"Tag für Tag schreiben wir Verluste“, klagt Malen Juve, „es ist ein wirklich schweres Jahr.“ Die Mallorquinerin und ihre beiden Schwestern betreiben sechs Geschäfte für Bekleidung und Souvenirs in Palma, Peguera und Santa Ponça. Nur vier davon haben sie derzeit auch geöffnet. Einen weiteren Laden schloss das Trio ganz. „Derzeit stehen wir 14 Stunden pro Tag im Geschäft“, erzählt sie. Die Angestellten mussten in Kurzarbeit geschickt werden.
Die Coronakrise und die geringe Zahl der Urlauber auf Mallorca trifft den Einzelhandel hart. Viele mussten sich neue Vertriebswege außerhalb das Ladengeschäfts suchen. „Ich habe angefangen, meinen Laden Mamape in Palma bei Instagram zu bewerben“, erzählt Malen Juve. Über das soziale Netzwerk kaufen die Kunden nun ein. Vor Ort setzt die Geschäftsfrau auf Rabatte: „Neuware kommt rein und geht sofort mit 20 Prozent Nachlass auf die Stange. Anders geht es zurzeit nicht“, sagt sie.
In anderen Jahren setzte sich die Kundschaft aus 80 bis 90 Prozent Touristen zusammen, mittlerweile machen Urlauber rund 60 Prozent aus. „Besonders die deutschen Kunden konsumieren weiterhin. Sie wollen ihr Geld in Umlauf bringen, um so die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die Einheimischen versuchen derzeit, so wenig wie möglich auszugeben“, sagt Malen Juve.
Diese Erfahrung hat auch Maria Sickmüller gemacht. Sie vertreibt Bademode der Marke Fishkiss. „Die spanischen Kundinnen kaufen mal einen Bikini, die deutschen oft gleich mehrere“, berichtet die Geschäftsfrau. Ihre Stammkundinnen retteten die Freiburgerin durch die Zeit der Ausgangssperre: „Sie wollten mich unterstützen, bestellten Bikinis, obwohl sie gar keine brauchten.“ Ohne den Onlinevertrieb wäre der Verkauf zum Erliegen gekommen. Maria Sickmüller erweiterte ihr digitales Angebot und lockt auch mit Preisnachlässen. Im Sommer unterhält sie einen Freiluft-Stand am Es-Trenc-Strand, in diesem Jahr verzichtete sie darauf. Auch aus einem Ladengeschäft in Santanyí zog sie sich aufgrund des geringen Umsatzes zurück. Nun setzt die 50-Jährige, die seit 1997 auf Mallorca lebt, voll auf den Verkauf über ihre Webseite sowie ihren Showroom nahe Campos, den sie nur nach Voranmeldung öffnet.
Sowohl auf das digitale Einkaufserlebnis als auch das Shoppen in den zwei großen Kaufhäusern in Palma baut die Kette „El Corte Inglés“. „Wir möchten sicherstellen, dass sich die Kunden bei uns sicher fühlen und das Einkaufen genießen“, betont Antonio Sánchez, Pressesprecher des Unternehmens auf den Balearen. Maskenpflicht, Handdesinfektionsgel beim Betreten des Geschäfts sowie eine Klimaanlage, welche die Kaufhäuser ordentlich durchkühlt, sollen das bewerkstelligen.
Die Kette hat ihre Onlinewerbung verstärkt, setzt aber auch weiterhin auf ihre klassischen Marketings- und Rabattstrategien wie den Schlussverkauf und „Vuelta al cole“ (Zurück in die Schule), die Eltern und Schüler ansprechen sollen. Doch auch beim Shopping-Riesen hat Corona Spuren hinterlassen. Zwar betont Sánchez, dass „alle festangestellten Mitarbeiter noch bei uns beschäftigt sind“, doch die Kette stellte wesentlich weniger Saisonkräfte als in anderen Jahren ein.
20 bis 30 Prozent der kleinen und mittelgroßen Geschäfte auf Mallorca sind derzeit geschlossen, schätzt Toni Gayá, Vorsitzender des Einzelhandelsverbands Afedeco. Wie viele davon wieder öffnen werden, steht in den Sternen. „Die Umsätze sind bis zu 50 Prozent eingebrochen“, sagt Gayá. „Diese Woche ist entscheidend“, fügt er an. Es muss sich zeigen, wie viele vor allem deutsche Urlauber auch weiterhin nach Mallorca kommen. „Die Kundschaft besteht zu 60 Prozent aus Urlaubern“, erklärt er. Der Verbandschef befürchtet, dass zeitnah weitere 20 Prozent der Läden dicht machen werden.
Besonders beunruhigen ihn die sozialen Auswirkungen. Zum einen seien viele Angestellte in Kurzarbeit. Zum anderen: „Wenn ein Geschäftsmann oder Selbstständiger aufgeben muss, steht er vor dem Nichts, er bekommt ja kein Kurzarbeitergeld, nichts.“
Afedeco setzt derzeit auf eine Werbekampagne, welche die Einheimischen anregen soll, verstärkt lokal und in den kleinen Geschäften einzukaufen. „In solchen Zeiten einen Onlinehandel aufzubauen, das kann sich nicht jeder leisten“, sagt Toni Gayá. Den Betrieb über digitalen Weg sieht er eher als langfristige Investition. Ihm schwebt vielmehr ein Mallorca-Amazon vor, ein Zusammenschluss verschiedener Einzelhändler der Insel. Verhandlungen mit der Regierung laufen. „Vermarktung, Verkauf, Vertrieb, alles soll lokal laufen, um so die Inselwirtschaft wieder anzutreiben.“
5 Kommentare
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Bin mal gespannt, wie viele Geschäfte nächstes Jahr noch offen haben und wer alles auf der Straße sitzt, vorausgesetzt, wir können mal wieder auf die Insel...Wird wahrscheinlich ein trauriger Anblick werden...
Wer Amazon nutzt, der schädigt das Gemeinwesen und fördert unsoziale Beschäftigung. Es gibt für jeden Artikel einen sozial besser vertretbaren Lieferanten - auf ebay oder anderswo ...
Das ist pure Hilflosigkeit - wird aber die Defizite nicht beseitigen. Und es fehlen die vielen Touristen als Käufer - und diese kaufen bestimmt nicht im Internet.
Wer meint, mit Maulkorb könnte man den Einkauf "genießen", hat wohl nichts verstanden. Seit Einführung dieses abscheulichen Corona-Bastards habe ich kein Geschäft von innen gesehen. Gott sei Dank gibt es Amazon&Co.
Mallorca-Amazon? Was ein Traumtänzer.