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Dienstagmorgen, 6.55 Uhr. Ein lautes Tuten kündigt die "Zurbaran" an. Sie ist eines der Fährschiffe, die fast täglich in Palmas Hafen einlaufen. Die "Zurbaran" wird bereits erwartet. Denn neben Passagieren bringt sie vor allem eines aus Valencia mit: Güter. Mit wachsamem Blick beobachten zwei Männer in orangefarbenen Warnjacken das Manöver, packen die Leinen und vertäuen das knapp 180 Meter lange Schiff. Einer von ihnen ist Federico Garrido. Gemeinsam mit seinem Kollegen ist er dafür zuständig, dass die Ware sicher vom Schiff ausgeladen und zum Hafenausgang gebracht wird. Im Falle der "Zurbaran" heißt das vor allem dafür zu sorgen, dass die rund 90 Lastwagen von Bord kommen, die mit unterschiedlichsten Gütern beladen sind. "Containerschiffe gibt es hier auch regelmäßig, aber seltener", so Garrido.

Er ist einer von 75 Hafenarbeitern an Palmas Hafen. Hier, an der Muelle de Paraires im Stadtteil Portopí, kommen täglich tonnenweise Waren vom spanischen Festland – hauptsächlich Valencia und Barcelona – und anderen Mittelmeerdestinationen an. Zement, Getreide, Früchte, Limonade, Kohle, Alkohol, Tabak, Kaffee, Papier, Treibstoff, Holz, Öl, Salz, Baumaterialien und sogar Autos und Autoteile werden hier entladen, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche.

"Es ist ein harter Job", sagt Federico Garrido. Ständig müssen er und seine Kollegen auf Abruf bereitstehen, erzählt er. "Ich weiß heute noch nicht, für welche Tages- oder Nachtschicht ich morgen eingeteilt werde." Auch ungefährlich sei der Beruf des Hafenarbeiters nicht. "Hier gibt es keine kleinen Schrammen. Entweder man bleibt unversehrt oder man verletzt sich richtig oder stirbt." Garrido muss es wissen – seit 1992 ist der 47-Jährige an Palmas Hafen im Dienst, hat technische und organisatorische Kompetenzen. Er besitzt sämtliche Führerscheine, kann Kräne und Hebemaschinen bedienen und kennt den Hafen und dessen Abläufe nach 25 Dienstjahren in- und auswendig.

Ob es noch weitere Jahre werden, das ist fraglich. Vor Wochen drohten die Hafenarbeiter in ganz Spanien immer wieder mit Streik, und auch wenn sie bisher nicht Ernst machten. Der Grund: Ein neues, spanienweites Gesetz gibt den an den Häfen tätigen Firmen die Möglichkeit, ihre Leiharbeiter frei zu wählen. Das war bisher anders. Aktuell entscheiden die Verwaltungsgesellschaften SAGEP ("Sociedades de Gestión de Trabajadores Portuarios"), wen die Firmen beauftragen dürfen: nur Hafenarbeiter wie Federico Garrido. Mit dem neuen Gesetz, das von der spanischen Zentralregierung verabschiedet wurde, und das an eben jenen Märztagen des geplanten Streiks im Parlament diskutiert werden soll, verlieren die Hafenarbeiter ihre Sonderstellung und möglicherweise auch ihre Arbeitsstellen. Druck für die Liberalisierung der Häfen übt die Europäische Union aus. Sie drängt Spanien mit Strafzahlungen dazu, das neue Gesetz einzuführen. Vielleicht deshalb ließ sich die Rajoy-Regierung nicht von den Streikdrohungen einschüchtern.

"Ich habe keine Angst, meinen Job zu verlieren. Uns durch Ungelernte oder Seiteneinsteiger zu ersetzen, das würde einfach nicht funktionieren, dafür haben wir zu viel Erfahrung", sagt Garrido optimistisch. Trotzdem wollte er genau wie alle seine Kollegen in Palma mitstreiken. Für die Würde des Berufsstands und gegen Vorurteile. "Man wirft uns vieles vor. Dass wir zu viel verdienen zum Beispiel. Aber unser Grundeinkommen ist sehr gering. Zusatzgelder bekommen wir nur dann von den Firmen, wenn wir auch hart dafür arbeiten. Und das tun wir", bekräftigt er. 

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Tatsächlich lässt die Produktivität des Warentransports in Palmas Hafen kaum etwas zu wünschen übrig. Allein im Jahr 2016 wurden neun Prozent mehr Ware abgewickelt als im Vorjahr. Hier pulsiert der Güterverkehr, ja, die gesamte Inselwirtschaft. "99 Prozent aller Importe auf den Balearen gelangen über den Seeweg auf die Inseln", erklärt Raimond Jaume, Pressesprecher der Hafenbehörde. Sprich: In die Häfen Alcúdia, Maó (Menorca), Ibiza und Savina (Formentera). Und eben - zu rund 60 Prozent - in Palma. Neben der Muelle de Paraires, wo die Arbeiter die große Fähre in den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne zu entladen beginnen, ist vor allem der Dique del Oeste für die Warenanlieferung von Bedeutung.

Rund 7,2 Millionen Tonnen an Waren wurden im Jahr 2015 in Palmas Hafen be- und entladen. Davon sind 4,8 Millionen Tonnen Importe. Kein Wunder also, dass die angedrohten Streiks der Hafenarbeiter Politik und Handelsvereinigungen Sorgen bereiten. "Die Hafenarbeiter sind in der Lage, alle Be- und Entladungsvorgänge zu verlangsamen, das könnte eine absolute Blockade mit sich ziehen. Die Situation ist sehr heikel", fürchtet der Präsident der Handelskammer Mallorca, José Luis Roses.

Hafenarbeiter Federico Garrido kann darüber nur den Kopf schütteln. "Das ist Panikmache, um die Menschen gegen uns aufzubringen", sagt er. Er und seine Kollegen hatten nicht die Absicht, die gesamte Zeit über durchzustreiken. "Wir werden abwechselnd eine Stunde arbeiten und eine Stunde streiken." Am Ende werde jedes Schiff be- und entladen, nur eben mit Verspätung.

Dass selbst diese Verspätungen der Wirtschaft zu schaffen machen, ist unbestreitbar. Insbesondere auf den Balearen. Denn die Insellage macht die Ökonomie Mallorcas und der Schwesterinseln in hohem Grade abhängig vom Hafen - und damit verbunden auch jeden Konsumenten. Zur Veranschaulichung: Rund 85 Prozent aller verderblichen Lebensmittel, die auf Mallorca im Handel sind, kommen laut Angaben der Handelskammer Mallorca von außerhalb, beim Automobilmarkt liegt der Anteil bei 100 Prozent. Und der weite Transport – gerade über den Seeweg – ist teuer. "Die Insellage bedeutet für den balearischen Handel immense Verluste", so eine Studie der Balearen-Universität aus dem Jahr 2014. "Rund 3,5 Millionen Euro allein im Importvolumen." Unternehmer auf der Insel haben nicht nur mit mehr Kosten zu kämpfen, sie müssen auch längere Transportzeiten in Kauf nehmen als die Konkurrenz vom Festland. All diese Unannehmlichkeiten schlagen sich am Ende jedoch vor allem beim Endverbraucher nieder. "Die Mehrheit der Produktionskosten werden auf die Konsumenten übertragen, sofern dies möglich ist. Wenn nicht, wird die Gewinnspanne geringer", so die Wissenschaftler. Zum Vergleich: Der Ikea-Küchentisch "Melltorp" kostet auf dem Festland 39,99 Euro, auf Mallorca dagegen stolze 60 Euro, und Benzin ist an balearischen Tankstellen teurer als nirgendwo anders in Spanien – und das trotz der Nachteilsausgleiche, die der spanische Staat mittels Steuererleichterungen und Gebührennachlässen für die Frachtschiffe in den Balearen-Häfen aufbringt.

Ob ein Streik der Hafenarbeiter für noch mehr spürbare Unannehmlichkeiten auf Mallorca führen wird oder nicht, bleibt abzuwarten. Viele Unternehmen treffen entsprechende Vorkehrungen und datieren ihre Warenanlieferungen auf die Tage vor dem Streik. "Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir streiken", sagt Hafenarbeiter Federico Garrido und blickt auf die "Zurbaran", die nun komplett entladen ist. Schon in den 1990er Jahren habe es Streiks gegeben, und im Jahr 2006. "Es ist nunmal das einzige legale Mittel, für seine Rechte zu kämpfen. Und ich werde es wahrnehmen."

(aus MM 09/2017)