Mallorca gilt in diesem Jahr als eines der beliebtesten Reiseziele in Europa. | Jonas Martiny

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Ein junges Touristenpaar starrt aufs Mobiltelefon und hält dann nach einem Straßenschild Ausschau. „Ich glaube, hier geht’s lang”, sagt er. Sie folgt ihm willig. Die Rollkoffer rattern übers Pflaster – ein Geräusch, das in diesem Viertel Palmas vor nicht allzu langer Zeit noch völlig unbekannt war, da es in der Nähe keine Hotels gibt. Nun hat der Tourismus aber auch hier Einzug gehalten, die beiden Urlauber haben sich bei einem privaten Anbieter eingemietet. Gefunden haben sie ihr Zimmer auf der Internetplattform Airbnb. Dass das Angebot in Palma illegal ist, wissen sie nicht. „Ach, das höre ich zum ersten Mal”, sagt sie.

Tourismus-Boom auf Mallorca

In der Inselhauptstadt existiert in Mehrfamilienhäusern keine legale Ferienvermietung. Es werden keine entsprechenden Lizenzen vergeben. Der Linkspakt hatte 2017 diese Regelung beschlossen, um angesichts der steigenden Nachfrage von Urlaubern negative Auswirkungen auf den lokalen Mietmarkt zu verhindern und Konflikte zwischen Einheimischen mit Ruhebedürfnis sowie Touristen im Urlaubsmodus zu vermeiden. Und dennoch: Wer den Namen der Stadt bei Airbnb in das Suchfeld eintippt, bekommt derzeit locker 1000 Ergebnisse ausgespuckt. Das Angebot reicht vom Kabuff mit Klappbett für 20 Euro pro Nacht bis zum herrschaftlichen Anwesen unweit des Castell de Bellver für 850 Euro. Bei den anderen einschlägigen Internetplattformen sieht es nicht anders aus.

Für die Überwachung des Angebots zuständig sind die 15 Kontrolleure des Tourismusdezernats im Inselrat. Verantwortlich für deren Arbeit ist Joan Gaspar, Chef der betreffenden Inselratsdirektion. „Na klar könnten es mehr Kontrolleure sein”, sagt er, will sich aber nicht beklagen. Immerhin seien von Januar bis Mai dieses Jahres 874 Kontrollen durchgeführt worden. Diese Zahl allerdings umfasst sämtliche Bereiche, die zu Jahresbeginn vom balearischen Tourismusministerium in die Zuständigkeit des Tourismusdezernats des Inselrats übergeben wurden. Und dazu gehören neben der Ferienvermietung noch eine ganze Reihe anderer Themen.

In Gaspars Zuständigkeitsbereich fallen neben Bars, Hotels und Restaurants auch Reisebüros, Anbieter von Aktivurlaub und Souvenirshops. „Zu Jahresbeginn mussten wir sogar noch Covid-Kon-trollen machen”, sagt Gaspar. „Das aber ist jetzt glücklicherweise vorbei.” Als erstes habe man einen Jahresplan aufgestellt, gegliedert nach den jeweils in jeder Jahreszeit wichtigsten Kontrollen. Im Juni gab es einen Schwerpunkt mit Kontrollen zur Einhaltung der Vorschriften gegen den Exzess-Tourismus an der Playa de Palma und in Magaluf. Im Mai dagegen stand die illegale Ferienvermietung im Fokus.

520 Kontrollen fanden laut Inselrat in den ersten fünf Monaten des Jahres in touristischen Unterkünften statt. In den ersten vier Monaten waren es 361 Kontrollen allein in Ferienwohnungen in Palma. Rechnet man sämtliche Bereiche ein, die in die Zuständigkeit des Tourismusdezernats fallen, waren es von Anfang Januar bis Ende Mai 874 Kontrollen. Allein 119 in gastronomischen Betrieben. 193 Bußgeldverfahren wurden eingeleitet.

Das Vorgehen der Kontrolleure basiert zum einen auf eigener Recherche, die dadurch erleichtert wird, dass ja sämtliche Wohnungsannoncen auf den einschlägigen Internetportalen frei zugänglich sind. Teilweise sei zwar keine genaue Adresse angegeben, sondern nur die ungefähre Lage, oft lasse sich aber dennoch herausfinden, um welche Wohnung es sich handelt. In anderen Fällen bekommen die Kontrolleure Hinweise von Anwohnern. Zu dem Zweck wurde eigens eine E-Mail-Adresse eingerichtet: inspeccioturis me@conselldemallorca.net . „Wir gehen jeder Beschwerde nach”, sagt Gaspar.

Für völlig unzureichend halten die Kontrollen des Tourismusdezernats Umweltschutzverbände wie etwa Terraferida. „Wie willst du mit 15 Kontrolleuren hunderttausende Übernachtungsplätze überwachen?”, fragt Sprecher Jaume Adrover. „Das ist schlicht unmöglich.” Im Jahr 2019 analysierte Terraferida das Angebot von Airbnb auf den Balearen und kam zu dem Schluss, dass von den 141.000 Übernachtungsplätzen 50.951 illegal seien beziehungsweise die Lizenznummer nicht wie vorgeschrieben angegeben war, was 38 Prozent des Angebots entspreche. Laut Adrover bringe es wenig, „hier und dort einer Einzelperson” eine Geldstrafe aufzubrummen. Stattdessen müsse man die Daten der Online-Plattformen im großen Stil auswerten und dann diese wegen Verstößen gegen die auf den Balearen geltenden Vorschriften belangen.

Das allerdings hat sich mittlerweile als gar nicht so einfach erwiesen. Die balearischen Behörden hatten nach der Regulierung der Ferienvermietung im Jahr 2017 Geldstrafen in Höhe von 300.000 Euro gegen mehrere Buchungsplattformen verhängt. Allerdings gaben die Gerichte anschließend Airbnb & Co Recht, die argumentiert hatten, sie würden ja nur als Vermittler auftreten. Joan Gaspar räumt ein, dass diese Strategie zur Eindämmung des Problems derzeit nicht weiterverfolgt wird. Terraferida dagegen argumentiert, man müsse nur eine Rechtsgrundlage schaffen, die wasserdicht sei, dann könne man auch gegen die großen Internet-Anbieter direkt vorgehen. „Das ist viel effektiver, als die Kontrolleure von Tür zu Tür laufen zu lassen”, sagt Adrover.

Eine Schätzung, wie viele Ferienwohnungen illegalerweise in Palma angeboten werden, traut sich Joan Gaspar vom Inselrat nicht zu. „Es gibt ganz offensichtlich illegale Angebote”, sagt er. „Viele Leute machen das.” Man müsse dieses Problem bekämpfen und die Anbieter verfolgen. Die Strafen seien hoch und hätten abschreckende Wirkung. Wer illegalerweise eine Wohnung an Urlauber vermietet, muss mit einer Geldbuße zwischen 20.001 und 40.000 Euro rechnen. „Solche Strafen werden auch tatsächlich verhängt und kassiert”, sagt Gaspar. Die Phase, in der lediglich mit dem Zeigefinger gedroht werde, sei längst vorüber.

Welche Auswirkungen die illegale Ferienvermietung auf den Wohnungsmarkt in Palma hat, ist umstritten. Während die Kritiker wie beispielsweise Terraferida keinen Zweifel daran lassen, dass die angespannte Lage auf dem Mietmarkt zum Teil dem Boom der Buchungsplattformen geschuldet ist, weisen das die Befürworter, wie etwa der Verband der Ferienvermieter, weit von sich. Im Jahr 2017 veröffentlichten zwei Forscher der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Balearen-Universität eine Studie, in der sie einen größeren Effekt der Ferienvermietung auf die Mietpreise verneinten. Joan Gaspar wiederum sieht die Sache klar: „Wenn Wohnungen für die illegale Ferienvermietung genutzt werden und so dem normalen Mietmarkt entzogen werden, dann kann das zu einer Steigerung der Mietpreise führen. Schließlich sinkt das Angebot.”

Und so wird er auch weiter Jagd machen auf die illegalen Anbieter. Die Urlauber selbst aber bleiben unbehelligt. „Die allermeisten Touristen wissen überhaupt nicht, dass es in Palma illegal ist, Wohnungen zur Ferienvermietung anzubieten”, räumt Gaspar ein. Eine entsprechende Aufklärungskampagne samt Appell an die Urlauber, sich doch bitte an das legale Angebot zu halten, die sei derzeit dennoch nicht vorgesehen. Und so wird man das Rattern der Rollkoffer auch weiterhin selbst in Stadtvierteln hören, in denen es keine Hotels gibt.