Viele Kriegsflugzeuge werden am Manöver teilnehmen. | Archiv Ultima Hora

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Wer vorhat, in den nächsten zwei Wochen nach Mallorca oder von hier wieder nach Hause zu fliegen, der sollte damit rechnen, dass nicht alles so reibungslos verläuft, wie erhofft. Der Grund dafür ist das großangelegte Nato-Manöver „Air Defender 23”, das vom 12. bis zum 23. Juni überwiegend im deutschen Luftraum stattfindet. Beteiligt sein werden daran nach Luftwaffenangaben 25 Nationen (darunter Spanien) mit 250 Flugzeugen und 10.000 Soldaten. Es handelt sich um die größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit Bestehen der Nato, wie es heißt. Im betreffenden Zeitraum werden jeweils von Montag bis Freitag drei Lufträume über Deutschland zeitversetzt für mehrere Stunden für die zivile Luftfahrt gesperrt.

Luftwaffe, Fluggesellschaften, Flugsicherung und Verteidigungsministerium waren in den vergangenen Wochen bemüht, Bedenken zu zerstreuen, es könne wegen der Großübung zu einem regelrechten Chaos am Himmel kommen. Die Vorbereitungen auf das Manöver laufen bereits seit 2018 und vor allem in den vergangenen Monaten hätten sich alle Beteiligten eng abgestimmt, um die Auswirkungen auf die zivile Luftfahrt so gering wie möglich zu halten, heißt es unisono. Mit Flugstreichungen sei nicht zu rechnen. Es werde lediglich zu Verspätungen kommen.

Bedenken gegen solcherlei beschwichtigende Aussagen meldete allerdings die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) an. Es sei „unerklärlich”, wie die Luftwaffe dazu kommt zu behaupten, dass es während des Übungszeitraums keine Flugausfälle auf ziviler Seite geben werde und dass allenfalls mit Flugverspätungen im Bereich von wenigen Minuten zu rechnen sei, heißt es in einer GdF-Pressemitteilung. Tatsächlich hätten Simulationen der europäischen Flugsicherung Eurocontrol ergeben, dass für die Dauer der Nato-Großübung täglich mit Gesamtverspätungen im günstigsten Fall von bis zu 50.000 Minuten gerechnet werden muss. Das entspricht bei rund 10.000 Flugbewegungen einem Tag mit schweren Gewittern und würde deutlich im roten Bereich liegen. „Darüber hinaus wird erwartet, dass bis zu 100 zivile Flüge pro Tag ihr Umlaufziel zur Nachtschließung der verschiedensten Flughäfen in Deutschland nicht erreichen. Somit stehen diese Luftfahrzeuge sehr wahrscheinlich auch am Folgetag nicht rechtzeitig am geplanten Ort zur Verfügung. Was dies dann für die Folgetage bedeutet, ist wahrscheinlich selbsterklärend.” Die bundeseigene Flugsicherung bestreitet das mit ihren Daten gefütterte Szenario nicht, verweist aber auf weitere Eurocontrol-Modelle mit deutlich geringeren Auswirkungen.

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Laut GdF-Informationen hätten die Fluggesellschaften in den zurückliegenden Wochen als Reaktion auf die zu erwartenden Verspätungen zahlreiche zivile Flüge im Übungszeitraum gestrichen. „Die Militär-Übung Air Defender wird natürlich massive Auswirkungen auf den Ablauf der zivilen Luftfahrt haben. Gegenteilige Behauptungen sind wirklichkeitsfremd und entbehren jeder Grundlage“, so der Bundesvorsitzende der GdF, Matthias Maas. Und weiter: „Darüber hinaus wird das Personal der Deutschen Flugsicherung in diesem Zeitraum an seine Belastungsgrenzen kommen.” Durch Zusatzschichten und Überstunden werde man versuchen, die Verspätungen so gering wie möglich zu halten. Die GdF wolle verhindern, dass die Kollegen dafür verantwortlich gemacht werden, wenn die zu erwartenden Auswirkungen auf die zivile Luftfahrt eintreffen. „Ich fordere die Verantwortlichen des Verteidigungsministeriums auf, nicht vor den Tatsachen die Augen zu verschließen und die Passagiere und Airlines, die es in großer Zahl betreffen wird, hinsichtlich der Folgen für den Luftverkehr nicht in einer falschen Sicherheit zu wiegen”, so Maas abschließend.

Dass es ganz offensichtlich eng werden wird am Himmel über Deutschland, zeigt nun die Tatsache, dass mehrere Bundesländer planen, die Regelungen zu Nachtflugverboten während des Manövers zu lockern, so etwa in Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Baden-Württemberg und Hessen. Der Bund hatte an die Länder appelliert, Betriebszeiten an Flughäfen zu flexibilisieren. Störungen für den zivilen Luftverkehr könnten deutlich abgemildert werden, wenn für die Dauer der Übung Anträge betroffener Luftverkehrsunternehmen auf Starts und Landungen außerhalb der normalen Betriebszeiten der Flugplätze von den zuständigen Behörden genehmigt werden, wenn die Voraussetzungen vorliegen.

Auf spanischer Seite wiederum sieht man dem Manöver gelassen entgegen. Palmas Flughafenbetreiber Aena etwa verweist lediglich an die spanische Flugsicherung Enaire. Man selbst habe keine weiteren Planungen für nötig befunden, so eine Sprecherin MM gegenüber. Enaire wiederum erwartet zwar Verspätungen auf Flügen zwischen Palma und Deutschland, Flugstreichungen aber werde es nicht geben.