafür ist unter anderem das große Vorkommen von Kalkstein - Kalk ist wasserlöslich. Das Regenwasser, das durch das Erdreich sickert, zersetzt den Kalkstein mit der Zeit, er wird löchrig und nach unzähligen Jahren wachsen die Löcher zu Höhlen heran. Das Meerwasser tut sein Übriges. "Die Höhle von Gènova ist etwa eine Million Jahre alt. Genauer kann man es nicht sagen. Aber das sind ohnehin Dimensionen, die man sich als Mensch kaum vorstellen kann", findet Revilla.
Vorstellen kann man sich dagegen ganz andere Sachen, je weiter man in die Tiefe vordringt, desto mehr wird die Fantasie angeregt. Hier scheinen die Steinsäulen plötzlich ein vergittertes Fenster darzustellen, dort ähneln die Kalksteingebilde blumenkohlartigen Gewächsen. Selbst Barcelonas Vorzeigekirche "Sagrada Familia" ist auf dem Weg durch die Unterwelt zu erkennen - wenn man genau hinguckt. Die bunten Scheinwerfer, die teilweise die Farbe wechseln, beflügeln die Vorstellungskraft weiter. "Wir haben die gesamte Beleuchtung neu gemacht, genau wie viele Geländer und Geräte zum Messen der Feuchtigkeit", so Revilla.
Auf drei Ebenen führt die Höhle bis zu 36 Meter in die Tiefe. Durch das rot beleuchtete "Höllenzimmer" gelangt man schließlich zum Heiligtum am tiefsten Punkt der Höhle. Wie eine kleine Figur reckt sich ein Kalksteingebilde aus dem Boden. "Das ist unsere Marienstatue. Zumindest erinnert sie fast alle Besucher daran", erklärt Revilla.
Irdisches - oder besser: unterirdisches - Leben gibt es kaum in der Gènova-Höhle. Vermutlich durch die Eingriffe der Menschen. Treppen, betonierte Böden und Helligkeit sind ursprünglichen Höhlenbewohnern wie Fledermäusen nicht geheuer. "Die einzigen Bewohner, die ich hier gesehen habe, sind Doppelschwänze, also kleine Gliederfüssler", berichtet Revilla. Das gilt zumindest für die Teile, die man betreten kann. An vielen Stellen sind hinter den Scheinwerfern weitere, schmale Aushöhlungen zu erkennen, die ins Dunkel führen. "Es ist ein endloses Labyrinth, da sollte man nicht alleine und unwissend hineingeraten", so Revilla.
Seine Tour ist nach etwa 30 Minuten beendet - je nachdem, wie viele Fragen die Besucher haben. Nähert man sich anschließend dem Ausgang, schmerzt das Sonnenlicht in den Augen, die Hitze von draußen erscheint wie eine Wand - und die fantasievollen Gebilde der Höhle bald wieder wie eine ganz andere Welt.
BESUCH der Gènova-Höhle:
- Die Höhle ist nur wenige Minuten von Palmas Innenstadt entfernt (Adresse: Carrer Barranc 45).
- Führungen täglich außer montags zwischen 10.15 Uhr und 17.30 Uhr im 45- bis 60-Minuten-Takt. Anmeldungen sind nicht erforderlich.
- Eintritt für Erwachsene 10 Euro, für Kinder (vier bis zwölf Jahre) 5 Euro.
(aus MM 31/2016)
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