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"Kann ich Sie beraten?", fragt die Verkäuferin und weist mit der Hand auf einen Ausstellungsraum voller Stoffrollen. "Nein danke, ich weiß genau, was ich will", entgegnet der Kunde und betont, dass er seit mehr als zwölf Jahren nach Mallorca komme, um Llengües-Stoffe einzukaufen.

"Man bekommt sie nicht in Deutschland. Ich finde sie einfach schön und sie passen perfekt zu meinem Haus in Kaiserslautern, das ich im südlichen Stil angelegt habe." Überzüge für Sofas und Kissen, Schondecken für Betten und Gardinen habe er mit Llengües-Stoffen anfertigen lassen, vorzugsweise im traditionellen Blau oder kräftigen Gelb auf weißem Grund.

Der Name der inseltypischen Stoffe rührt von ihren rautenförmigen Mustern, die an Zungen (mallorquinisch: llengües) erinnern. Über ihre Herkunft sei man sich nicht ganz sicher, meint Maribel Bujosa von der Textilfabrik Bujosa in Santa Maria, aber sehr wahrscheinlich stammten die Llengües aus Ostasien und seien zur Zeit der Mauren nach Mallorca eingeführt worden. Sie haben in der Tat große Ähnlichkeit mit den orientalischen Ikatstoffen.

Beides sind Webstoffe, deren Garn vor der Verarbeitung abschnittsweise per Hand mit lebhaften Farben eingefärbt wird. Mallorquinische Llengües bestehen aus Baumwolle und Leinen. Früher habe man auch Seide mit Baumwolle verarbeitet, erzählt Maribel Bujosa, doch das würde heute aus Kostengründen nur noch selten gemacht.

Lediglich drei Textilfabriken auf Mallorca stellen noch Llengües her: Teixits Vicens in Pollença, Bujosa in Santa Maria und Riera in Lloseta, allesamt Familienbetriebe mit zum Teil über hundertjähriger Tradition. Jede Familie habe ihr Geheimnis, meint Maribel Bujosa und führt in den Websaal, in dem mächtige Webstühle lautstark Stoffe produzieren. "Wir arbeiten noch mit ganz alten Maschinen vom Ende des 19. Jahrhunderts." Neue Webstühle seien zwar schneller, doch die alten webten die Stoffe wie früher mit Imperfektionen, die ihnen die individuelle Note gäben.

Alle drei Fabriken stellen in erster Linie Llengües mit klassischen Rautenmustern her, aber jedes Jahr entwerfen sie auch neue Designs, oft im Auftrag von Kunden. Die Gestaltungsvielfalt sei groß. Die Muster sollten jedoch konkrete, geometrische Formen mit ein bis drei Farben haben, erklärt Biel Riera von Textil Riera in Lloseta: "Ein komplexes Blumenmuster in fünf Farben wäre zum Beispiel nicht möglich."

Llengües-Stoffe kann man direkt in der Fabrik und in vielen Geschäften auf Mallorca kaufen. Allerdings gebe es viele Imitationen, meint Biel Riera. Echte Llengües erkenne man als Erstes am Preis. 40 Euro koste ein Meter im Durchschnitt, denn die Produktion sei teuer und langwierig. Fast zwei Monate vergingen vom Einfärben des Garns bis zum Endprodukt, betont der Fabrikant. Zweitens seien original Llengües immer auf der Vorder- und Rückseite gemustert mit kleinen Unregelmäßigkeiten in der Struktur, während Imitationen meist nur eine bedruckte Seite mit absolut gleichmäßigem Muster hätten.

Ein weiteres Merkmal sei die Stoffqualität, ergänzt Maribel Bujosa. Echte Llengües seien sehr widerstandsfähig: "Wenn sie im Sommer dauernd der Sonne ausgesetzt sind, vor allem hier auf Mallorca, verbleichen die Farben natürlich mit der Zeit, aber wenn man ein bisschen Acht gibt, hält der Stoff ein Leben lang." Waschen könne man ihn einfach in der Waschmaschine.

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Neben der traditionellen Verwendung als Sofa- oder Bettbezüge, Tischwäsche oder Gardinen entdecken Designer immer mehr Einsatzmöglichkeiten für Llengües-Stoffe. Fiona Windisch etwa, eine in Paris ansässige Designerin, die mehrere Jahre auf Mallorca gelebt hat, entwirft Strandaccessoires wie Taschen, Fächer und sogar Kleider mit Llengües-Stoffen (www.sonnoguera.com).

Noch ausgefallener sind die Kreationen junger mallorquinischer Modeschaffender. Lampenschirme, Schuhe, Keramik, Gürtel, Kleider, Einbände von Notizbüchern und sogar ein Fahrrad mit Llengües-Überzug haben Jungdesigner der balearischen Hochschule für Design entworfen. Mit innovativen Ideen die Zukunft dieses für Mallorca emblematischen Industriezweigs sichern, lautet die Devise.

Wer sich für die Geschichte der Llengües interessiert, dem empfiehlt sich ein Besuch im Museu Martí Vicenç in Pollença. Es ist dem Künstler und Weber Martí Vicenç Alemany (1926 - 1995) gewidmet, dessen kreative Ideen die Llengües-Webkunst verfeinert haben. Neben zahlreichen Stoffen sind auch alte Spinnräder und Webstühle zu besichtigen.

INFO

Museu Martí Vicenç, Pollença. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Montag 10 bis 13 Uhr, 15 bis 18 Uhr. Dienstag geschlossen. Eintritt frei. Tel. 688-386055. www.martivicens.org

Teixits Riera, Lloseta. Tel. 971-514034. www.teixitsriera.com

Artesanía Textil Bujosa, Santa Maria. Tel. 971-620054. www.bujosatextil.com

Teixits Vicens, Pollença. Tel. 971-530450. www.teixitsvicens.com